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Sep 23, 2020 25 tweets 4 min read Read on X
Wie bringt man Wissenschaftler:n zum kommunizieren? Mein Senf. Thread.
(1/x)
Erstmal gucken, wen man dazu bringen will. Individuelle Wissenschaftler:n oder Institute? (Oder beides?) Unterschiedliche Mechanismen. Karliczek zielt wohl auf ersteres. Damit habe ich persönliche Erfahrung. (2/x)
Wer in Wissenschaft bleiben will, muss ständig Lebenslauf voran bringen. Mich für etwas engagieren, das nicht auf dem akademischen CV punktet, hält mich von meinem großen Ziel ab: Prof.
Kann ich mir nicht leisten. All meine Energie muss da rein, sonst kann ich es gleich lassen
D.h. nennenswertes Engagement kriege ich nur von Leuten, die es machen, obwohl es eigentlich unvernünftig ist. Oder die gar nicht in Wissenschaft bleiben wollen und sich anderweitig umsehen.
Bei mir war es ersteres. Thema war mir zu wichtig. Ich musste.
(4/x)
Wenn wir mehr Leute in einer aktiven akademischen Laufbahn zum kommunizieren bringen wollen, darf es für sie nicht länger unvernünftig sein.
Zwei offensichtliche Maßnahmen dafür. (5/x)
1. Anreize schaffen. Und zwar welche, die für die Zielgruppe relevant sind. Und da erlebe ich oft, dass HR-Leute in Arbeitswelten denken, die mit einer wissenschaftlichen Laufbahn nichts zu tun haben. (6/x)
Für mich wäre zb "faire Entlohnung" völlig unattraktiv gewesen. Ich hatte mein Einkommen als Postdoc. Ich habe mehr gearbeitet als im Vertrag vorgesehen. Dafür gab's nicht mehr Geld. Aber Extrapunkte für den CV: mehr Daten, bessere Papers.
(7/x)
Genauso "Erfahrung im journalistischen Bereich sammeln". Ich wollte ja kein Journalist werden, sondern Prof.
Für Leute mit anderen Karrierezielen ist beides interessant. Also gut, wenn wir mehr Leute aus der Wissenschaft zu Berufskommunikator:n machen wollen. (8/x)
Aber halt nicht, wenn wir mehr kommunizierende aktive Wissenschaftler:n wollen. Dafür brauchen wir die Möglichkeit, durch Wisskomm zählende Punkte für den CV zu sammeln. (9/x)
Wann zählt mein "Deutscher Meister im Science Slam" oder "2000 Follower auf Wisskomm-instagram" für den akademischen CV? Wenn er mir hilft, die nächste Stufe der Karriereleiter zu erreichen. Das wäre zb mein erstes Postdoc-Stipendium oder mein erster eigener Grant. (10/x)
Und das wäre auch mein konkreter Vorschlag für relevante Anreize. DFG oder BMBF behandeln nachweisbare Wisskomm-Leistungen bei solchen Anträgen als Plus oder schaffen neue Förderinstrumente, bei denen Wisskommerfahrung obligat ist. (11/x)
Dabei muss es um Förderungen für Individuen gehen. Ein Wisskomm-Anteil, der obligat in einem SFB vorkommen müsste, würde imho eher von professionellen Komm-Abteilungen realisiert. Wisskomm durch Institut. Auch gut, aber nicht die kommunizierende (Post)Doktorandin, die wir wollen.
Zur Relevanz von Anreizen fällt mir gerade Drosten ein, der neulich zu irgendeinem großen Journalismuspreis gesagt hat, dass er sich zwar über die Wertschätzung freue, ihm das aber beruflich überhaupt nichts brächte. So isses. Auch mit Scienceslammeisterschaften.
(13/x)
Noch kurz zur Vollständigkeit: Bloß nicht einführen, dass ALLE Grants jetzt wisskomm fordern. Nicht jede Wissenschaftler:n hat Bock oder Talent. Brauch auch nicht. Eligibility für einen extra Topf ist genug, um Wisskomm nicht mehr unvernünftig sein zu lassen.
(14/x)
2. Hürden herabsetzen.
Viele Wissenschaftler:n haben eigentlich Bock. Wenn man von früh bis spät im Labor abhängt, hat man auch Mal Lust auf was ganz anderes. Sieht man ua daran, dass das Netz voll mit sowas ist:
(15/x)
Wisskomm kann einem ein Ventil für sowas geben. Mal albern sein oder mit ganz anderen Leuten über sein Projekt reden.
Aber wenn ich merke, dass ich da zusätzlich zur Komm noch extra Arbeit reinstecken muss, lese ich doch lieber weiter an meinem Paperstapel.
(16/x)
Ich hatte immer Bock auf Wisskomm. Als Student habe ich zb Führungen im botanischen Garten gemacht. Aber ab Doktorarbeit war halt keine Zeit mehr für so Späße. Prioritäten.
Jahre später habe ich dann wegen gefühlter Notwendigkeit einen Wisskomm-Artikel geschrieben.
(17/x)
Ging um Tierversuche. Viel Mühe gegeben, gesagt, was ich auf dem Herzen hatte, war befriedigend. Aber was damit machen? Ich fange ja kein eigenes Blog an, nur weil ich einen Artikel habe. Dann hatte ich nochmal viel Arbeit, nur im den irgendwo unter zu kriegen. (18/x)
Ist dann hier gelandet. eara.eu/post/why-i-do-… Auf Englisch, obwohl ich ihn eigentlich auf Deutsch für die Diskussion in Deutschland geschrieben hatte. Aber immerhin.
(19/x)
Noch mehr wird die extra Arbeit, wenn ich einen Podcast oder ein Video machen will, aber weder know how noch Technik habe.
Je weniger Zeit und Aufwand das Drumherum kostet, desto mehr werden das machen.
(20/x)
Das wäre was für die professionellen komm-Büros in den Instituten und Gesellschaften. Soft skills Kurse anbieten, Equipment anbieten. Reichweite anbieten, zb Blogartikel auf der offiziellen Website veröffentlichen.
(21/x)
Wenn ich dann als Doktorand eine tolle Idee habe, die Relevanz meines Forschungsthemas als Video umzusetzen, frage ich einfach Peter von der Presseabteilung, der gibt mir die Kamera und hilft mir beim Schnitt. (22/x)
Jedes Jahr macht Peter ein Projekt mit der gradschool als Teil des Curriculums (zb wählbarer soft skill Kurs). Leute kommen in Kontakt mit dem Medium, kennen Peter, kennen das Angebot. (23/x)
Jetzt schläft mein Baby beim Spaziergang immer noch, aber ich habe alles gesagt. Unerwartet.

TL;dr: 1. Relevante Anreize setzen, zb über Grants 2. Hürden reduzieren, zb durch Equipment und Unterstützung durch Profis aus dem Institut. (24/25)
PS: ich habe hier Nachwuchswissenschaftler:n im Kopf gehabt. Bei Profs mit fester Stelle würde das anders laufen, könnte Uni zb wisskomm einfach in Vertrag schreiben. Aber wir wollen ja auch die jungen Leute, nicht nur die Koryphäen, obwohl auch sehr wichtig.
(25/25)

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