Katja Petrowskaja spricht aus, was ich denke: „Dass ich für Waffenlieferungen eintrete, ist eine Katastrophe. Aber was soll ich machen? Wenn man weiß, dass es der einzige Weg zum Frieden ist.“
Fantastisches Gespräch in der FAS zw Petrowskaja, Tanja Maljartschuk, Jurko Prochasko.
So ein vorsichtiges Formulieren, zaghaftes Nachdenken, präzises Beobachten von sich selbst und der Welt - ich kann die Lektüre nur empfehlen.
„Es gibt keinen einzigen Menschen und keine einzige Ecke der Seele, wo der Krieg nicht schon längst angekommen ist“, sagt der ukrainische Psychoanalytiker Jurko Prochasko.
Das ist kompletter Unsinn. Wirklich atemberaubender Unsinn. Was es gab: ein extrem weitreichendes Entgegenkommen der Ukraine im März, inklusive „Neutralität“, aber mit Forderung nach Sicherheitsgarantien.
Kurz danach, Mitte März, die Gespräche über einen „Friedensplan“ mit 15 Punkten, aber Sicherheitsgarantien blieben Streitpunkt. Dann geschahen die Verbrechen in Butscha, Irpin, Mariupol - damit ändere sich die 🇺🇦 Position grundlegend (plus militärische Erfolge der 🇺🇦).
Und wer hier als „Quelle“ Screenshots aus Telegram (!) postet ohne Angabe, woher, welcher Account, dafür mit der Behauptung, die USA würden seit Februar Frieden verbieten, nun, der wird geblockt. Diskutieren - gern. Desinfo verbreiten - nein.
Was für eine Rede des Abgeordneten Alexej Gorinow, verurteilt zu 7 Jahren für die Wahrheit:
„I want to acknowledge my guilt. My guilt before the long-suffering people of Ukraine (…).I’m culpable because, as a citizen of my country,I was unable to prevent this ongoing madness.“
Ich wünsche mir, dass möglichst viele diese Rede von Alexej Gorinow lesen. Deshalb poste ich sie hier in Screenshots. Quelle: @meduza_en
Was diese Rede so besonders macht, neben dem unglaublichen Mut, ist, dass hier ein russischer Staatsbürger nicht nur gegen den Krieg argumentiert, er sei schlecht für RUS. Er erkennt das Leid, das den UkrainerInnen zugefügt wird, an. Er bittet sie um Verzeihung.
Was mich an Tweets wie diesen, fasziniert: es ist völlig egal, was sich in der Realität abspielt, ob Kyjiw umzingelt ist oder Monate später russische Truppen im Osten sich zurückziehen, die Antwort ist immer gleich: Die Ukraine muss aufgeben, äh,Interessen ausgleichen.
*verschenke ein Komma.
Im Übrigen lag auch ich falsch: ich hatte im @ARD_Presseclub die Schwäche der russischen Armee richtig eingeschätzt, aber mit einer Offensive der Ukrainer erst in Monaten gerechnet, sie hätten keine Schlagkraft jetzt. Man kann Irrtümer zugeben. Es fällt einem kein Arm dabei ab.
Heute vor zwei Jahren wurde Maria Kolesnikowa mitten in Minsk von maskierten Männern auf offener Straße in einen Minibus gezwungen. Die Geschichte, die dann passiert ist, ist so unglaublich und erzählt von so großem Mut, dass ich daran erinnern möchte.
Kolesnikowa wurde weggebracht und vom Geheimdienst und Gubopik "verhört". Man wollte sie außer Landes bringen, es sollte so aussehen, als hätte sie den Protesten den Rücken gekehrt, sei abgehauen. Zwei ihrer Mitstreiter, Iwan Krawzow und Anton Rodnenkow sollten sie „begleiten“.
Problem: Kolesnikowa machte nicht mit. Ihr wurde gedroht, so schilderte sie es später, sie in tausend Stücke zu zerteilen oder für ein Vierteljahrhundert wegzusperren. Sie ließ sich nicht umstimmen. Kolesnikowa wurde zur ukrainischen Grenze gebracht.
Der @florianklenk hat mich gefragt, wie ich die Diskussion um Visastopp für russische StaatsbürgerInnen sehe. Hat ein bisschen gedauert, aber hier ein paar Gedanken dazu. (1/x)
Natürlich kann man sich fragen, ob Russen und Russinnen fröhlich in Europa Urlaub machen sollten, während ihr Land in der Ukraine Krieg führt. Ukrainer haben bitter angemerkt, dass die Debatte in Moskau offenbar für mehr Aufruhr sorgt als der Krieg selbst. (2/x)
Es stimmt: Es gibt kein Menschenrecht auf Urlaub im Ausland. Das Argument, Russen sollten sich selbst ein Bild vor Ort machen, ist seit dem 24. Februar 2022 obsolet: Niemand, der seine Meinung vorher zum Regime nicht klar hatte, wird sie jetzt wegen Urlaub in Rom ändern. (3/x)