Okay, ich hab mich dedicated. Alle 100 follows, eine Story. Hier die zweite. Für die aufmerksamen Leser meines Accounts. Ich habe bereits eine zu Anfang hier eingestellt
MEINE ERSTE DICHTERLESUNG : Ich komme eine halbe Stunde zu spät zu meiner ersten Lesung in der Bücherei. Ich habe einen Karton meines Erstling in beiden Armen und stehe dort wie der junge Hemingway, auf der Suche nach seinem großen Fisch. 1...
2...Ich habe die Ärmel aufgekrempelt und begutachte die ganzen Kulturheinis die bereits da sind, nur um mich zu erleben. "Hier, große Literatur", schreie ich und verteile Gratis Exemplare an die Literatur Groupies mit den vielversprechendsten Ansichten...
3...Ich betrete die Bühne, und werfe mit Verve meine spärlichen Unterlagen auf den Tisch. Sofort beginne ich, wahllos Anglizismen unter das Publikum zu streuen, wie "very British", "cheers mate" oder "Pardon my French". Hinter mir als einzige Dekoration ein Plakat von Brighton...
4... "Das ist 'Brighton Seafront' eventuell 'Brighton Seaside', aber keinesfalls 'Brighton Boardwalk' or irgendso ein Pfurz. Wir sind doch immerhin keine verdammten Yanks, nicht?!", kläre ich die Unwissenden über die korrekte Sprachwahl auf...
5...Ich fläzze mich an den Tisch und tipple kurz mit dem Sessel. Simuliere einen bevorstehenden Umkipper, um mich dann doch noch, ganz der seriöse Poetus Laureatus in Positur zu begeben...
6...Ein unterrangiger Kulturstadtrat der Statutarstadt Wiener Neustadt kredenzt mir mit einem fast schon kakanischen Diener, ein Bier, dass ich dankend ablehne. Ich wäre zwar durchaus beeinflusst durch Bukowski, aber hätte dann doch keine Lust...
7...mich und speziell mein Talent, an C2H5OH Abusus zu verschwenden, verlautbare ich, und deute auf die rund um die Bühne drapierten Alkohol Flaschen, verschiedenster Sorten, natürlich von der Kulturinitiative der Jusos der Stadt gespendet...
...8 Irgendwie muss Kommunismus ja sexy oder soziale Marktwirtschaft erträglich bleiben...
9...Jetzt komme ich aber wirklich zum offiziellen Teil und begrüße die honoren Herren, der Stadtregierung Wiener Neustadt. Ich entschuldige mich gleich vorweg, sie nicht alle im Gedächtnis namentlich parat zu haben, aber selbst ein noch aufnahmefähiges Gedächtnis, wie das meine..
10...könne da einfach nicht mehr Schritt halten, bei so radikalen Wechseln über die Jahrzehnte und zu meiner Entschuldigung wäre ich Anarchist, Katholik, Liberaler und Kommunialist in einer Person, somit ohnehin politisch komplett unzurechnungsfähig...
Ich bedanke mich auch gleich am Anfang für die freundliche Einladung der Wiener Neustädter Stadtbücherei, die zweifelsohne fabelhaft ist, auch wenn ich in ihr als Neuankömmling an meinem ersten Tag Probleme hatte, die Bücher zu finden.
Das wäre aber natürlich nur meinem einfachen Intellekt und meiner mangelhaften Orientierung geschuldet. Bestimmt. Auch, dass ich bei meinem ersten Besuch nach betreten des «Lesesaals» zwar wie erwartet einen Saal vorfand, aber keinerlei Sitzmöbel oder anderes Mobiliar und –
-fast ein Frevel das hier zu erwähnen – keine Bücher vor fand, nehme ich auf meine Kappe. Natürlich musste man sich die Bücher erst heranschaffen, es konnte ja nicht alles dauerhaft im Lesesaal gelagert werden und wenn man im Stehen oder im Gehen las, war das dem Gedanken -
und Lesefluss ja doch weit zuträglicher. Was war ich doch für ein altmodischer Geck.
Das ich nach dem Betreten des Lesesaals dann aber doch etwas befremdet war, dass ich die große Flügeltür, die sich so anstandslos bei meinem Eintreten geöffnet hatte, sich meinem Wiederaustreten
dann doch verweigerte - Ich fand sie schlicht versperrt, es war wohl eine Einwegtür – bereitete mir schon mehr kognitive Dissonanz. Aber was blieb mir anderes übrig, als weiter direkt der Nase nach, direkt durch eine komplett gleichartige Tür,
auf der anderen Seite des «Lesesaals» zu schlüpfen. Unverhofft fand ich mich in einem Stiegenhaus und die nächste Tür war schon eine durchsichtige Außentür mit der aufmunternden Aufschrift «Kein Ausgang».
Kurz fragte ich mich, ob das eine Art modernes Monopoly – oder unsere österreichische Version, das DKT, für die, die das noch kennen – wäre, und ich gerade noch eine «Gehe aus dem Gefängnis» Karte gezogen hätte.
Ich entschied mich jedenfalls, wagemutig und tollkühn, wie ich mich an öffentlichen Plätzen, an denen ich mich normalerweise gut aufgehoben fühle, nun mal bin, dazu, mich nicht abschrecken zu lassen.
Und noch einmal abzubiegen um einen Parallelgang zu meinem Hinweg zu beschreiten, um mich dann, was in einem Rechteck durchaus voraussehbar war, wieder an meinem Ausgangspunkt zu befinden.
Die charmante junge Dame, die mich immer noch anlächelte, war zum Glück noch dieselbe, ansonsten hätte ich in diesem Moment ernsthaft an meiner psychischen Gesundheit zu zweifeln begonnen, oder begonnen die Wände nach einer versteckten Kamera abzusuchen.
Diese nette Dame, die bestimmt Studentin war, und hier nur in Teilzeit arbeitete, so gut, wie ihre Laune war, verwies mich dann auch auf den ganz einfachen Weg zu den Büchern, in dieser -
- zur Entschuldigung der Planer und Lenker dieser Stätte komplett neueröffneten und für alle Wiener Neustädter Bürger kostenlosen - öffentlichen Wiener Neustädter Stadtbibliothek.
Es ging ganz einfach. Einmal gerade durch, zweimal links und dann die Treppe mit dem Schild auf dem «Kindergarten» stand, nach unten gehen. Und da waren sie dann auch die Bücher. Ich fühte mich wie Odysseus vor der Rückkehr nach Ithaka.
Nachdem ich gleich am Anfang und ohne bisher überhaupt in meine Aufzeichnungen geblickt zu haben, diese Anekdote erzählt habe, ist die Stimmung im Saal natürlich bereits am Kochen.
Auch die anwesenden verantwortlichen Politiker, alle beide, können nicht anders, als sich ehrlich amüsiert zu geben. Weil, sie können eben nicht anders, weil das Wahlvolk bereits sichtlich erheitert und gut mit Gratis Alkohol abgefüllt ist, der überall in diversen Flaschen
auf Tischchen komplett mit Gläsern von Anfang an bereit gestellt war.
Ich nutze die Gelegenheit und distanziere mich an dieser Stelle von den freigiebigen, alkoholischen Spenden an die Allgemeinheit und verweise zuerst auf private Spender,
die lieber anonym bleiben möchten um sofort im nächsten Atemzug, mein Verschmähen eines jeden Umtrunks mit meiner in der Vergangenheit durchaus problematischen Beziehung zum Alkohol erkläre.
Anwesende, die mich bereits in der Stadt gesehen hätten, könnten das bezeugen und außerdem wären zwar Bukowski und Kerouac mit ihrer geraden, direkten Prosa durchaus zu meinen Einflüssen zu zählen,
jedoch wäre mir die Platitüde des ewig besoffenen Dichters dann doch eben genau das, nämlich zu platt.
Außerdem würde ich das Leben viel zu sehr genießen und man könnte doch auch alles ohne Alkohol ganz miserabel finden und in Würde leiden.
Damit locke ich auch noch die letzten existenzialistischen Miesepeter, die in den 70er oder 80er Jahren noch mit Sartre gequält wurden aus der Reserve ihrer schon viel zu eng anliegenden Rollkragenpullover.
Schließlich ringe ich mich in einem Grande Finale dann doch dazu durch,
meine Unterlagen aufzuschlagen und eine bewegende, tiefsinnige und doch locker flockige Liebesszene aus meinem aktuellen Buch «Eine Geschichte aus Brighton» vorzulesen. Beim abschließenden Kuss des Liebespaares bleiben keine Literaturgroupie Augen trocken, alte Ehepaare blicken
sich seelig in die Augen und sogar hartgesottene Zyniker ertappe ich dabei, wie sie verträumt mit überschlagenen Beinen ins Leere blicken, während ich meine Unterlagen zuklappe und in die Pause gehe.
In dieser lasse ich mich von der schärfsten Maus im Raum, nach der obligaten Signatur meines Meisterwerks – natürlich mit persönlicher Widmung – dann doch zu einem Glas Sekt inspirieren.
Immerhin wäre es eine gute Übung in Selbstdisziplin, an einem Abend eben genau nur einen Drink zu nehmen, und nicht mehr. Während sie sich auf dem schmalen Cocktailtisch immer näher zu mir lehnt, bis ihre Brüste mich fast berühren, ganz kurz, wirklich ganz kurz vor diesem Moment.
Wache ich auf! Die Brüste gehören eigentlich meiner Verlobten. Die mich mit einem sanften Kuss weckt, und mir zuflüstert: «Aufstehen mein Schatz. Du hast doch heute Kontrolltermin beim Arbeitsamt!»
Anscheinend ist die einzige Lesung, die heute stattfinden, die, bei der mir von meiner AMS Betreuerin die Leviten gelesen werden.
ENDE
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