(Thread – gerne RT)
Nachdem sich die @StadtLeipzig auf meinen Antrag auf #Soforthilfe über drei Wochen nicht gemeldet hat, habe ich heute telefonisch nachgefragt, wie denn der Bearbeitungsstand sei. Antwort: Mein Antrag wurde abgelehnt. Begründung: Meine Branche, die Sexarbeit.
Nachdem sich die @StadtLeipzig auf meinen Antrag auf #Soforthilfe über drei Wochen nicht gemeldet hat, habe ich heute telefonisch nachgefragt, wie denn der Bearbeitungsstand sei. Antwort: Mein Antrag wurde abgelehnt. Begründung: Meine Branche, die Sexarbeit.
Was bedeutet das auf rein finanzieller Ebene für mich? Als Selbständige ohne nennenswerte gewerbliche Ausgaben erhalte ich weder von Bund, Land oder der Stadt irgendeine finanzielle Unterstützung, obwohl die Ausübung meines Berufs derzeit komplett verboten ist und meine Einnahmen
schlagartig auf Null gesunken sind. Während in der restlichen Wirtschaft versucht wird, durch finanzielle Unterstützungen und durch Öffnungs- und Hygienekonzepte das größte Übel zu verhindern, ist die Sexarbeit hier weiterhin komplett verboten.
Ähnlich prekär ist die Lage für viele andere Selbständige, etwa Musiker*Innen oder Künstler*Innen – diese jedoch erhalten nun zumindest die städtische Soforthilfe (völlig zurecht!) Doch was bedeutet die Ablehnung meines Antrags, basierend auf MEINEM Beruf?
Ich habe natürlich keinen Rechtsanspruch auf die Soforthilfe, da diese ja eine „freiwillige Leistung“ der Stadt Leipzig ist. Doch es stellt sich die Frage, wieso sex worker, die mit am härtesten und vor allem am längsten von den Corona-Schließungen betroffen sind,
von dieser Hilfe ausgeschlossen werden? Mein Beruf ist in Deutschland legal. Ich habe mich der stigmatisierenden „Registrierung“ als sex worker bei Amt unterzogen, und um auch noch ein Argument zu bringen, das in diesem Land immer zur Untermauerung von Empörung genutzt wird:
Ich zahle entsprechend Steuern. Dass ich von der Soforthilfe ausgeschlossen werde, ist also 1. offenbar ziemlich willkürlich oder sogar in den moralischen Bedenken einiger Beamt*Innen begründet und
2. profitieren Stadt und Staat von meiner Arbeit – ohne eine Gegenleistung, wie sie nun anderen Branchen zuteil wird, was schon ziemlich nah an die klassische Vorstellung eines Zuhälters kommt.
Ich würde hier gerne Pestalozzi zitieren: "Wohltätigkeit ist das Ersäufen des Rechts im Mistloch der Gnade." Die Stadt Leipzig geriert sich mit ihrer Soforthilfe als Wohltäter, der nach eigenem Gutdünken entscheiden kann, an wen er Geld verteilt, wen er „aus der Not befreit“, und
wer seine Taler nicht wert ist.
Was nutzt der Kampf um Anerkennung meines Berufsstandes und gegen Stigmatisierung, was nutzt mir die behördliche Registrierung, die unwürdigen Gesundheitsberatungen beim Amt,
Was nutzt der Kampf um Anerkennung meines Berufsstandes und gegen Stigmatisierung, was nutzt mir die behördliche Registrierung, die unwürdigen Gesundheitsberatungen beim Amt,
wenn ich das Stigma nun selbst von staatlicher/städtischer Seite zu spüren bekomme und mir deutlich gezeigt wird, dass die Behörden meiner Stadt sich in Gnade und Wohltätigkeit über einzelne, legale und marginalisierte Berufsstände und Branchen erheben?
Die Krise zeigt viele Missstände auf, wir Huren sind die „Kanarienvögel“ der Gesellschaft. An uns werden Restriktionen und Gesetze probiert, die auf lange Sicht auch andere, marginalisierte Gesellschaftsgruppen treffen werden.
Die Stadt Leipzig unter dem OB @Burkhard_Jung von der @SPDLeipzig macht deutlich, wer in ihrer Mitte erwünscht ist – und wer halt verrecken soll.
Soll ich aufhören zu essen? Soll ich das Schulessen für meine Kinder abbestellen, das übrigens seit kurzem teurer geworden ist, begründet mit den Folgen von Corona für den Lieferdienst?
Was sollte mir nach drei Monaten, ohne absehbares Ende meines Berufsverbots, ohne finanzielle Hilfe und (aufgrund anderer stigmatisierender Umstände) sogar ohne Möglichkeit auf Grundsicherung, nun noch anderes bleiben, als illegalisiert wieder zu arbeiten, liebe Stadt Leipzig?
