Thread by @kermit_t_f

Weil es regelmäßig in Podcasts thematisiert wird, mal ein paar Infos zum Thema #Notruf aus erster Hand: cc @apfelfunk @bitsundso @LageNation
In Deutschland haben die Leitstellen hinter der Notrufnummer eine komplett unterschiedliche Struktur. 1/x

Teilweise eine Leitstelle pro kreisfreier Stadt/Landkreis, teilweise mehrere Landkreise, teilweise eine Leitstelle für komplette Regionen. Manchmal gibt es sehr konkrete Vorgaben von zentraler Stelle (bspw. Ministerium), woanders kann man sozusagen machen was man will. 2/x

Technisch besteht eine Leitstelle meistens aus zwei großen Technikpaketen: Einsatzleitsystem (ELS) und Abfrage-/Vermittlungstechnik (AVT).
Das ELS ist sozusagen die Vorgangsverwaltung, Dokumentation und Datenbank, AVT macht Telefon, Funk etc. 3/x

In Deutschland sitzt (in der Regel) immer qualifiziertes Personal am Notruf, also Leute mit medizinischer und feuerwehrtechnischer Ausbildung. In anderen Ländern geht man einen fest vorgegebenen Fragenkatalog durch und übergibt dann an den Dispatcher. 4/x

Was passiert also, wenn man den Notruf wählt? Der Disponent geht dran und will vor allem erstmal wissen, wo denn der Notfallort ist. Reißt die Verbindung ab, können wir zumindest Hilfe schicken, selbst wenn wir nicht 100%ig genau erfahren haben, was dort vorliegt. 5/x

Letzteres ist aber super wichtig, um die richtige Hilfe schicken zu können. Deswegen will der Disponent möglichst genaue Informationen zur Situation haben, was schon mal nerven kann, wenn man aufgeregt ist. Passiert aber nicht zum Spaß, sondern aus gutem Grund. 6/x

Hat der Disponent ein Bild von der Lage, vergibt er ein sogenanntes Einsatzstichwort, welches kurz die Situation zusammenfasst, bspw. eine medizinische Indikation (Herzinfarkt, Schlaganfall) oder etwas anderes (Zimmerbrand, Verkehrsunfall). 7/x

Ist das Stichwort falsch, kommen nicht die richtigen Einsatzmittel zur Einsatzstelle, vielleicht auch zu wenig oder zu viele. Das wollen wir vermeiden, ist aber manchmal extrem schwierig. 8/x

Das ELS sagt dem Disponenten, basierend auf Einsatzort, Stichwort und anderer Parameter wie Uhrzeit, welche Einsatzmittel und wieviele davon zu einer Einsatzstelle alarmiert werden sollen. Teilweise unterstützt es, weil es z.B. den nächstgelegenen Rettungswagen vorschlägt. 9/x

Das ist im Rettungsdienst sehr überschaubar, bei der Feuerwehr dagegen ist es viel komplexer, weil viele verschiedene Einheiten mit unterschiedlicher Ausstattung, teilweise ehrenamtliche Kräfte etc. 10/x

Aus dem ELS fällt also ein Alarmierungsvorschlag raus. Diesen kann der Disponent noch anpassen, wenn ihm die Einsatzmittel nicht ausreichen, diese aus seiner Sicht zuviel sind oder so. Dann geht der Alarm raus, bspw. auf Pager, per Telefon, Mail, Fax, Hausalarm... 11/x

Die Einsatzmittel bekommen teilweise den Alarm direkt auf ein Navi geschickt, teilweise gibt es einen Alarmausdruck auf Papier, teilweise wird das auch einfach mündlich durchgegeben (ja, wie im letzten Jahrhundert!) 12/x

Für die Übermittlung von Meldungen nutzen wir sogenannte Statusmeldungen, also bspw. "Einsatz übernommen", "Am Einsatzort", "In der Klinik". Dafür muss im Fahrzeug nur einmal auf den Funkhörer gedrückt werden, im ELS wird das dann signalisiert. 13/x

Was ist jetzt mit der Ortung des Anrufers? Wir bekommen ganz grobe Daten vom Netzbetreiber. Beim Handy ist das ein wenig genauer als nur der Funkmast. Beim Festnetz ist es schon die Adresse (Straße, Hausnummer, PLZ). 14/x

Das ist nicht so richtig toll, also gab es Firmen und Leitstellen, die das ändern wollten. Von der Leitstelle wird dann eine SMS mit einem Link versendet, der am Handy geöffnet wird. Über HTML5 wird das Handy lokalisiert. Das muss der Anrufer aber manuell machen. 15/x

Apple und Google haben dafür AML gebaut. Beim Wählen der 112 geht entweder eine SMS oder eine Datenübertragung an den Server von Google/Apple. Diese übertragen die Information an einen Server im jeweiligen Land. Diesen können die Leitstellen abfragen. 16/x

Der Vorteil: Passiert automatisch und nutzt alles, was das Handy auch zur Lokalisierung nutzen kann, also GPS, WLAN, Mobilfunk, BT. Muss aber vom Netzbetreiber unterstützt werden. Und nicht jede Leitstelle hängt da dran bix heute. 17/x

Nur weil ein ELS grundsätzlich AML kann, heißt es noch nicht, dass es auch die Leitstelle kann. Ist ein eigenes Modul, muss eingerichtet werden, kostet Geld, braucht Internet etc. Wir nutzt im Moment dafür einen kleinen Webserver. 18/x

Dieser schaut in der Datenbank des ELS nach neuen Notrufen, fragt die Telefonnummer beim AML-Server ab und stellt dann den Standort auf einer eigenen Karte dar. Das ist für uns das einfachste, zumal der Standort des Notrufenden nicht zwangsläufig der Einsatzort ist. 19/x

Um nochmal mit sowas aufzuräumen: Seit Jahren geht in Deutschland kein Notruf mehr ohne SIM-Karte.
Was geht: Notruf, ohne das Ihr in "eurem" Netz eingebucht seid. Das Handy sucht sich ein anderes Netz und roamt sozusagen. Problem ist, wir können meistens nicht zurück rufen 20/x

Langer Thread, ich weiß, aber erklärt vielleicht bisschen was. Fragen? Wünsche? Anregungen? Ansonsten Danke für die Aufmerksamkeit! 21/21

Glatt die Herren von @audiodump_de vergessen. Sorry nach Aachen! 🙈