Während Ihr schlieft: In den USA wurde am frühen Abend der Tod von Ruth Bader Ginsburg, kurz RBG, bekannt. Ein Thread,
warum das a) wichtig ist,
wie es b) die Wahlen beeinflussen könnte und
was c) nun passieren könnte.
1/16
Ginsburg war Feministin, die sich für Selbstbestimmung der Frau und für das Recht auf Abtreibung einsetzte. Gerade in den letzten Jahren galt sie als hip und wurde kultisch verehrt, u. a. bei Saturday Night Live, aber auch in einer hagiographischen Doku.
Der Supreme Court ist in den USA immens wichtig, spricht das letzte Wort und weist auch oft die Exekutive an, Entscheidungen einzuleiten. Aktuell hält er am Recht auf Abtreibung und an der Einwandererkind-Regelung DACA fest - ein konservativer Gerichtshof könnte das ändern. 3/16
Der US Supreme Court hat neun Sitze und soll eigentlich politisch unabhängig sein. 2016 aber gab es einen Bruch mit dieser Regel. Obama wollte einen Sitz nachbesetzen, aber der republikanische Mehrheitsführer Mitch McConnell (MM) lehnte es ab, Obamas Kandidaten zu bestätigen.4/16
Sein unverfrorenes und erstmals ausprobiertes Argument: In einem Wahljahr sollte kein Richter nachbesetzt werden - die Bürger:innen verdienen Mitsprache, in der Richtung des Gerichtshofs. MM weigerte sich, Obamas Kandidaten überhaupt nur anzuhören.
5/16
Seine Taktik ging auf: Die Republikaner gewannen das Weiße Haus und behielten die Senatsmehrheit. Donald Trump schlug mit Neil Gorsuch einen neuen Kandidaten vor, der Gerichtshof mit auf Lebenszeit bestellten Richtern wurde konservativer.
6/16
Nach Gorsuch gelang es Trump auch, den wegen Missbrauchsvorwürfen ebenfalls umstrittenen Brett Kavanaugh auf die Richterbank zu setzen. Dort gibt es nun eine 5-4 Mehrheit der Konservativen. Doch der Fünfte in der Mitte, Clarence Thomas, bleibt manchmal zentristisch.
7/16
Nun ist mit RBG eine linke Richterin gestorben - Und McConnell will von seiner 2016er-Ansage „Keine Neubesetzung im Wahljahr” nichts mehr wissen; zu besessen ist er davon, sein Lebenswerk eines konservativen Gerichtshofs zu vollenden.
8/16
Damit ein:e Richter:in bestätigt wird, braucht es die Mehrheit im Senat. Dort haben die Republikaner gerade 53-47 Sitze Mehrheit. Die Chancen, dass sie auch nach den Wahlen eine Mehrheit im Senat stellen, stehen halbe-halbe.
9/16
Aber: Die Frage ist nun, ob MM auch wirklich diese 53 Senator:innen folgen, oder ob einige von ihnen Angst vor einer Quittung der Wähler:innen haben, denen die Heuchelei zu weit geht, jetzt eben doch einen eigenen Kandidaten durchzudrücken.
10/16
Die Frage einiger zentristischer Senator:innen: Kette ich mich mich an McConnell und dessen Lebenswerk, auf die Gefahr hin, meinen eigenen Sitz zu verlieren, weil die Anhänger:innen der Demokraten so erbost sind?
11/16
Drei Senator:innen der Republikaner können gesichtswahrend abweichen, die Partei insgesamt hätte noch immer eine bestätigungsfähige Mehrheit, weil bei 50-50 der Vizepräsident Mike Pence entscheidet.
12/16
Mit Lisa Murkowski aus Alaska hat eine Senatorin bereits angekündigt, vor der Wahl über keine Kandidaten abstimmen zu wollen. Eine andere hatte im Juli ähnlich auf die damals noch hypothetische Frage geantwortet: Susan Collins aus Maine (ein sehr bedrohter Sitz):
13/16
Sollte MM durchziehen und eine:n Kandidat:in von Trumps Gnaden im Schnellverfahren durchdrücken, könnte das die Demokraten-Basis MASSIV aktivieren.
14/16
Die Fragen sind: Hat McConnell die Stimmen unter republikanischen Senator:innen? Falls er die Abstimmung durchdrückt: Gibt es mehr dankbare Republikaner als aufgebrachte Demokraten?
15/16
RBG hat wenige Tage vor ihrem Tod in einem Brief darum gebeten, dass es bis zur Vereidigung des siegreichen Präsidenten im Januar keine Nachbesetzung geben soll.
Ob sich die Republikaner dran halten: Völlig offen.
16/16
Was können die Demokraten tun, sollte McConnell durchziehen?
- Hoffen, dass Biden siegt und sie den Senat zurückgewinnen.
- Die Filibusterregelung abschaffen, so dass sie mit einer einfachen Senatsmehrheit den Supreme Court verändern können.
- Die Zahl der Sitze am Supreme Court erweitern.
- Den 10./11./n-ten Sitz mit Demokraten füllen. ("Court Packing") today.law.harvard.edu/if-democrats-w…
Zwei letzte (erste) Eindrücke vor dem Schlafengehen:
Die Zahl der Demokraten, die heute mit Angst, aber auch starkem Kampfgeist zu Bett gehen, ist größer als die Zahl der Republikaner, die zu wissen glauben, dass sie unverfroren durchziehen können.
Und: Viel hängt vom Profil einer:s möglichen Kandidat:in ab. Ein:e Erzkonservative:r könnte die Demokraten deutlich stärker verärgern und im Wahlkampf motivieren. Jemand Gemäßigtes würde eventuell bei der Wahl weniger schaden - aber wann waren die Republikaner zuletzt gemäßigt?
KORREKTUR: Hier hätte es John Roberts heißen müssen. Clarence Thomas gilt nach vielen Analysen als der konservativste Richter. (fivethirtyeight.com/features/the-s…)
KORREKTUR/Anmerkung: John Roberts ist aktuell der Richter in der Mitte des Courts. Clarence Thomas gilt nach vielen Analysen als der konservativste Richter. (fivethirtyeight.com/features/the-s…)
Tut mir leid.
(Ich hatte es direkt am Tweet korrigiert, aber geht es so schnell verloren.)
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Kann Donald Trump vor dem 20. Januar aus dem Amt scheiden oder gedrängt werden - und welchen Sinn hätte es, auch danach noch ein Amtsenthebungsverfahren zu beenden?
Ein Thread (1/16)
Anders als nach den Missbrauchsvorwürfen, Kindern in Käfigen und der Covid-Katastrophe scheint seit den Krawallen mit fünf Toten im zentralsten Flügel der Republikaner (vergleichbar in etwa mit der Meuthen-AfD) doch Entsetzen zu herrschen. (2/16)
Die Frage ist nun: Ist ein soziopathischer Narzisst, der noch zwölf Tage Zugang zu Atomwaffen hat und einen rechten Mob hinter sich vereinen kann, eine ausreichend große Gefahr, um den Versuch zu unternehmen, ihn jetzt noch zu schassen? (3/16)
Nachdem das am Freitag so gut geklappt hat, hier nochmal ein Blick auf ein wichtiges US-Wahl-Thema, detaillierter erklärt im neuen Newsletter mailchi.mp/bb37f3eff14a/n…
(Gratis-Abo unter bit.ly/wthamerica):
Was die Umfrageinstitute aus 2016 gelernt haben. 1/13
2016 waren die landesweiten Umfragen gut: Sie sahen in der Woche vor der Wahl Clinton 3,6 Prozentpunkte vorne. Ihr tatsächlicher Vorsprung war dann 2,1 Prozentpunkte - eine sehr gute Umfrageleistung. Das Problem waren die Prognosen zu Bundesstaaten - und das Wahlleutesystem. 2/13
Zur Erinnerung: Wer in einem Staat auch nur mit einer Stimme vorne liegt, bekommt alle Wahlleute dieses Staates zugesprochen. Bevölkerungsreiche Staaten haben mehr Wahlleute als jene mit wenigen Einwohner:innen. 3/13
Einige Gedanken zu dieser NYT-Umfrage, heute bei The Daily und SpOn:
- Head to Heads um diese Zeit sind unzuverlässig, keiner weiß, wie sich das Feld verändert, wenn erst einmal ein Kandidat feststeht. (rund 20% haben auch noch keine Meinung zu Warren, zb)
- Es ist unklar, wie sich Impeachment und Wirtschaft entwickeln (und auch, wie national gute Zahlen in industrielastigen Battlegrounds durchschlagen)
- Sexismus ist vielleicht ein Punkt, aber Clinton war immer deutlich unbeliebter als Warren aktuell