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#RotRotGrün in #Thüringen wird von CDU und Co. gern als »ideologisches Projekt« bezeichnet. Das ist nicht als Lob gemeint. Aber was hat es mit diesem Vorwurf eigentlich auf sich? Ein Klärungsversuch 1/n
Der @MikeMohring nimmt für die CDU in Anspruch, angetreten zu sein, »um Rot-Rot-Grün als großes ideologisches Projekt zu beenden«.
sueddeutsche.de/politik/regier…
Oder: Die CDU-Fraktion in Thüringen hat die Kräfteverhältnisse im Landtag in einem Beschluss so charakterisiert: »Es gibt keine Mehrheit mehr für politische Projekte aus dem ideologischen Geist dieser Koalition«
tabularasamagazin.de/die-inhalte-be…
Der Vorsitzende der Thüringer CDU-Landesgruppe im Bundestag, Manfred Grund, sagt zur LInkspartei: »Das ist ein ideologisches Unternehmen.«
deutschlandfunk.de/manfred-grund-…
Ideologie? Man darf annehmen, dass »ideologisch« hier als Herabwürdigung von etwas genutzt wird, das man links von sich verortet und also falsch findet. Der Begriff wäre eine leere Hülle, bloßer Zweck: die Gegner-Denunziation.
Dabei soll, weil bei »Ideologie« immer auch #Marx mitschwingt, zugleich eine historische Verortung - hier von #RotRotGrün - vorgenommen werden, Motto: »Ihr wisst schon, wohin das führt!« Sozialismus und so. Naja.
Der olle #Marx hat #Ideologie als notwendig falsches Bewusstsein verstanden, nicht als bewusste Verführung von irgendwem, sondern sie als ein sich aus den gesellschaftlichen Verhältnissen ergebender objektiv notwendiger Schein verstanden.
"Marxisch" gesprochen: Aus dem Klassencharakter der gesellschaftlichen Verhältnisse ergibt sich die Tendenz, dass »die Gedanken der herrschenden Klasse«, die mit den bestehenden Produktionsverhältnissen im Einklang stehen, auch die in der Gesellschaft herrschenden Gedanken sind.
Es ist recht unwahrscheinlich, dass CDU und Co. dieses Verständnis wirklich begriffen haben und in der alltagspolitischen Debatte auch substanziell so meinen, wenn sie #RotRotgrün als »ideologisch« kritisieren. Was wollen sie aber dann damit meinen?
Bei Karl Mannheim kann man lernen, dass der Begriff #Ideologie schon sehr lange (und vor Marxens Ideologie-Begriff) ein herabsetzendes Element hat, das gegnerische Denken im Hinblick auf die politische Praxis soll als irreal entwertet werden
Wer anderen so kommt, bei dem zeigen aber mindesten drei Finger auf sich selbst, hier: auf CDU und Co. wieder zurück: Politik ist immer mit Ideologie verbunden, sofern man einen wissenssoziologischen Begriff davon zugrunde legt
Politische Programme, Haltungen basieren immer auf bestimmten Wertesystemen, es kann also keine »unideologische Politik« geben. Große Rahmen wären zB Sozialismus oder Konservatismus…, daraus ergeben sich politische Normative für Jetzt und Zukunftsvorstellungen
Wenn CDU und Co. also #RotRotGrün als »ideologische Projekt« kritisieren, soll dabit auch vernebelt werden, was die eigene »ideologische« Grundlage der Politik ist - oder dass da eine Lücke klafft. Mag ja sein, dass die CDU in #Thüringen derzeit gar keine gemeinsame Idee hat.
CDU und Co kommen damit in der Regel gut durch, weil ua die Medien auch in dieser Frage »begriffsstutzig« sind. Der Vorwurf »ideologische« eignet sich gut für Schlagzeilen. Ganz genau so wie auch oft beim Begriff »bürgerlich«. Aber zurück zur »Ideologie«…
Als Vorwurf gegen andere genutzt, unterstellt die Behauptung, »ideologisch« zu agieren immer auch, dass der eigene Standpunkt auf »gutem« Wissen basiert: auf gesundem Menschenverstand, besserem Reaslitätsverständnis, eben auf »mehr« oder »richtigerer« Wahrheit
Mal abgesehen davon, dass gerade aktuell bei der CDU nicht immer recht ersichtlich ist, welcher Verstand dort herrscht und in welche Richtung er will, auf welchen ideelen Fundamenten…
… könnte man doch sagen, der an andere gerichtete Vorwurf, »ideologisch« zu sein, ist in den allermeisten Fällen ziemlich, nun ja: »ideologisch«. Warum?
Weil er zB an #RotRotGrün wirtschaftspolitische oder Umverteilungs-Forderungen aus einem Geist heraus kritisiert, der selbst die bestehenden Verhältnisse (Marktwirtschaft, Leistungsdenken) naturalisiert, überhöht, der also "auf herrschenden Gedanken" basiert. Oder die…
… Politiken der Gleichheit, der Offenheit von #RotRotGrün werden zurückgewiesen, weil sie als die »Lesart von Identitätspolitik, Genderpolitik, Antidiskriminierung oder Demokratisierung« von #RotRotGrün (@KE_Hahn) abgelehnt werden.
Hier käme man zum Kern: Statt mit »Ideologie«-Keule zu wedeln, sollte es darum gehen, die Substanz der Unterschiede kenntlich zu machen. Wohin wollen CDU und Co mit #Thüringen hin? Oder ausnahmsweise so formuliert: Was ist deren #Ideologie? /end
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