Nach ersten Äußerungen (z.B. aus den USA) ist der Vorschlag einer #Flugverbotszone#NoFlyZone
für (Teile der) 🇺🇦 auch in Deutschland angekommen.
Warum das eine schlechte Idee ist, und warum sie trotzdem immer wieder aufkommt – ein 🧵
Gestern Abend wurde bei @annewill über 🇩🇪 Außenpolitik/🇺🇦 diskutiert. Ljudmyla Melnyk sprach sich für eine Flugverbotszone aus. 🇺🇦 werde aus der Luft angegriffen: „Wir müssen darum über eine Flugverbotszone sprechen. Die NATO-Staaten können den Himmel über der Ukraine schützen“.
Das ist eine verständliche Forderung - Helfen wollen ist natürlich nachvollziehbar. Da die anderen Gesprächspartner*innen den Vorschlag eher ignorierten ( @n_roettgen schien abgeneigt), melde ich mich halt. Vielen Dank an @gloefflmann & @felixbohnacker für den Hinweis.
Was ist eine Flugverbotszone? Eine Flugverbotszone beinhaltet ein Verbot etwa von militärischen Angriffen aus der Luft. Eine Flugverbotszone ist ein militärisches Instrument der Intervention, also der Einmischung dritter Parteien in einen Konflikt.
Diese Einmischung kann völkerrechtlich legitimiert sein (etwa UN-Resolution) und moralisch gerechtfertigt, oder auch nicht – wesentliches Element ist, dass sie als von einer dritten Partei eingerichtet und somit überwacht und wenn nötig MILITÄRISCH DURCHGESETZT wird.
Was bedeutet das? Zur initialen Durchsetzung einer Flugverbotszone wird falls nötig von der intervenierenden Partei durch präventive Angriffe auf Kommandozentralen, Radarstationen, Boden-Luft-Abwehr oder militärische Flughäfen Lufthoheit hergestellt. Things will go boom.
Danach findet die Überwachung einer Flugverbotszone für gewöhnlich durch regelmäßige Patrouillenflüge und wenn nötig den gezielten Abschuss verstoßender Flugobjekte statt.
Wenn der Begriff „Flugverbotszone“ fällt, denken viele an 2011, als eine Koalition aus NATO-Partnern und regionalen Mächten eine Flugverbotszone auf libyschem Territorium erklärte, um Zivilisten zu schützen und letztendlich Rebellengruppen zu unterstützen.
Andere erinnern sich an die Flugverbotszone, die Mitte der 1990er Jahre im Bosnienkrieg galt, oder an jene zwei Flugverbotszonen, die im Norden/Süden des Irak Saddam Husseins territoriale Kontrolle erheblich einschränkten: washingtonpost.com/outlook/2019/1…
Also, follow @LiamD_23 - he knows his no-fly zones! ☝️
So weiter geht's. Wäre eine Flugverbotszone über (Teilen) der Ukraine da nicht eine sinnvolle Option, um Russlands Aggression in der Ukraine entscheidend zu begrenzen? Nein. Dafür gibt es mehrere Gründe:
Flugverbotszonen können zivile Bevölkerungen nicht effektiv schützen. Der Konflikt wird weitergeführt, etwa durch Intensivierung von Artillerieangriffen. Ich dachte (naiv!), das wäre genug, um Leute davon zu überzeugen, sie nicht ständig vorzuschlagen: blogs.lse.ac.uk/usappblog/2016…
Viel wichtiger: politisch wäre eine gegen Russland gerichtete Flugverbotszone desaströs. Eine direkte Konfrontation zwischen westlichen und russischen Einheiten, ob in der Luft oder am Boden, bedeutet einen weitflächigeren Konflikt, der schnell außer Kontrolle geraten kann.
Eine Flugverbotszone ist daher ein völliger „Non-Starter“, und das wissen auch alle Beteiligten. Nicht zuletzt gibt es dazu seit Tagen entsprechende Beiträge, z.B. vox.com/policy-and-pol…
Wieso wird eine Flugverbotszone dann trotzdem vorgeschlagen?
Drei mögliche Gründe: (1) Diskursiv Druck zu weiterem Handeln aufbauen. Flugverbotszone fordern, um die politische Debatte anzutreiben – 🇩🇪 soll sich nicht auf neuen, ach-so-starken Sanktionen und ein paar Stinger-Lieferungen „ausruhen“ können, sondern weiter und mehr helfen.
(2) Dass die Flugverbotszone keine echte Option ist - nebensächlich. Sie *klingt* gut. Im Vergleich zu „Lass mal Russen abschießen“ ist „Flugverbotszone!“ handzahm. Stärker als Sanktionen, aber nicht extrem oder so. Das ist die „No-Fly Zone Fallacy“: warontherocks.com/2016/04/under-…
(3) Außerdem: Wähler*innen schätzen kompetente Politiker*innen, insb. bei #zeitenwende. Wer einen Plan hat/seriös simulieren kann, gewinnt. Wer da „Flugverbotszone“ flüssig in ein Gespräch einbauen kann, noch ein paar militärische Abkürzungen einbauen – da kennt sich jemand aus.
Flugverbotszonen werden „political shorthand“ – ein Motto, eine Floskel, die man sich zuspielen, mit der man argumentieren oder beeindrucken kann: academia.edu/35439788/No_Fl…
(Der obige Tweet ist besonders PROFILFOTO-lastig, und ich bitte für jegliche Traumatisierung um Entschuldigung.)
Weiter im Text.
Flugverbotszonen-Vorschläge sind also häufig - BULLSHIT. Dieses Argument nochmal in Gänze hier: doi.org/10.1177/026339…
Wir kennen diese Dynamic aus den genannten Fällen, aber auch aus Sudan, aus dem Kosovo, aus Syrien…“Flugverbotszonen“ werden sehr gerne vorgeschlagen. Nützlich sind sie selten. Und im Fall der Ukraine (wie auch in Syrien) wäre ihre tatsächliche Anwendung brandgefährlich.
Denn hinter der Floskel bei @annewill steckt ein militärisches Instrument, das mit Überschallgeschwindigkeit (get it?) in direkte militärische Konfrontation zwischen nuklear bewaffneten Großmächten führen kann.
PS: nun auch Selenskyi. Nochmal: die Forderung = verständlich. Natürlich probiert man alles in seiner Position. Der Vorschlag hier ist mMn aber auch wieder kein "echter" Vorschlag - er dient dem Vorantreiben der Diskussion: helft mehr! Hört nicht auf! tagesschau.de/newsticker/liv…
PS2: Die USA lehnen das natürlich ab. Aber: wir reden über die nächsten Schritte. Und das schafft (idealerweise) politischen Druck.
In "Neorealism, Neoclassical Realism and the Problem(s) of History", I discuss pathways to thinking analytically about history: doi.org/10.1177/004711… It's open access, too!
As they say, a 🧵 1/19
I position neoclassical realism (NCR) as offering correctives to (some of) neorealism's oft-diagnosed ahistoricity. I start by discussing these diagnoses, and what they mean for IR/realist theorising. 2/19