Thread by @FelixDerik

In der jesidischen Şengal-Region im Nordirak herrscht zum ersten Mal seit der Befreiung vom IS wieder Krieg. Diejenigen, die die Bevölkerung 2014 nicht vor dem IS schützen konnten, greifen an. Es ist furchtbar und inakzeptabel.

Ein Thread zu den Hintergründen der Region:

(1/21)

Die irakische Armee greift seit gestern mit starken Einheiten, schweren Waffen und gepanzerten Fahrzeugen an. Tausende sind auf der Flucht.

(2/21)

Im August 2014 griff der IS die Stadt und Region Şengal an. Zuvor waren die eingesetzten kurdischen Peschmerga und Einheiten der irakischen. Armee geflohen und ließen die Zivilbevölkerung ungeschützt zurück.

(3/21)

Die Bevölkerung floh in das angrenzende Sinjar-Gebirge, doch Tausende von Zivilisten wurden ermordet. Tausende von Frauen und Mädchen wurden verschleppt & versklavt. Bis heute gibt es von vielen von ihnen keine Spur. Weltweit wurde von Völkermord gesprochen

(4/21)

Die einzige aktive militärische Kraft, die zu diesem Zeitpunkt eingriff, war eine Einheit der kurdischen Guerilla der PKK. Ohne sie wären wahrscheinlich noch Tausende von Menschen massakriert worden. Dieser Einheit gelang es, einen Korridor zur Flucht freizukämpfen.

(5/21)

Anschließen half die Guerilla der jesidischen Bevölkerung, eigene Selbstverteidigungseinheiten (YBŞ) aufzubauen, um sich vor weiteren Angriffen schützen zu können & nicht mehr auf falsche Sicherheitsversprechen angewiesen zu sein

(6/21)

11/2015 wurden die gesamte Region & Stadt Şengal in einer gemeinsamen Operation von YBS und PKK vom IS befreit. Auch die Peshmerga waren daran beteiligt, erklärten aber später im Fernsehen, sie hätten die Stadt allein befreit, was eine Lüge war.

(7/21)

Von da an beanspruchte die jesidische Bevölkerung das Gebiet für sich als selbstverwaltete Region unter ihrer eigenen Kontrolle, und die KDP (Peshmerga) der Familie Barzani erklärte die Region erneut zugehörig zur Autonomen Region Kurdistan.

(8/21)

Die Stadt Şengal war nach der Befreiung stark zerstört. (Foto von 11/2016) Doch nach und nach kehrten die Menschen zurück und bauten ihr Leben wieder auf.

(9/21)

Die Region blieb Teil der politischen Spannungen. Ab 2017 beanspruchte die irakische Zentralregierung die Region nach Spannungen mit der Region Kurdistan für sich. Schiitische Einheiten von al-Hashd ash-Shaʿbī, die mit dem Irakischen Staat verbunden sind, wurden präsenter
(10/21)

Von nun an waren drei Fraktionen in der Stadt/Region Şengal präsent: PKK, die Yeziden befreit und ausgebildet hatte, YBŞ (Verteidigungseinheiten), Peshmerga & irak. Regierungseinheiten.

(11/21)

In einigen Fällen wurden gemeinsame Offensiven gegen den IS durchgeführt, aber gleichzeitig gab es immer wieder Spannungen.

(12/21)

2018 zog sich die Guerilla der PKK aus Şengal zurück & erklärte ihre Mission zur Verteidigung des ezidischen Lebens sei abgeschlossen. "Die Ezidinnen können nun als organisierte Gesellschaft selbst für die Sicherheit und die Verteidigung des Şengal und der Umgebung sorgen"(13/21)

Dennoch bombardierte die türkische Luftwaffe ab 2019 zunehmend Ziele in der jesidischen Region in einer Reihe von Angriffen, die gegen das Völkerrecht verstießen und angeblich Stellungen der PKK trafen. Erdogan drohte auch offen mit einem Angriff auf die Region.

(14/21)

Angegriffen wird die Region nun erstmals durch starke Bodentruppen der irakischen Armee. Zum ersten Mal seit der Befreiung vom IS herrscht wieder Krieg. Diejenigen, die die Bevölkerung 2014 nicht vor dem IS schützen konnten, greifen an.

(15/21)

Gleichzeitig führt die Türkei schwere Angriffe auf Rojava und Gebiete der Guerilla weiter nördlich durch. Es ist davon auszugehen, dass die Angriffe mit der Türkei abgestimmt sind und darauf abzielen, die Selbstverwaltungsbemühungen der Kurden und Jesiden zu zerschlagen.

(16/21)

Die Region wird nun seit gestern erstmals von starken Bodentruppen der irakischen Armee angegriffen. Es herrscht Krieg. Diejenigen, die die Bevölkerung 2014 nicht vor dem IS schützen konnten, greifen an.

(17/20)

Auf den Vormarsch der irakischen Armee gab es bisher weltweit kaum Reaktionen. Die Angriffe sind eine Katastrophe für die Bevölkerung, Mehr als 3500 bereits geflohen. Seit Jahren wird versucht,die Gemeinschaft und die Kultur der Yeziden zu schützen und wieder aufzubauen (18/21)

Schon heute leben die meisten Yeziden aus der Region in Europa. Es droht die völlige Auslöschung der yezidischen Kultur. Die Welt hat bisher zu den Angriffen geschwiegen, was ein moralischer Tiefpunkt der Weltgemeinschaft ist.
(19/21)

Es gibt kaum Journalisten vor Ort. Am 20. April wurden zwei internationale Journalisten von der irakischen Armee in der Region verhaftet und nach Bagdad verschleppt. Marlene Förster aus Deutschland und Matej Kavčič aus Slowenien

(20/21)

Die beiden waren in der Region um über das Schicksal und das Leben der ezidischen Bevölkerung zu berichten. Jetzt wird deutlich, dass ihre Verhaftung unmittelbar mit den Angriffen mit irakischen Armee in Verbindung steht. #FreeMarleneAndMatej

(21/21)

Ergänzung 1:

Zur Stunde soll es einen Waffenstillstand geben und Gespräche zwischen irakischen Offizieren und ezidischen Kommandierenden stattfinden.