Thread by @clara_padberg

Da es gerade sehr viel durchs Internet geht und ich auch viel dazu schreiben kann einmal ein Thread zu #waldorfschule und meiner Erfahrung mit der #anthroposophie

Ich war sowohl auf einem Waldorfkindergarten als auch 13 Jahre auf der Waldorfschule. Ich bin mit 6 in die Schule gekommen. Ich war ein sehr neugieriges Kind und habe mich schnell im Unterricht gelangweilt.

Da man in der Waldorfschule ja sehr langsam lesen und schreiben lernt, habe ich sehr schnell angefangen meine Eltern mit Fragen zu nerven, was für ein Buchstabe das ist, bis ich Wörter entziffern konnte. Dann war es um mich geschehen, ich habe Unmengen an Büchern verschlungen.

Zum Glück hat meine Familie das gefördert und wir waren alle 4 Wochen in der Bücherei, wo ich mir immer 30-40 (natürlich immer in altersgemäßer Schriftgröße) Bücher ausgeliehen habe, die ich alle gelesen habe! So habe ich mir die Langeweile im Unterricht vertrieben.

Da wir erst in der 3. Klasse Schreibschrift gelernt haben, habe ich mir in der 2. Klasse eine eigene Schnörkelschrift ausgedacht. Das hat in meinem Kopf etwas für Verwirrung gesorgt, als wir dann die echte Schreibschrift lernten.

In Mathe haben wir in der 3. und 4. Klasse Rechenhefte gehabt, auf denen "für die 2. Klasse" stand. Ich war völlig unterfordert und habe mit einem Klassenkameraden darum gewettet, wer von uns schneller alle Aufgaben in dem Heft gerechnet hat.

Btw dieser Mitschüler ist nach er 4. Klasse aufs Gymnasium gewechselt, eine schlaue Entscheidung im Nachhinein.

"Geschichte" bestand in den unteren Klassen aus mystischen Geschichten, wir haben wieviele andere Waldorfschüler:innen auch die Sage von Atlantis gehört und sehr viel Heldensagen aus der griechischen Mythologie.

Ich weiß um ehrlich zu sein bis heute nicht genau, was in dem Bereich Erzählung war und was belegte Historie.

Was noch ein Problem in den unteren Klassen war, war das wir eine sehr große Klasse mit am Anfang 36 Schüler:innen waren. Unsere Klassenlehrerin kam frisch vom Waldorflehrerseminar und hatte soweit ich weiß keinerlei Lehrerfahrung.

Sie war komplett überfordert und konnte uns als Klasse überhaupt nicht gerecht werden. Nach 1,5 Jahren verließ sie die Schule, wir bekamen für den Übergang eine andere Lehrerin und mit Beginn der 3. Klasse eine alte, erfahrene Waldorflehrerin (Frau P)

Frau P war streng aber meistens sehr nett, war aber Anthroposophin und verfolgte den von Steiner vorgesehen Lehrplan. Das ging soweit einigermaßen gut bis wir anfingen in die Pubertät zu kommen.

Ab da rebellierten wir ständig auf. Bei mir waren es Klamotten und Schminke. Ich habe absichtlich provoziert und meine Lehrerin konnte überhaupt nicht damit umgehen. Zu der Zeit kamen auch Smartphones auf, was natürlich auch schwierig war, wegen Technik ist böse.

Am Ende der Klassenlehrerzeit habe ich es gehasst zur Schule zu gehen und hatte in mehreren Fächern 5en, weil ich mich geweigert habe mitzumachen, ständig rausgeschmissen wurde und dann mit anderen rausgeschmissenen auf dem Flur gequatscht habe.

Mich hat also die Waldorfschule von einem sehr lernwilligen, neugierigen Kind zu einer gegen alles rebellierenden Jugenichen gemacht. Es ist natürlich schwer zu sagen, wieviel waldorfbedingt war und wieviel einfach Pubertätsbedingt war.

Aber was ich noch sehr stark in Erinnerung habe ist, dass der Umgang mit meiner Rebellion sehr unbeholfen war. Im Nachhinein überlege ich, ob es an der Jahrsiebtlehre lag oder diesen sehr festen Empfehlungen für Waldorflehrer:innen was im Unterricht gemacht wird.

Da dieser Thread schon sehr lang ist schreibe ich wann anders weiter über meine Oberstufenzeit und das Waldorfabitur.

Wenn ihr weitere Stimmen zu dem Thema lesen wollt: @notemmalou @NichtGeerdet @fraulea_tw @SilverTurtle72 @Veelana