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X-beliebiger Tag 22 Uhr: Ich sitze wieder vor meinem Rechner – arbeite an einem Projekttext, bei dem ich einfach mal Ruhe brauche. Richtig Ruhe. Ohne Kinderspielgeräusche im Hintergrund, ohne Unterbrechung von „Mama“ und „Aua“.
Immerhin, die Spülmaschine läuft bereits, das schlimmste Chaos ist beseitigt, die Wäsche hängt auf der Terrasse und die nasse Wäsche in der Waschmaschine wartet dann wohl bis morgen.
Ein weiterer Tag, der in einer unaufgeräumten Wohnung, zwischen Wäsche, die direkt aus dem Korb angezogen wird und Spielsachen beginnt, die irgendwo hinters Sofa gerutscht sind. So what – durchhalten irgendwie.
06.30 Uhr Aufstehen – leise aus dem Bett und ab ins Bad. Kurzer Moment für mich – tief durchatmen am Lieblingsfenster. Heute gelingt mir das, keine Tapser über den Flur, alle schlafen. Kaffee? Nein, zu laut, Risiko zu hoch, dass die Kinder wach werden.
07.00 Uhr Rechner hochfahren, E-mails lesen und beantworten. Dann geht die Tür auf und eine verschlafene Möwe steht in der Tür. Also erst mal Kakao und Kaffee machen. Möwe hört, an mich gekuschelt, Feuerwehrmann Sam. Ich arbeite weiter.
Nach einer weiteren halben Stunde kommt auch Klein-Buddha auf dem Arm meines Mannes rein – und braucht natürlich erstmal Mamakuscheleinheiten. Die bekommt er auch – ich versuchen weiter auf mein Laptop zu schielen. Schnelles Frühstück. Dann ab ins Arbeitszimmer.
Klein-Buddha ist nach unseren freien Tagen wenig begeistert von „Mama A-Beit“, weshalb mein Mann den Frühstückstisch unabgeräumt stehen lässt, und direkt das Kinderbespaßungsprogramm startet. Fröhliches Juchzen und Singen aus dem Kinderzimmer.
Der 10. Totalcrash auf dem Verkehrsteppich während ich versuche, mich auf meinen 5. Videocall zu konzentrieren.
Mein Chef sagt, er hätte nächste Woche frei, ich sei ja da. Ich bekomme innerlich Schnappatmung, weiß nicht, wie ich die zusätzlichen Aufgaben unter diesen Umständen erledigt bekomme. Lächle, klar ich bin da. Ich merke an, dass ich ja danach noch mal zwei Wochen frei habe. Stille
Ich sehe mich genötigt mich wegen des aktuell geballten „Urlaubs“ rechtfertigen zu müssen. Also Seelenstriptease galore.
Dass wir langsam nicht mehr können, alle total erschöpft sind, aber hoffen, dass es zum 1. Juli regulär in der Kita weiterginge, die beiden Wochen also für uns alle der rettende Anker seien. Mein Chef meint, er bewundere uns dafür, das überhaupt durchzustehen, alles kein Thema.
Puh durchatmen und doch das Gefühl, wieder gezwungenermaßen ein Stück die professionelle Hülle fallen lassen zu müssen, sich erklären zu müssen. Privat- und Arbeitsleben verschwimmen – nicht immer freiwillig, nicht immer zum Vorteil.
Ein Videocall jagt den nächsten, dabei müsste ich dringend einen Projekttext fertig bekommen. Gleichzeitig blinkt meine Laptopuhr gefühlt immer größer und zeigt mir, ich überziehe schon wieder 10 Minuten.
Eigentlich wäre schon Wechsel gewesen, also ich zu den Kindern, mein Mann ins Arbeitszimmer zur Arbeit. Also wieder kein netter Plausch mit meiner Lieblingskollegin, stattdessen schnelle Übergabe mit dem Mann.
Die Kinder kreischen „Mama“ und hängen sich mir dramatisch an die Beine. Keine Minute durchatmen, zum Umschalten von Job auf Kinder.
Während ich mit Klein-Buddha „meine Knochen sind aus Gummi“ singe, kippe ich etwas uninspiriert die Zutaten für Milchreis – das absolute Corona-Lieblingsessen beider Kinder – in den Aldi-Mix und fülle dann auf der Terrasse die Sandmuschel mit Wasser.
Immerhin kann ich zwischen „Mama, zu kalt“ „Mama, mir ist heiß“ und gefühltem Streit um jedes einzelne Bade-Utensil einen Kaffee trinken.
Dann gerate ich inmitten einer großen Wasserschlacht und endlich piepst der Mixer. Nach dem Essen schläft Klein-Buddha zum Glück wie meist innerhalb von 5 Minuten ein. Es könnte so schön sein, jetzt einfach an ihn gekuschelt auch schlafen.
Aber nein, Möwe will diese und jene Folge Dinozug, nein doch lieber Paw Patrol, aber ich soll doch bitte mitschauen. Wir einigen uns, dass er alleine schaut und ich in der Zwischenzeit die Küche aufräume. Heißt in dem Fall, wie meist: Frühstückstisch und Mittagessentisch abräumen
Oh, da war auch noch Wäsche von gestern Abend in der Waschmaschine. 15 Minuten sitzen auf dem Balkon, zwei Bücher mit Möwe lesen. Klein-Buddha wacht auf. Wir sind spät dran, sind auf dem Spielplatz mit Möwes Kindergartenfreund verabredet.
Wir kommen an, Möwe und sein Freund verschwinden auf dem Klettergerüst. Klein-Buddha will auch pausenlos klettern – ich ebenso pausenlos hinterher. Unser kleiner Kamikazefrosch rutscht, klettert auf Steine, fällt, wird getröstet, macht sich einmal nass, zweimal nass, dreimal nass
Dazwischen zweimal Pipi mit Möwe ins Gebüsch, Obst und Getränke reichen und quasi im Hin- und Herrennen mit der Mama des Kindergartenfreunds plauschen. Die freuen sich verständlicherweise, dass ihr Sohn (wenige Wochen jünger als Möwe) nächste Woche wieder zur Kita darf. Tja.
19 Uhr: Möwe weigert sich partout mitzukommen. In mir brodelt es, Klein-Buddha hängt auf meinem Arm mit bereits halb geschlossenen Augen. Möwe rennt weg, rutscht, klettert weg, ist total drüber.
Klein-Buddha lässt sich nicht dazu bewegen, sich einen Moment absetzen zu lassen, also renne ich mit Klein-Buddha auf dem Arm Möwe hinterher, versuche Möwe zur Kooperation zu überreden (und ja, auch mit nem Schokoriegel im Auto zu bestechen).
Irgendwann klappt es, ich kann die Jungs sogar durch Wettrennen animieren, einen Großteil des 600m-Weges bis zum Auto selbst zu laufen.
Ich trage also nur noch die drei Taschen mit Sandspielzeug, Handtüchern, Trinkflaschen, Wickelsachen. Endlich im Auto will ich doch glatt losfahren mit noch geöffneter Hintertür bei Klein-Buddha. Gut, dass der inzwischen einige Worte sprechen kann. „Mami – da – auf. Auuuuuf“ Ups
19.40 Uhr KEIN Kind im Auto eingeschlafen, mir dämmert ein langer Abend. Beide Kinder leicht übermüdet, dürfen ausnahmsweise ihre Brote beim Sandmännchen schauen essen um Zeit zu sparen. Dann bringe ich Klein-Buddha ins Bett (5 Minuten) und höre schon Möwe schreiheulen.
Er will Dinokarten mit seinem Papa spielen. Leider findet der (und ich später auch) die Dinokarten nicht. Möwe weigert sich ins Bett zu gehen, ohne sein abendliches Kartenspiel.
Schläft mir schließlich schluchzend kuschelnd auf dem Arm am Esstisch ein, will dann doch von Papa ins Bett gebracht werden. Der liest ihm noch was vor. Ich räume (wiedermal) die Geschirrspülmaschine ein und aus, die Waschmaschine aus und hänge die nassen Klamotten der Kinder auf
22.00 Uhr: Ich klappe meinen Laptop auf und schreibe meinen Projekttext, den ich heute tagsüber nicht geschafft habe und auch morgen tagsüber nicht schaffen würde. Komme also wieder zu spät ins Bett, bin morgen wieder müde usw.
Für alle, die bis hierher gekommen sind: Danke. Das sollte kein Jammer-Mega-Thread werden, er soll einfach nur verdeutlichen, welch immenser Belastung, wir arbeitenden Eltern Tag für Tag ausgesetzt sind.
Und für alle, die den Text missverstehen wollen: Doch ich liebe meine Kinder und kümmere mich gerne liebevoll um sie, nur leider ist das nicht das, womit wir unser Geld verdienen.
Wir machen aktuell unseren Job UND jonglieren gleichzeitig mit zwei noch sehr kleinen Kindern durch den Alltag und zwar möglichst so, dass sie glücklich sind. Zumindest das gelingt uns.
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