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Jan 27 17 tweets 4 min read
Die National Ignition Facility in den USA meldet einen Erfolg bei der #Kernfusion mit Hilfe von Lasern. Viele Medienberichte schäumen vor Begeisterung, ich bin eher skeptisch, was die Relevanz des Ganzen angeht: zeit.de/wissen/2022-01… (1/x)
Also, erstmal vorweg, Stichwort #Kernfusion: Es geht um den Versuch, einen Reaktor nach dem Vorbild der Sonne zu bauen. Darin verschmelzen laufend Atomkerne miteinander, was als eine der effizientesten Energiequellen des Universums gilt. (2/x)
Das Problem ist: Atomkerne stoßen sich eigentlich ab - sie fusionieren nur, wenn man sie dazu zwingt. Die Sonne schafft das mit ihrer riesigen Masse; Materie in ihrem Inneren wird extrem stark zusammenquetscht. (3/x)
Auf der Erde braucht man entweder a) Magnetfeldkäfige oder b) Laser, um Materie so stark zu komprimieren. a) ist eher der europäische Weg, unter anderem das große ITER-Projekt in Südfrankreich folgt ihm (für alle Lateiner: Wortwitz intended). b) Ist eher die US-Strategie...(4/x)
... u.a., da das Hantieren mit starken Lasern für das Militär interessant ist. Daher ist die National Ignition Facility eigentlich eine Anlage des US-Verteidigungsministeriums. Die Forschung zur zivilen Kernfusion ist eher ein Nebenprojekt. (5/x)
Wie laufen die Experimente dort ab? Nun, man beschießt eine winzige Brennstoffkapsel mit 192 Laserstrahlen und hofft, dass das die Atomkerne zum Verschmelzen bringt. Das Problem seit der Einweihung 2009: In der Praxis klappt das längst nicht so gut wie in der Theorie. (6/x)
Die Verantwortlichen sind daher im Lauf der Jahre dazu übergegangen, ihre Ergebnisse überzuverkaufen - winzige Energieausbeuten werden zur Sensation hochstilisiert. So zumindest meine Meinung und die anderer Journalisten, die über das Projekt berichtet haben. (7/x)
Das war zumindest der Stand bis vor einigen Jahren. Denn plötzlich macht man an der National Ingnition Facility doch Fortschritte und kommt langsam dem Ziel näher, das man eigentlich schon vor 10+ Jahren erreichen wollte. (8/x)
Konkret sollen die fusionierenden Atomkerne in den zerschossenen Kapseln mehr Energie freisetzen, als die Laser auf der Kapseloberfläche entladen haben. Die Laser-Fusions-Community nennt das den "Breakeven"-Punkt. (9/x)
Die NIF hat im August 2021 offenbar 70% davon erreicht: 1,9 Megajoule rein, 1,35 Megajoule raus. Das Ganze ging schon letzten Sommer durch die Medien, dabei gibt es bisher offenbar kein wissenschaftliches Paper. Wenn das kommt, werden wir nochmal davon hören, garantiert. (10/x)
Was gestern in "Nature" publiziert wurde, waren ältere Messungen, bei denen sich schon der Trend zu einer besseren Energieausbeute zeigt. Die Materie im Käpselchen beginnt sogar zu "brennen" - die Fusion würde sich also bei einer größeren Probe teilweise selbst erhalten. (11/x)
Das klingt alles erstmal toll und nach dem großen Durchbruch, bis man sich die Details anschaut. So schrumpt die Energieausbeute drastisch, wenn man nicht nur die in die Kapsel entladene Laserenergie berücksichtigt, sondern alle Teile der Anlage, die Strom verbrauchen. (12/x)
Allein das Aufladen des Lasersystems verschlingt 400(!) Megajoule, die in keiner Bilanz auftauchen. Damit ist die effektive Energieausbeute des ganzen Experiments im Promillebereich. Leider fehlt diese Information in den meisten Berichten zu dem Thema. (13/x)
Das könnte man verschmerzen, aber seit einigen Jahren fließt viel Geld aus der Privatwirtschaft in die #Kernfusion, Dutzende Start-ups wollen die Technik zur Marktreife bringen. Das führt zu immer größeren Ankündigungen und Erwartungen. (14/x)
Ich vermute, dass am Ende viele Leute viel Geld verlieren werden, denn eigentlich fangen die technischen Probleme der #Kernfusion erst an, wenn man mal den Breakeven-Point überschritten hat. Wieso, habe ich hier aufgeschrieben: zeit.de/wissen/2021-11… (15/x)
Nicht falsch verstehen: Man sollte die #Kernfusion weiter erforschen, ITER sollte fertig gebaut werden und die NIF darf meinetwegen weiter Kapseln zerschießen. Aber man sollte bei all dem ehrlich bleiben und klar benennen, wie weit der Weg zu einem Kraftwerk noch ist. (16/16)
Achso, Nachtrag: Problematisch finde ich auch, dass sich in D nur ein Experte zu dem Thema äußert - der selbst ein Start-up gegründet hat. Bei den staatlichen Zentren zur #Kernfusion in Garching und Karlsruhe wollte man mit mir hingegen nicht über die Ergebnisse aus den USA reden

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