Was #KrankerKommerz auf Intensiv wirklich bedeutet, wie wenige Minuten schneller Herzschlag 3760€ wert sein können & warum es profitabel ist, möglichst lungenschädigend zu beatmen.
Thread @twankenhaus
Das DRG System ist kaputt, das wissen alle, doch wie kaputt ist unvorstellbar.
Ich habe die Tage zufällig entdeckt, dass einer unserer Patienten während des an sich komplikationslosen Verlaufs eine kurze Episode (wenige Minuten) Vorhofflimmerns hatte. Als ich die Diagnose codierte staunte ich nicht schlecht, denn die Vergütung war um satte 3760€ gestiegen.
3760€ für die Verabreichung eines Medikaments das 3.90€ kostet und einen Arbeitsaufwand von <10 Minuten.
Umgekehrt liegt bei uns seit mehr als 3 Wochen ein beatmeter junger Mann, für dessen 24/7 Beatmungsdauer wir wenig bis kein Geld bekommen werden, obwohl sie aufwendig ist.
Weil das DRG System eine Beatmung nur als solche anerkennt, wenn die Druckdifferenz >6 mBar beträgt. Unerheblich des PEEPs von bis zu 15mBar und unerheblich, dass der junge Mann meist 60% Sauerstoff benötigt.
Seine Lunge ist jung & elastisch, das ist gut, bringt jedoch kein Geld.
Besonders ironisch daran ist, dass wir aus intensivmedizinischer Sicht eigentlich alles daran setzen, die Druckdifferenz möglichst niedrig zu halten, da dies die Lunge schont und Folgeschäden vorbeugt.
Insbesondere bei Langzeitbeatmeten Patienten ist dieser Wert Realitätsfremd.
Dies sind nur zwei von viele Beispielen aus der unsinnigen Intensiv-DRG-Welt, mit willkürlichen Vergütungsstufen und einem System, was nicht annähernd den tatsächlichen Aufwand abbildet, sondern vielmehr zu Betrug und überflüssigen oder gar schädlichen Behandlungen einlädt.
Was sind eure krassesten Erlebnisse zum Thema #KrankerKommerz in am Alltag der modernen Medizin? Wo schlagen Ökonomisierung, Kostendruck und DRG am härtesten zu?
Lasst den Hashtag trenden und schildert eure Erfahrungen!
P.s.:
Da vieles davon schlecht in 280 Zeichen passt, gibt’s beim @twankenhaus täglich interessante Blogbeiträge und ein Thesenpapier zum Thema.
Ja es ploppen je nach Versorgungsbereich in der Metropolregion immer mal wieder einzelne grüne Kapazitäten auf, weil Patienten sterben oder verlegt werden.
Dies ändert nichts an der Tatsache, dass die Versorgungskapazitäten an der absoluten Schmerzgrenze laufen.
Das Klinikum NBG hat bereits vor Wochen den Alarmfall ausgerufen und behandelt nur noch dringliche Fälle. Einzig weil es nicht mehr anders geht.
Wichtige Anmerkung zu den DIVI-Zahlen, die mir bis vor kurzem selber nicht so bewusst war:
Ich hatte mich gewundert, warum jeden Tag in diversen Verzeichnissen 2-3 freie Betten gemeldet waren, obwohl die ITS teilweise sogar überbelegt war und ich die Zahlen selbst gemeldet hatte.
Beim näheren Betrachten fiel mir auf, das bei der Gesamtzahl hier ca 10 ITS Betten mehr ausgewiesen waren als in der Klinik vorhanden.
Wie konnte das sein? Ein Fehler? Reservebetten?
Nein das ist die Kinder-ITS, deren Kapazitäten zwar separat erfasst wurden...
... aber deren freie Betten in die DIVI Gesamtauswertung einflossen.
Das verwirrende daran ist, dass die Zahlen selbst auf dem offiziellen Tagesreport bei den freien Betten zusammen ausgewiesen werden.
Die übliche Frage am Abend:
“Wie werden wir heute über die Nacht kommen?”
In meinem Bereich 10 Non-COVID Patienten, wirklich guten Gewissens vielleicht einer auf IMC verlegbar, dafür in 12 Stunden drei Notfallaufnahmen. Transport in andere Krankenhäuser unmöglich, da alles voll.
Bei den COVID Patienten tut sich ohnehin nicht viel, denn wer mal beatmet ist, der bleibt wochenlang. Anschließend die mühsame Suche nach einem der wenigen Rehapätze, denn nach der ITS folgt monatelange Anschlussbehandlung. Wenn heute ein Bett frei wird, dann weil jemand stirbt.
Erst mal überwachen in Aufwachraum oder der Notaufnahme und hoffen, dass das irgendwie gut geht. Der beste Patient wird auf Station verlegt, auch wenn ein bisschen Intensivtherapie sicher noch gut getan hätte.
Dann hoffen, dass sich keiner verschlechtert oder Schaden nimmt.
Würd ich unterschreiben. Lockdown jetzt, es geht nicht mehr!
Regional hat die Priorisierung längst begonnen. Jeden Tag werden Patienten auf Station verlegt, die eigentlich noch überwachungspflichtig sind & durch Personalmangel steigt die Sterblichkeit.
Wenn eine Intensivpflegekraft sich um zu viele Patienten kümmern muss, werden wichtige Maßnahmen und Therapien zu spät oder gar nicht durchgeführt. Es kommt immer wieder zu kritischen Situationen die Patienten gefährden und der übliche medizinische Standard ist nicht einzuhalten.
Wir ackern uns aktuell da irgendwie durch, arbeiten Zusatzschichten und hoffen, dass keiner wegstirbt weil ein kritisches Problem nicht erkannt wurde.
Wer heute ein Intensivbett braucht, muss unter Umständen lange warten oder weit weg verlegt werden, was die Behandlung verzögert.
Manchmal fragt man sich echt für wie blöd uns manche Menschen halten. 1. JA, ich weiß SICHER, dass die kranken Patienten, die hier rumliegen tatsächlich COVID19 haben und nicht Influenza oder irgendetwas anderes. Das sieht man nicht nur an der PCR, sondern auch am typischen CT.
2. NEIN, das ist NICHT genauso wie die Grippewelle 2017/18. Damals lagen max 10 Patienten hier, nun sind es über 30. Und wenn wir nicht täglich in andere Kliniken verlegen würden, dann wären es eine ganze Menge mehr. Zudem ist die Beatmungdauer länger und die Sterblichkeit höher.
3. Selbstverständlich testen wir schon seit Jahren Patienten bei viraler Pneumonie mittels PCR und hatten auch 2017 nicht zehntausende unerkannter Influenzafälle in den Kliniken liegen.
Fun Fact: Auch COVID19 Patienten werden auf Influenza getestet und sind (surprise!) negativ.
Auch in der Anästhesieambulanz gibt es immer wieder Patienten, die sich mit einem “Attest” vor der Maskenpflicht drücken wollen. Praktischerweise wird jeder Patient vor der Narkose körperlich untersucht um die Narkosefähigkeit einzuschätzen.
Schwindel fliegt also direkt auf. 😈
Meine persönliche Bilanz (N= ca 15):
Keine einzige der Bescheinigungen hielt einer ernsthaften ärztlichen Überprüfung stand.
Es werden immer wieder psychische Erkrankungen als Grund für ein Maskenattest genannt aber darauf bezog sich noch kein einziger der vorgelegten Zettel.
In den Attesten die ich gesehen habe, werden wenn überhaupt meist fadenscheinige und nicht-spezifizierte “Atembeschwerden” genannt.
In knapp 50% der Fälle konnten mir weder Patient noch Attest darüber Auskunft geben WARUM denn das Tragen einer Maske nicht möglich sein sollte.