Zum Wort "Präventionsparadox" gibt es im deutschsprachigen Raum ein grosses Missverständnis.
Dass man durch Prävention ein schlechtes Resultat verhindert, ist überhaupt kein Paradox. Im Gegenteil, es ist genau das, was man erwartet!
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Ob die Prävention durch gezielte Massnahmen oder durch eigene Änderung des Verhaltens erreicht wird, spielt keine Rolle: es findet eine Anpassung statt, und das schlechte Resultat trifft danach nicht ein. Daran ist nichts widersprüchlich, also nichts paradox.
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Das originale Präventionsparadox wurde von Geoffrey Rose definiert, zuerst in diesem Artikel vor vierzig Jahren:
Das Präventionsparadox sagt, dass Massnahmen für die Bevölkerung sehr vorteilhaft sein können, auch wenn sie für die Einzelnen nur wenig bringen, weil die meisten nur wenig vom Problem betroffen sein werden.
Klassische Beispiele sind Impfung, oder auch das Gurten Tragen.
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Gurten Tragen: die meisten werden nie in einen schweren Unfall geraten.
Impfen: die meisten werden keinen schweren Krankheitsverlauf haben.
In beiden Fällen ist das Resultat gesamthaft sehr positiv, obwohl die meisten direkt nur wenig profitieren. Ein echtes "Paradox".
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Das Paradox ist also nicht, DASS man durch Prävention ein schlechtes Resultat verhindert.
Das Paradox ist, dass man es verhindert, in dem man etwas macht, was den Meisten im Einzelfall direkt nicht viel bringt, der Gesamtbevölkerung hingegen sehr viel.
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Ist das nicht ein Detail? Nein, ich finde nicht.
Wenn präventive Massnahmen ein befürchtetes Szenario verhindern, und es kommt danach trotzdem der Alarmismus-Vorwurf, dann muss man die klaren Zusammenhänge aufzeigen.
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Wörter sind wichtig. Der "Paradox" Begriff suggeriert, eine Entwicklung sei unerwartet, widersprüchlich.
Dass Verhaltensänderungen die Entwicklung der Pandemie ändern, ist nicht widersprüchlich und nicht paradox, sondern klar zu erwarten.
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GPT-3, das momentan fortgeschrittenste KI-Model für Sprache, hat 175 Milliarden Parameter. GPT-4, welches wahrscheinlich in den nächsten Monaten erscheint, wird wohl mehrer Billionen Parameter haben.
Was heisst das fur die Erklärbarkeit, und den Einsatz in Behörden? 🧵 1/
Wirklich erklären - im Sinne des Wortes - wird man solche Modelle nicht können. Wir müssen uns dafür einsetzten, dass die Modelle testbar sind.
Dazu müssen sie allerdings offen sein. Meiner Meinung nach ein Muss für jegliche Modelle, die behördlich eingesetzt werden. 2/
Hier liegt das Problem - viele der Akteure, die solche Modelle bauen, wollen aus kompetitiven Gründen nicht, dass die Modelle offen sind und einfach getestet werden können. Nur eine gesetzliche Verpflichtung wird dazu führen. 3/
Man lernt viel von Meinungsunterschieden. Aber wie diskutiert man am besten? Und wann lohnt es sich nicht?
Ich fand diese Pyramide (schon vor der Pandemie) sehr hilfreich. Das Original ist in Englisch, ich hab sie hier auf Deutsch übersetzt.
Geht auch für Twitter gut 😉
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Es ist eine Pyramide aus zwei Gründen: je höher oben, desto besser die Argumente. Leider werden sie auch seltener.
Diskussionen im roten Bereich kann man getrost abbrechen (auf Twitter blockiere ich rot). Orange schalte ich je nach Schwere stumm. Gelb ist nicht hilfreich.
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Ab Grün wird's interessant. Gegenpositionen ohne Argumente sind nicht ideal, aber immerhin hört man die anderen Seiten des eigenen Arguments. Türkis ist schon sehr gut, aber die Krone gehört blau.
Auf welcher Stufe man argumentiert, hängt auch vom Kontext ab.
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Ich habe heute einen kurzen Vortrag zum Thema Aerosol Übertragung der Grippe (nicht COVID!) gehalten. Hier ein kurzer Thread mit den wichtigsten Punkten.
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Die Idee war immer, dass die Übertragung über nahe Kontakte stattfindet, und zwar über "Tröpfchen" (diese sind schwer und fallen rasch an den Boden). Die Alternative ist Übertragung über Oberflächen, und / oder über Aerosole.
2007 sagt ein paper, es gäbe nicht wahnsinnig viele Daten zum Thema, aber diese zeigten, dass Aerosolübertragung nicht signifikant sei 🤷♂️ linkinghub.elsevier.com/retrieve/pii/S…
Krass, wie wir nicht aus diesem kurzfristigen Denken rauskommen. "Die Zahlen steigen JETZT, macht was JETZT!" Es ist - wieder mal - zu spät dafür.
JETZT muss die Schweiz sich den grossen Fragen dieser Pandemie stellen, vor allem auf den Herbst.
Diese sind:
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Wieso haben wir noch keine grosse, landesweite COVID Kohorte? Wir erleben einen historischen Moment, die Einführung eines Virus, mit dem noch Generationen leben werden. JETZT müssen wir diese grosse Kohorte aufgleisen, schon alleine wegen LongCovid, aber nicht nur.
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Wieso sind wir JETZT nicht in einem landesweiten "Aufrüstungswettkampf", alle öffentlichen Gebäuden sicher zu machen mit sauberer Innenluft bis in den Herbst?
Saubere Innenluft muss genauso zum Standard werden wie sauberes Wasser aus jedem Hahnen.
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Ein paar Kommentare zu den Entscheidungen und Tips für individuelle Risiko-Minimierung, die ich selber versuche zu befolgen.
Hintergrund: Wir sind im exponentiellen Wachstum auf relativ hohem Niveau. Die Öffnungen werden dieses Wachstum noch beschleunigen. #captainobvious 1/
Ohne Gegenmassnahmen müssen wir mit einem raschen Anstieg der Fallzahlen rechnen. Wir können versuchen, das ein bisschen zu bremsen, mit den bekannten Massnahmen (Testen, Tracen, wenige Kontakte, etc.) und jetzt auch Impfen. 2/
Ich wünschte mir, wir hätten tiefere Zahlen. Es sprechen verschiedene Gründe dafür, die auch die Taskforce immer wieder klar aufzeigt.
Aber mein Alltag ist, was er ist, egal was ich mir wünsche. Also muss ich überlegen, wie ich persönlich das Risiko minimieren kann. 3/