#IchBinArmutsbetroffen gewesen.

Das muß jetzt Mal raus. Ich habe unter diesem Hashtag soviele Vorurteile gelesen, dass ich jetzt doch Mal meinen Senf dazu geben will.

TL;DR - Armut ist Stress, kann krank machen und jede*n treffen.

1/16
Ich bin nicht bildungsfern. Ich habe Abi und 2 kaufmännische Ausbildungen abgeschlossen.

Meine Frau ist Zimmererin. Und Fremdsprachenkorrespondentin mit Sprachkenntnissen FR & EN auf Muttersprachniveau.

Aber ab 2008 haben wir mehrfach befristet arbeiten müssen.
2/16
Nach einer Befristung dann als Eltern wieder einen Job zu finden, der familientauglich in TZ stattfindet - fast unmöglich im kaufmännischen. 2008/9 wurden infolge der Wirtschaftskrise viele Menschen gekündigt und im kaufmännischen Bereich haben wir zu dem Zeitpunkt mehr...

3/16
Arbeitslose als Stellen gehabt. Wenn jemand anderes mit gleicher Qualifikation sich bewarb, war man raus.

Außerdem stellte ich weitere Ansprüche. Berechtigte.

Ich möchte nicht bei einem Arbeitgeber arbeiten, wo ich 6-8 Std täglich umwelt- oder gesellschaftsschädliche

4/16
Geschäftspraktiken fördere.

Außerdem hatten wir zwei kleine Kinder, die wir nicht Vollzeit in die Kita bringen wollten. Die Kita war gut, aber für die Kinder merklich anstrengend. Wir erziehen nicht über die Bedürfnisse unser Kinder hinweg, denn Kinder haben Rechte.

5/16
Außerdem hatten wir 3 Pflegefälle im engsten Familienkreis, die viel Energie und Zeit kosteten und als K1 ab der 2. Hälfte Erste Klasse in der Schule nicht mehr aufpasste, mussten wir das - guess what - ebenso zeitaufwändig abklären.

6/16
Als uns eine Psychologin den Grund lieferte (das Kind ist ziemlich sicher unterfordert) handelte die Schule nicht und wir mussten Frust und Wut, sowie unbediente Bedürfnisse nach Input des Kindes zuhause regulieren. Auch zeitaufwändig.

7/16
Das alles und die prekären Jobs dauerte über 5 Jahre an, fühlte sich irgendwann aussichtslos an, verursachte Zukunftssorgen & Depressionen #notjustsad, wegen derer wir Eltern auch behandelt werden mussten. Ja, ich gebe es unter Realnamen zu, denn mittlerweile weiß ich,
8/16
dass es der Stress aufgrund der zu vielen "Baustellen" war, der uns krank machte.

Irgendwann hatten wir dann doch wieder Glück. Nach einer Reha konnte ich in ein festes Arbeitsverhältnis einsteigen - wobei Schulprobleme eines Kindes dann doch wieder TZ nötig machten.

9/16
Und auch meine Frau fand einen tollen Arbeitgeber, bei dem die Bezahlung so gut war, dass ich ein Studium in einem Beruf aufnehmen konnte, der mich in eine Branche mit massivem Fachkräftemangel bringen würde (davon geträumt habe ich schon 2012, nur war kein Geld da).
10/16
In meinem 2. Studienjahr dann: Coronapandemie. Im Herbst 2020 machte der tolle Arbeitgeber meiner Frau die Pforten dicht.

Da war sie wieder. Die Zukunftsangst.

Aber: Glück im Unglück. Die Arbeitsagentur war spendabel und meine Frau bekam eine kaufmännische Ausbildung...
11/16
... denn die damals eigenfinanzierte Umschulung zur Fremdsprachenkorrespondentin, die sie gemacht hatte, weil handwerklich körperlich nicht mehr ging, war keine grundständige Ausbildung.
In 8 Monaten büffelte sie sich zu einem 1er Abschluss & bekam sofort eine Stelle.
12/16
Vollzeit. Unbefristet.

Trotzdem. Die Angst war wieder da. Würde sich die Zeit mit Wohngeld - einmal sogar H4 Antrag (abgelehnt, wegen Ausbildungskonten der Kinder, die vom Opa angelegt wurden) - wiederholen?!?

All der Stress, alles reparieren, gebraucht kaufen, ...
13/16
...weitere Sparmöglichkeiten suchen? Aus der Zeit kommt es, dass wir lange nur Wasser aus dem Hahn, die Kinder manchmal auch Schorle getrunken haben. Jetzt sprudeln wir das Wasser auf und haben auch mal einen Sirup im Haus. Aber früher?
14/16
Ich kann aus Erfahrung sagen, dass wir mit dem Lebensmittelbudget von H4 ausgekommen sind. Aber die anderen Budgets? Nicht mit Kindern & in einer Gesellschaft, die doof guckt, wenn du Winterjacke & Rucksack mehrfach reparierst oder mit ausgebeulten Jeans im Büro sitzt.
15/16
Abschließend:
Oft lese ich, dass der Regelsatz ausreiche. Lasst mich euch aus Erfahrung (& der von Bekannten und Freunden) sagen: Ja, zum Überleben.
Ohne Freizeitunternehmungen, Urlaub etc. oft unverschuldet & über Jahre.
Und das findet ihr fair?!?

16/16

• • •

Missing some Tweet in this thread? You can try to force a refresh
 

Keep Current with Angelika ⁉️Ja, aber...‼️Hornheim

Angelika ⁉️Ja, aber...‼️Hornheim Profile picture

Stay in touch and get notified when new unrolls are available from this author!

Read all threads

This Thread may be Removed Anytime!

PDF

Twitter may remove this content at anytime! Save it as PDF for later use!

Try unrolling a thread yourself!

how to unroll video
  1. Follow @ThreadReaderApp to mention us!

  2. From a Twitter thread mention us with a keyword "unroll"
@threadreaderapp unroll

Practice here first or read more on our help page!

Did Thread Reader help you today?

Support us! We are indie developers!


This site is made by just two indie developers on a laptop doing marketing, support and development! Read more about the story.

Become a Premium Member ($3/month or $30/year) and get exclusive features!

Become Premium

Don't want to be a Premium member but still want to support us?

Make a small donation by buying us coffee ($5) or help with server cost ($10)

Donate via Paypal

Or Donate anonymously using crypto!

Ethereum

0xfe58350B80634f60Fa6Dc149a72b4DFbc17D341E copy

Bitcoin

3ATGMxNzCUFzxpMCHL5sWSt4DVtS8UqXpi copy

Thank you for your support!

Follow Us on Twitter!

:(