Thread by @Bettilotta

#Ableismus

Ehrlich gesagt kenne ich den Begriff erst seit ich hier bin. Ich bin HEP, aber schon länger nicht mehr in diesem Bereich tätig.
Ich habe einen Schwerbehindertenausweis.
Kenne also beide Seiten.
Ein paar Gedanken dazu. Meine persönliche Sichtweise. 1/

Was in Heimen etc wie #Oberlinhaus passiert ist, ist katastrophal. Was an täglicher, "normaler" Gewalt praktiziert wird, ist schlimm. Da muss dringend und viel passieren. Und es ist gut, wenn da jetzt viele Stimmen laut werden. 2/

Wenn die Begrifflichkeit Ableismus dabei hilft, etwas bewusst zu machen, aufzudecken und zum besseren zu verändern, finde ich das sehr gut!

Aber ich habe auch meine Probleme damit. Vieles wird zu Recht so betitelt und kritisiert.

Doch... 3/

Was als ableistisch empfunden und gesehen wird, ist abhängig vom empfinden und der individuellen Sichtweise. Was für den einen Menschen mit Behinderung ableistisch ist, ist es für einen anderen behinderten Menschen noch nicht. Das macht es u.U. schwierig. 4/

Das ist ähnlich wie mit den Bezeichnungen behindert, krank und beeinträchtigt. Manche Betroffene verwenden es synonym, manche bevorzugen einen Begriff und lehnen einen anderen ab, wieder andere komplett anders herum.

Das ist gut so und richtig. Es sollte kein weder noch 5/

richtig oder falsch geben.

Genauso wie man Behinderungen nicht vergleichen sollte, in richtiger, weil mehr behindert und gar nicht richtig, zu wenig, sieht man ja gar nicht,...

Keiner bekommt einen GdB einfach so. Keiner sucht sich aus, was das Leben mit sich bringt. 6/

Für Betreuer:innen, Außenstehende, Begleiternetzwerk, ist es schwierig. Was für den einen passt und richtig ist, passt für den anderen gar nicht. Angefangen bei Begriffen. Aber in Bezug auf jeglichen Lebensbereich.

Wie soll/kann man es als Helfer:in überhaupt richtig machen? 7/

Die Stimme erheben, Anwalt für Menschen mit Behinderung sein ist so wichtig, eine Lobby bekommen - endlich, wäre toll!

Aber Vorwürfe und aufgestaute Wut, so nachvollziehbar sie ist, sind kontraproduktiv.

Grundsätzlich Heime und Institutionen zu verteufeln ist in meinen 8/

Augen auch nicht zielführend. Den Betroffenen mehr Selbstbestimmung und Rechte übergeben, mehr Persönlichkeitsschutz und Individualität. Wichtig! Und dadurch mehr Entscheidungshoheit und Freiheit. Darum geht es.

Weniger Machtmissbrauch und alltägliche, "normale" Gewalt 9/

Das ist es. Überall. Ob in Heimen, Einrichtungen oder im selbständigen Wohnen und Leben.

Jede:r Helfer:in sollte/müsste auf Augenhöhe arbeiten und sich der Rolle einer/eines Begleiterin/Begleiters bewusst sein. Mit allen Rechten u Pflichten u allen Grenzen u Begrenzungen. 10/

Begleitung verantwortungsvoll ausüben. Nicht über die Betroffenen hinweg, sondern mit ihnen zusammen.

Einrichtungen und Heime wird es immer geben und geben müssen. Nicht für alle Menschen ist eine selbständige Wohn- und Lebensform die richtige.

Das ist wichtig. 11/

Umso mehr eine Person auf Unterstützung angewiesen ist, umso mehr besteht die Möglichkeit eines (Macht-)Missbrauchs.

Besonders gefährdet dabei diejenigen, die aufgrund geistiger Behinderung nicht entsprechend einbezogen werden oder einbezogen werden können. 12/

Es ist noch viel zu tun.

Zuletzt noch zu den weissen Rollstühlen, die so stark ableistisch verurteilt wurden. Ich sehe das Problem der Reduzierung auf die Behinderung, anstelle des Nenschen im Mittelpunkt.

Ich kenne aber auch die starke Symbolik solcher Zeichen. 13/

Und auch wenn das vermutlich mir jetzt Ärger einbringt: manchmal wirkt so ein Zeichen tiefer und macht betroffener, berührt mehr als es ein Foto tun kann.

Ich denke, es geht nicht um die Behinderung, sondern den leeren Platz, der zurückbleibt. 14/

Wie das leere Bett, der freie Platz am Tisch,...

Das kennen alle, die einen Verlust erlitten haben. Wie transportiere ich die Lehrstelle, den Verlust zeichenhaft in einen anderen Raum, wie Kirche oder Saal?

Das Zeichen mag ungeschickt gewählt sein. Ist es deswegen falsch? 15/

So. Das musste jetzt alles mal raus.

Ist okay, wer anderer Meinung ist. Dies hier ist meine.