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Feb 18, 2024, 20 tweets

Kürzlich stellte Lisa Paus eine Studie zu "Hass im Netz" vor. Diese Studie ist ein Paradebeispiel dafür, wie eine vermeintlich wissenschaftliche Eindeutigkeit erzeugt wird, um politische Vorhaben zu untermauern. Dabei gehen die Studienautoren hochmanipulativ vor. Ein Thread🧵👇

Durchgeführt wurde die Studie vom "Kompetenznetzwerk gegen Hass im Netz", das vom Bund im Rahmen des Programms "Demokratie leben" gefördert wird. Zu dem Netzwerk zählen u.a. die Neuen Deutschen Medienmacher, die für eine linke Agenda bekannt sind. nzz.ch/international/…

Wie definiert das Kompetenznetzwek "Hass im Netz"? Auf dem rein subjektiven Empfinden der Betroffenen.

Unbeteiligte Dritte dürfen Hassrede anprangern, wenn sie Zeuge werden. Nicht so die "Hater*innen" selbst: Ihnen wird verwehrt, sich gegen den Vorwurf zu verteidigen.

Auch die Ergebnisse der Studie (Bild 1) basieren auf subjektiven Empfindungen. Die Befragten sollen Auskunft über ihre Erfahrungen mit Hass im Netz geben - die dann in journalistischen Texten teilweise wie unumstößliche Tatsachen dargestellt wurden.

tagesschau.de/inland/interne…


Im Folgenden werden die Studienteilnehmer gefragt, was sie als "Hass im Netz" empfinden. Dabei werden einige konservative Positionen von gut vierzig Prozent nicht als Hass wahrgenommen - was den Autoren selbstverständlich nicht passt, wie wir später noch sehen werden.

Zunächst einmal stellen die Autoren wertfrei fest, dass Linke mehr "Hass" wahrnehmen als Rechte.

Die ließe unterschiedliche Schlussfolgerungen zu:
- Linke haben bessere Sensoren für Hass.
- Linke sind empfindlicher.
- Linke werten abweichende Meinungen eher als Hass.

Die dritte Möglichkeit - dass die inflationäre Klage über "Hass" einem undemokratischen Debattenverständnis entspringt - hat in der Studie ebensowenig Platz wie die zweite. Denn das politische Ziel der Studie liegt darin, ein besonders hohes Ausmaß an Hass zu ermitteln.

Die Befragten werden darum erstmal in Kenntnis gesetzt, was "Hass im Netz" ist - überraschenderweise liegen nach dieser Definition die Ergebnisse der Studie "etwas über anderen Erhebungen". Wer hätte damit gerechnet?!?

Anschließend sollen die Befragten angeben, gegen wen sie Hass im Netz beobachten. Teilweise geben sie dabei die erwünschten Antworten:

"Politiker*innen", "Geflüchtete" und "Aktivist*innen" liegen ganz vorn in der Hass-im-Netz-Opferhierarchie.

Der Haken: Juden, Sinti und Roma sowie arme Menschen werden zu selten genannt.

Darum lassen sich die Autoren zu einem bemerkenswerten Satz hinreißen: Die Zahlen spiegelten nicht die tatsächliche Betroffenheit von Hass wieder. Der Bias springt hier förmlich aus dem Text.

Weil die Befragten nicht wie erwünscht geantwortet haben, wird auf einmal die Aussagekraft der eigenen Zahlen bezweifelt.

Eigentlich müssten die Autoren nach dieser Erkenntnis ihre gesamte Methodik hinterfragen. Doch weit gefehlt.

Stattdessen wird weiter an der Diskreditierung der AfD gearbeitet. Denn ihre Anhänger stimmen am häufigsten der Aussage zu: "Durch manche Hassbotschaften wird endlich mal gesagt, was gesagt werden muss."

Klingt gemein.

Ist aber gar nicht mehr so gemein, wenn man sich das Framing der Befragung anschaut.

Erinnern wir uns an diese Grafik. Gefragt wurde u.a., ob es "Hass" sei, seine eigene Kultur als überlegen darzustellen. Oder vor einer Eroberung Europas durch den Islam zu warnen.

Auf diese Grafik wird nun an späterer Stelle Bezug genommen, um die genannten Aussagen en passant zu "Hass" zu erklären.

Wer das anders sieht, dem wird erneut einfach eine Fehlwahrnehmung diagnostiziert.

Dass AfD-Anhänger Hassbotschaften also teilweise für legitim halten, könnte daran liegen, dass die Studienautoren vertretbare konservative Positionen zu "Hass" umgedeutet haben.

Vielleicht mal den Einfluss der eigenen Annahmen ins Studiendesign miteinbeziehen?

Nachdem die Opposition verunglimpft wurde, wird schließlich an die anstehenden Europa- und Landtagswahlen erinnert: Keineswegs dürfe "Hass im Netz" dazu führen, dass Meinungsbildungsprozesse "beeinträchtigt" würden; der Diskurs gar "nach rechts verschoben" werde.

Schließlich werden die Befragten - die gerade noch als zu blöd galten, um Hass zu erkennen und die korrekten Opfer zu orten - als Zeugen herangezogen, um von der Politik Maßnahmen zu fordern. Unterstrichen wird dies durch das wertende Wort "berechtigt".

So ein Glück, dass nicht nur Paus in der vergangenen Woche ihren Auftritt hatte. Auch Innenministerin Faeser stellte ihren 13-Punkte-Plan gegen Rechtsextremismus vor. Eine der Maßnahmen: Hass im Netz bekämpfen.

"Diejenigen, die den Staat verhöhnen, müssen es mit einem starken Staat zu tun bekommen", erklärte Faeser.

Studien wie diese helfen bei der Errichtung eines solchen starken Staats: Sie verleihen der Regierungspolitik das Siegel wissenschaftlicher Alternativlosigkeit.

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