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Alles, was Mbembe bisher zu seiner 'Verteidigung' vorzubringen hatte, „ist unwahr“ und „einfach lächerlich“, so lautet das erneut bekräftigte Urteil von Jürgen Kaube, das diesmal nicht in der FAZ veröffentlicht wurde. Laut Kaube handelt es sich nur um
ndr.de/kultur/Juergen…
"Nachfragen", „was denn für krude Urteile in seinen Schriften stehen.“
Die einzelnen Punkte sind seit langem bekannt und hinlänglich bewertet. Aber es wurde auch ein neues Beweisstück entdeckt, ein Aufsatz Mbembes von 2005.
Was dort Belastendes zu finden ist, bewertet Kaube so:
Und bedeutungsschwer folgt der Satz: „Die Bürde der hebräischen Bibel.“

Um die Bedeutung dieser neu in die Diskussion gebrachten Quelle zu betonen, wird die inkriminierte Stelle von Bahners im Original zitiert und nachgewiesen:
Das „Muster aller unseligen Gewalt“, die „Vergeltungslogik“, liege für Mbembe also in der „alten jüdischen Rechtsordnung“, sie ist die „Bürde der hebräischen Bibel“, so lässt Kaube uns wissen und man sieht ihn den Kopf schütteln über alle, die diesen Mann,
dessen Aussagen bisher alle „unwahr“ waren, noch immer nicht Antisemit nennen wollen und nicht an dessen „historischem Verstand“ zweifeln.
Was aber steht im Text Mbembes über das „Muster aller unseligen Gewalt, die angebliche Vergeltungslogik der alten jüdischen Rechtsordnung“,
warum war Walter Benjamin „burdened by a Hebrew Bible or a rabbinical or Mosaic law“? Zunächst einmal nichts, denn Mbembe verfolgt ein ganz anderes Ziel:
Das klingt nicht gerade antisemitisch, eher im Gegenteil, und in der Tat sieht Mbembe die – es sind mehrere! - „Muster aller unseligen Gewalt“, unter der sowohl Juden wie Schwarze auf ihre je eigene Weise gelitten haben und von der sie sich
befreien konnten, keineswegs in der „Vergeltungslogik der alten jüdischen Rechtsordnung“, das wäre ja auch ganz unsinnig, er sieht sie in der westlichen Moderne.
Es wäre ausufernd, hier den ganzen verwickelten Gedankengang der erlittenen Gewalt in der
Moderne und daraus entstandene Konzepte von jüdischer und von schwarzer Freiheit darzustellen. Zu sagen ist: Nichts ist zu finden von einem vergeltenden Gott der Juden, ausschließlich jüdische Denker des 20. Jhdts. wie Levinas und Hannah Arendt werden erwähnt und die humane Tiefe
ihres Denkens gewürdigt: „In the process, Jewish criticism, more than any other, has unveiled the profound connection that ties any ethical practice of freedom to a moral concern with vulnerability“.
Wie aber verhält es sich nun mit der „Bürde der hebräischen Bibel“, unter der
Walter Benjamin gelitten hat und ihrem Verhältnis zur Gewalt? Nun, ganz anders als Kaube unterstellt, das genaue Gegenteil von seiner ‚Interpretation‘ ist hier zu lesen. Denn Mbembe spielt auf die „Kritik der Gewalt“ von 1921 an und die große theologische Schwierigkeit,
die für Benjamin in der Legitimierung von Gewalt bestand: Das Tötungsverbot des jüdischen Gottes aus dem Dekalog gilt absolut, es macht selbst die Notwehr zum religiösen Problem. Das war die Bürde, die Fanon nicht hatte. Ihm verbot kein Gott, koloniale
Gewalt mit politischer Gegengewalt zu beantworten. Das Gewaltproblem, das im Zusammenhang mit dem jüdischen und dem schwarzen Denken hier gedeutet wird, ist nicht die unterdrückende Gewalt, sondern die Gewalt, die nötig ist, um sich von Unterdrückern zu
befreien. Die Einstellung zum Tod, zum eigenen und zu dem der anderen, ist es schließlich, in der Mbembe den grundlegenden Unterschied sieht und aus der er eine zukunftsgerichtete Ethik und Politik der Freiheit entwickeln will.
Nur innerhalb dieses Gedankens finden sich im Text Bemerkungen, die auf die "palästinensische Frage" verweisen und die man auch als Kritik an Israel, aber keinesfalls so lesen kann, wie Kaube unterstellt.
Zusammengefasst: Die von Kaube behauptete Verbindung von Judentum und verursachender Gewalt, der "Rachegott", ist hier nicht nur nicht zu finden, sondern es ist ganz im Gegenteil eine Interpretation des Judentums, die das gegen die westliche Moderne entwickelte Freiheitskonzept
und dessen ethische Sorge um sich und die anderen in den Mittelpunkt stellt.
Angesichts dieses Textbefundes sind Kaubes „unwahr“ und „lächerlich“ zu milde Begriffe. Wer könnte nicht an seinem „historischen Verstand“ zweifeln, der einen einzigen
Satz mit einer völlig falschen, ja verleumdenden Deutung verbindet?

Die „Nachfrage“ nach der Motivation, die zu solch „kruden Urteilen“ Anlass gibt, ist nicht nur erlaubt, sie ist geboten. Warum führt Kaube die Auseinandersetzung mit diesen unsauberen Mitteln?
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