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Dies ist ein ellenlanger Thread zum Thema Symmetrie und was das mit der Gleichstellung der Geschlechter und "Gendergaga" zu tun hat. Allen, die das nicht interessiert: Entschuldigung.
Viele Menschen, die über Gender und Gleichstellungsrecht schreiben, wissen gar nicht, was das ist, und ob sie eigentlich selbst für eine symmetrische oder asymmetrische Gleichstellungspolitik sind. Das kann behoben werden.
Gendersensible Politik berücksichtigt, welche sozialen Phänomene an das Geschlecht gekoppelt sind. Wenn zum Beispiel alle Taxifahrer 1.000 Euro vom Staat kriegen würden, aber Taxifahrer zu 95 Prozent männlich sind, würde dieses Staatsgeld also vor allem an Männer gehen.
Solche Politik fragt zum Beispiel danach, wie Staatsgelder so verteilt werden, dass sie nicht nur bei Männern ankommen und trotzdem den gewünschten Effekt erzielen. Nicht mehr, nicht weniger.
Die im Grundgesetz festgelegte Staatszielbestimung Gleichstellung sieht sogar vor, dass bei allen staatlichen Maßnahmen darauf hinzuwirken ist, einer echten Gleichstellung näher zu kommen. Echte Gleichstellung ist ein Ziel des Staates.
Man darf also nicht einfach Taxifahrer staatlich beschenken, ohne wenigstens auch über den Gleichstellungseffekt nachzudenken und die Maßnahme dann gut zu begründen. Das soll bewirken, dass Gesetzgeber über die Wirkung ihrer Gesetze nachdenken und dem Ziel näher kommen.
Viele Menschen kennen aber gar nicht den Unterschied zwischen symmetrischer und asymmetrischer Gleichstellungspolitik.
Symmetrische Gleichstellungspolitik ist, wenn man findet, dass alle Leute im Prinzip immer gleich behandelt werden sollen. Auf diesem Gedanken fußt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz.
Das hatte die CDU einmal verwässert. Vorher wäre es ein - besseres - Antidiskriminierungsgesetz gewesen (SPD). Die CDU hatte damals aus einem asymmetrischen Gesetz ein symmetrisches gemacht. Heute nehmen alle diese Verwässerung zum Vorbild.
Asymmetrische Gleichstellungspolitik setzt bei den Gruppen derjenigen an, denen bestimmte gesellschaftliche Bereiche verschlossen sind und stärkt diese Gruppen oder Individuen. Klassische Frauenförderpolitik ist ein Beispiel dafür oder ein billigerer Eintrittspreis für Kinder.
Symmetrische Gleichstellungspolitik ist eine tolle Idee, weil sie einen recht umfassenden Anspruch hat. Sie ist aber auch eine schlechte Idee, weil sie alles mit allem regeln will. Das ist in der Praxis manchmal nicht zielführend.
Gleichstellungsgesetze, bei denen plötzlich alles überhaupt nicht mehr diskriminiert werden darf, sind in der Ausführung häufig so schwammig, dass die Gerichte zwar gut beschäftigt sein werden, aber gesellschaftlich keine Steuerungseffekte entstehen.
Beispiel Frauenparkplatz: Ein gut betuchter Mann klagt, dass er da parken dürfen will, wo aber doch ein Frauenparkplatz ist. Er sieht sich diskriminiert.
Das folgt einer symmetrischen Gleichstellungslogik: Dass sich plötzlich diejenigen diskriminiert fühlen, die faktisch überhaupt nicht zur diskriminierten Gruppe gehören und die eher selten nachts in Parkhäusern überfallen werden.
Der Allgemeine Gleichstellungsgrundsatz, falsch angewendet, kann also dazu führen, dass ausgerechnet die sowieso schon bevorteilte Gruppe sich auf vermeintliche Diskriminierung berufen.
Aus der Praxis wissen wir, dass meistens vor allem diejenigen ihre Rechte in Anspruch nehmen, die das Geld dazu haben. Das sind, platt gesagt, häufiger Männer. Ergebnis: AfD-Männer klagen gegen Frauen auf Grundlage vermeintlicher Frauenrechte. Eigentlich ganz witzig, oder?
Wer eine symmetrische Gleichstellungspolitik macht, drückt sich darum herum zu definieren, wo besonders große Diskriminierungen vorliegen, und diese gezielt abzubauen.
Eine asymmetrische Gleichstellungspolitik ist da ehrlicher und zielführender: Sie definiert, welche gesellschaftlichen Gruppen unterrepräsentiert sind und gibt diesen besondere Rechte und Instrumente - und eben auch nur diesen.
Das macht aus meiner Sicht Sinn.
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