2016 reiste ich mit dem SPD-Reiseservice mit einer Genossen-Gruppe nach Moskau. Motto: "Russland verstehen? Moskau besuchen!" Ich erlebte ein paar irre Dinge.
1. Einen ehemaligen SPD-Bundesminister, der unter Applaus der Gruppe behauptet, dass die USA Russland mithilfe von westlichen NGOs (wie die Ebert-Stiftung) destabilisieren wolle.
Er veröffentlicht übrigens beim rechten Kopp-Verlag Bücher und behauptet, die Amerikaner seien selbst für die Terroranschläge vom 11. September verantwortlich.
2. Reiseteilnehmer, die lokale Diskutanten belehren wollen und – während sie in Moskau stehen – unwidersprochen behaupten, in Deutschland würden Journalisten aus Redaktionen entfernt, wenn sie "etwas Falsches" schrieben.
3. Einen Reisebus, der an alten Gräbern stoppt aber an der Stelle, an der Putins Widersacher Boris Nemzov erschossen wurde, nicht hält. "Wer ist das denn?"
4. Ein Genosse, der unwidersprochen "Putsch" ruft als es um proeuropäische Proteste auf dem Kiewer Maidan geht.
5. Den Satz "Ich finde den Putin ja gut." Nicht nur einmal gehört.
6. Matthias Platzeck, der beim Frühstück vorbeischaut und verspricht, dass Russland Wahlkampfthema werde.
Das war keine Reise der AfD, sondern eine SPD-Reise. Die Teilnehmer waren Partei-Durchschnitt. Menschenrechte, Pressefreiheit, Opposition - all diese Themen fanden auf dieser Reise nicht statt.
Diese Reise zeigte mir: Diese SPD hat ein Russland-Problem, das weit größer ist als Schröder&Stegner. Und sie zeigte mir, dass ich aus der SPD austreten muss (eh besser als Journalist).
Ich habe mich damals als Redakteur der @DIEZEIT zu erkennen gegeben. Hier der Text:
Nachtrag: Nach der Veröffentlichung meldete sich ein Hamburger SPD-Politiker bei mir (der inzwischen eine gewisse Rolle in der aktuellen Bundesregierung spielt) und teilte mein Schock über die Erlebnisse. Er ist, befürchte ich, Teil einer Minderheit in seiner Partei.
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Mich störten immer die mantrahaften Sätze, dass wir Angela Merkel noch vermissen werden. Sie störten mich deshalb, weil Merkel für einen großen Teil der aufgeschobenen Probleme in diesem Land verantwortlich ist. Weil sie den politischen Diskurs zeitweise sedierte. 1/
Seit gestern habe ich eine Ahnung, was dieser Satz bedeuten könnte. Merkel war hart zu ihren Gegner, sie konnte kalt sein. Niemals aber hätte sie einen Partner, mit dem sie zuvor eng zusammenarbeitete, derart öffentlich zerlegt wie Scholz. 2/
Die große Nachricht des gestrigen Abends ist, dass Olaf Scholz, den manche wohlwollend Hanseat nennen, andere weniger wohlwollend Stoiker, seine Leidenschaft entdeckt, seine Wut. Manche feiern ihn dafür. Posten 🔥-Emojis unter seine Rede. 3/
Heute Nacht hat #Aserbaidschan#Armenien angegriffen. Das autoritäre Aliyev-Regime hat über Jahre in Europa sein Image poliert und Zustimmung erkauft. Auch in Deutschland.
Zum Glück schaut Europa inzwischen genauer auf Putins Verbrechen. Wenn es aber um das Aliyev-Regime in #Aserbaidschan geht, wird lustvoll weggeschaut. @vonderleyen hofiert Aliyev. Und der öffentlich-rechtliche @DLF verbreitet in diesen Tagen eine offensichtliche Lüge. 1/x
Der @DLF bestellt bei einer Journalistin, die sich 2020 vom autoritären Aliyev-Regime als Fake-Wahlbeobachterin einspannen ließ, einen Beitrag über "Gas aus Aserbaidschan"? Wie kann so etwas sein? 3/x