#StormyLiestSchwurbel Kapitel 2.

Ich bitte, die Verspätung zu entschuldigen. Aber ich war zwischendurch ehrlich nicht in der Stimmung, das weiterzuschreiben.

Aber jetzt.

Ich habe euch ja versprochen, dass es mies wird.
Fall 3.1-1.

53 Jahre, keine bekannten Vorerkrankungen, brennende Schmerzen in der Brust, ausstrahlend in den linken Arm. (Raucher, Adipositas, zu hohes Cholesterin).

Vor 3 Monaten Herzkatheteruntersuchung, damals nichts interventionswürdiges.

So weit, so gut.
Die Diagnose lautet hier (trotz ST-Strecken-Hebungen) "vasospastische Angina pectoris". Ehrlicherweise *muss* diese Diagnose im Nachhinein gestellt worden sein. (Was zu den anderen Fallbeispielen passt.)

Natürlich wird auch dieser Patient konventionell behandelt.
Und - kurz vor der Herzkatheteruntersuchung - wird Acidum muriaticum C200 verabreicht. (Die Arzneidifferenzierung ist mal wieder etwas willkürlich, man hätte durchaus auch begründet zu einem anderen Ergebnis kommen können.)

Und innerhalb kürzester Zeit tritt eine Besserung ein.
Wer heilt, hat Recht?

Nein. In der Folge wurde (zu Recht!) eine Herzkatheteruntersuchung durchgeführt, die keinen behandlungspflichtigen Befund brachte.

Und *jetzt* erst kann die Diagnose "vasospastische Angina pectoris" gestellt werden.
Mal wieder ist hier offenbar ein Fall streng ergebnisorientiert ausgewählt worden, bei dem "zufällig" die Grunderkrankung eine gewisse Besserungstendenz hat.

Aber man wäre ja kein Homöopath, würde man nicht trotzdem daraus folgern, Homöopathie wäre total toll.
O-Ton Michael Frass, von dem dieser Fall stammt: "Es ist zu überlegen, ob nicht eine homöopathische Behandlung zu diesem Zeitpunkt spätere Schäden verhindern könnte. "

Typisch.
Man wählt (bewusst oder unbewusst) gezielt Fälle aus, die ins Weltbild passen. Und feiert sich dann.
Aber es geht in der Tat noch wahnsinniger. Fall 3.2-1.

Akuter Herzinfarkt. Reanimationspflicht. Offensichtlich ein schwerster kardiogener Schock, immer wieder beginnt das Herz selbst zu schlagen, das EKG ist hochpathologisch.
Was finden die Homöopathen für die Mittelwahl viel relevanter?

Dass der Patient "Mitgefühl für den Arzt, der um Mitternacht noch so viel Arbeit mit ihm habe" angegeben haben soll.
(Sicherheitshalber hat man hier erwähnt, dass der Fall 30 Jahre zurückliegt und unvollständig>
dokumentiert ist. Bestimmt nur ein Zufall.)

Homöopathische Therapie?
1-mal 3 Glob. Carbo vegetabilis C 30.

Und jetzt dreht der homöopathische Behandler völlig durch. Noch vor der Mittelgabe werden die Pupillen weit, Atemstillstand, Herzstillstand.
Das Mittel wird verabreicht, aber statt nun mit einer Herzdruckmassage zu beginnen, bewundert der Homöopath zwei kleine rote Flecken auf den Wangen des Patienten, die sich warm anfühlen. Interpretation?
"Der Körper beginnt wieder zum Leben zurückzukehren, sodass mit der ...
Herzmassage vorerst gewartet wird."
Das steht da wirklich!

Anschließend beginnt das Herz wieder zu schlagen, die Atmung setzt wieder ein, und der Patient erholt sich auf wundersame Weise rasch und vollständig.

Sicher doch.
Jetzt mal abgesehen davon, dass Carbo vegetabilis keinesfalls hier irgendeinen Effekt gehabt haben kann (denn so gravierende Effekte homöopathischer Arzneien müssten uns in klinischen Studien von den Füßen hauen!)... sind die komplett deppert?

Wer soll denn das glauben?
Aus medizinischer Sicht habe ich schwere Vorbehalte gegen diesen Fall. Ich bin nicht bereit, zu glauben, dass sich dieser Fall tatsächlich so zugetragen haben kann.

Klar ist es denkbar, dass hier (wie im 1. Fall) ein schwerer Vasospasmus vorlag, der sich dann löste.
Aber trotzdem ergibt diese gesamte Schilderung für mich exakt keinen Sinn.
Entweder hat da jemand 30 Jahre später verklärte Erinnerungen aufgeschrieben, oder man hat eine verlogene Räuberpistole eines wichtigtuenden Homöopathen für real gehalten.
Fall 3.3-1.
Aortendissektion (d.h. ein Einriss in der Hauptschlagader, einer *der* medizinischen Notfälle schlechthin). Komplizierter Verlauf mit mehreren Verlegungen.

Anhand der Fallschilderung tue ich mich schon schwer damit, nachzuvollziehen, wann der Patient in welchem...
Krankenhaus behandelt wurde.

Aber viel spannender finde ich sowas: Image
"infaust" = keine Erholungsaussichten.

Da habe ich doch mal eine Frage.
1. Wenn die erfahrenen Ärzte auswärts die Prognose als infaust einschätzen, warum verlegen sie dann noch?

2. Wenn die erfahrenen Ärzte am Lehrkrankenhaus die Prognose so einschätzen, warum übernehmen sie?
D.h. für mich stellt sich schon die Frage, ob hier jemals wirklich eine *infauste* Prognose angenommen und der (O-Ton Frass) "bereits aufgegebene" Patient wirklich nur durch Anwendung der Homöopathie seine Sepsis überlebte.

Die sonstigen Details sind schwer einzuschätzen, ...
weil die Schilderung doch eher lückenhaft ist.

So wonnevoll Herr Frass und Co. jeweils die homöopathisch spannenden Details auswalzen, so knapp und inkohärent werden die medizinischen Fakten geschildert.

Teilweise ergeben die Fallschilderungen medizinisch für mich keinen Sinn.
Aber die Krönung homöopathischer Hybris ist und bleibt Fall 10.6-1. "Herz-Kreislauf-Stillstand beim Neugeborenen".

Die Autorin ist auf einem "medizinischen Kurzeinsatz in Kenia". Homöopathen ohne Grenzen?

Sie werden zu einer Frau gerufen, die nach 24 Stunden Wehen einen...
Geburtsstillstand zeigt. Bei nunmehr verschlechterten kindlichen Herztönen führt man "unter primitivsten Bedingungen" einen Notfallkaiserschnitt durch.

Das Kind ist grau, atmet nicht, hat keine Kreislaufaktivität.
5 Minuten Wiederbelebung. Und dann wird die Autorin irre.
Sie gibt 1x 5 Globuli Opium MK.
Offenbar schematisch oder was auch immer, jedenfalls wird erwähnt, dass erst IM NACHHINEIN repertorisiert wurde. (Natürlich war Opium richtig, muss ja auch, hat ja alles geklappt.)

Das Kind zeigt eine "fast sofortige Reaktion".
Hat natürlich nicht das Geringste mit Herzdruckmassage und Beatmung zu tun, nein, es muss das Opium gewesen sein.

Nach einigen Minuten beobachtet man einen ängstlichen Blick beim Neugeborenen (????) und sehr kalte Haut.

Was tut man?
Richtig!
1x 3 Globuli Aconitum C200!
Auch hier scheint ex post repertorisiert worden zu sein, und natürlich werden die Symptome so gedeutet, dass Aconitum richtig war. Streng ergebnisorientiert halt. Dem Kind geht es besser, Aconitum MUSS ja richtig gewesen sein.

Wobei, war es das wirklich?
Denn: "Nach Verabreichung von Aconitum setzt die Atmung erneut kurzzeitig aus und das Kind schließt die vorher umherblickenden Augen. Erneute Reanimation."

Hat Aconitum hier also möglicherweise den zweiten Kreislaufstillstand verursacht?

(Natürlich nicht, lol.)
Wie gemeingefährlich ahnungslos und irre diese Leute sind, zeigt sich an dieser Beurteilung.

Lasst das einfach mal auf euch wirken.

Ein Neugeborenes mit Atemstillstand. "Ein kurzer Augenblick Geduld hätte vermutlich das gleiche Ergebnis erbracht." Image

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Oct 29, 2022
Einer der beliebtesten Mythen der Homöopathie ist ja, dass sie keine Lobby hat.

Die arme, unschuldige, hilflose, Göttliche Homöopathie ist Opfer von pharmamafiahörigen Trollarmeen (wie bspw @andree_dominik und mir) und kann dem nichts entgegensetzen.
Wir blenden mal aus, dass die Carstens-Stiftung politisch exzellent vernetzt ist und dass überhaupt der Binnenkonsens nur durch exzessives Lobbyieren etabliert werden konnte.

Diese hilflose Homöopathie ohne Lobby ist also komplett alleine gegen eine unsachliche Hasskampagne?
Nichts könnte ferner von der Realität sein.

In der Tat ist die Homöopathie lobbyistisch hervorragend vernetzt und macht sich diese Netzwerke auch konsequent zu Nutze.

Und ich rede damit nicht von den Twittertrollen, die alle paar Tage widerlegte Murksstudien abfeiern.
Read 21 tweets
Sep 21, 2022
Okay, Urlaub, was soll's, schauen wir mal rein, was Herr Walach da wieder gezaubert hat.

Kurzform:
Metaanalyse, die angeblich mal wieder einen klinisch relevanten und statistisch signifikanten Effekt der Homöopathie (hier bei ADHS) gezeigt haben will.
Hypothese:
Die Einschätzung des bias-Risikos ist unhaltbar.

Also, feststellen muss man: Dass er Fibert et al, 2016, ein hohes bias-Risiko attestiert, ist vollkommen korrekt. Winzige Fallzahl, keine echte Placebo-Kontrolle. Diagnose: Schrott.
Fibert et al, 2019, bekommt ein "unklares" bias-Risiko attestiert. Was absurd ist. Homöopathie vs "standard care", also keine echte Verblindung. Definitiv hohes bias-Risiko.
Read 33 tweets
Sep 21, 2022
Unqualifizierte Schwurbeltrolle, die mit hanebüchenen, komplett widersinnigen esoterischen Begriffsneuschöpfungen die Homöopathie retten wollen, Gegenwind bekommen und dann sofort in Tränen ausbrechen und rumopfern.

Ich liebe es einfach. Es ist immer so vorhersehbar.
Und nein, wenn ihr zuerst komplett willkürlich diffamiert und beleidigt, habt ihr kein Recht darauf, zu heulen, wenn die Gegenseite euch in gleicher Münze antwortet.
Es sind ja auch immer die in die Unzurechnungsfähigkeit durchideologisierten Wahnwichteltrolle, die anderen dann vorhalten wollen, die EbM-Verfechter könnten ja nur nicht damit zurechtkommen, dass etwas nicht in ihre "Ideologie" passt.
Read 4 tweets
Aug 11, 2022
Wie wird man eigentlich Anästhesist*in?
@TheRealSarsCov2

Eine Kurzgeschichte.

Die Frage, *warum* man Anästhesist*in wird, klammern wir hier mal aus, das ist zwar sicherlich psychologisch höchst interessant, aber sprengt hier den Rahmen.

Also.
Schritt 1: Humanmedizin studieren.
Schritt 2: Approbation erhalten.
Klingt komisch, ist aber so. Anästhesist*innen sind Ärzt*innen.

Schritt 3:
Eine Stelle suchen.
Das klingt komplizierter als es ist. Du gehst notfalls aufrecht und kannst dich in Wort und Schrift besser artikulieren als ein tollwütiger Gorilla?
Hier, Weiterbildungsvertrag!

Ja, das ist plakativ, aber die Stellenaussichten in einem "Massenfach" wie der Anästhesie waren und sind ziemlich gut.

Bei uns muss man sich üblicherweise nicht durch spezifische Doktorarbeitsthemen o.ä. hervorheben. Und man muss auch nicht...
Read 55 tweets
Mar 4, 2022
@PSHolstein Man muss wirklich zu dem Schluss kommen, dass hier eine systematische, wohlorganisierte gaslighting-Kampagne betrieben wird.

"Inzidenz 1200? Deswegen muss man ja wohl noch lange keine Tests machen!"
@PSHolstein Und irgendwie erinnert es an die geistige Diarrhoe aus dem Querterroristen-Lager, wenn wir nur aufhören würden zu testen, wäre die Pandemie vorbei.

Wäre es nicht so erschreckend, fände ich es beeindruckend, wie Medien eine Kampagne mit Querdenker-Narrativen befördern.
@PSHolstein Das Gefasel von anlasslosen Tests. Das pausenlose Geplärre, jede:r, der:die Corona noch ernst nimmt, würde ja unberechtigte "Panik" verbreiten. Es wäre ja mittlerweile nur ein harmloser Schnupfen, und Risikogruppen könnten sich ja selbst schützen.

Völliger Irrsinn.
Read 4 tweets
Mar 4, 2022
Nazis verbreiten Lügen über "Überfremdung", "Asyltourismus", "Coronadiktatur": Alle wollen ihre "Sorgen ernst nehmen", "auf sie zugehen", "können sie nicht einfach abschreiben".

Menschen wollen sich vor COVID-Erkrankung schützen: Gaslighting, "lol Panikmache heul doch".
Ich meine, was zur Hölle läuft da schief?
Leute, die - durchaus zu Recht - eine Infektion mit einem Virus, dessen langfristige Auswirkungen völlig unklar sind, gerne vermeiden möchten, und die sich nicht uneingeschränkt auf die Impfung verlassen können, werden lächerlich gemacht.
Und ja, mir ist auch klar, dass wir *auf lange Sicht* werden hinnehmen müssen, dass COVID genau so wenig kontrollierbar durch die Bevölkerung wandert wie Schnupfen oder Influenza.

Aber wieso genau können wir nicht ERST wirklich breite Immunität aufbauen?
Read 6 tweets

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