Thread by @Team_Ramenman

Vor kurzem gab es wieder ein Interview mit Daichi Kamada in einem japanischen Magazin und ich habe mal den ersten Teil für meine Mitadler übersetzt. Sehr offene Worte. Es ist lang, weswegen ich es in zwei Teilen schicke. Ich hoffe, es gefällt euch. #SGE @sagantos24 1/

Das ist der erste eines dreiteiligen Interviews mit unserem EL Gewinner, Daichi Kamada.
Warum wird seine Leistung im Europäischem Fußball so hoch bewertet? Wie ist er in der Lage, inmitten dieser vielen Spieler, die alle etwas vorzuweisen haben und sich durch gute Leistungen 2/

hervorheben, seine Präsenz zu zeigen?
Er teilt einige interessante, sowie für ihn einprägsame Momente mit uns.
Überschrift: Die Predigt des Trainers zu mir, in Anwesenheit der gesamten Mannschaft 3/

„Sag mal geht’s noch!? So können wir doch niemals ein Spiel gewinnen!“ (sinngemäß)
Obwohl wir gerade ein Spiel verloren hatten, sah es in der Umkleide so aus, als hätten wir gerade eine wilde Siegesfeier gehabt. Eine Trinkflasche, deren oberer Teil ramponiert war, weil gegen 4/

sie getreten wurde, brachte die gewesene Wut des Trainers zum Ausdruck.
Auswärtsspiel gegen Köln am 19. Februar 2022. Kamada wurde kurz vor Beginn der Nachspielzeit vom Feld geholt, obwohl er erst Mitte der zweiten Halbzeit eingewechselt worden war.
Eine vorzeitige 5/

Auswechslung nach einer späten Einwechslung…Natürlich war er zuhöchst unzufrieden in dieser Situation. Er verließ an der Coaching Zone das Feld, klatschte leicht mit dem Trainer ab und begab sich wieder auf die Bank. Auch wenn er sehr frustriert war, ein verweigerter 6/

Handschlag hätte eine (Geld-)Strafe nach sich gezogen. Er nahm es professionell.
Das Spiel endete 0:1. Beide Teams gaben sich die Hände und beglückwünschten sich zu einem guten Kampf. Kurz danach bemerkte Kamada die Blicke des Trainers und es hatte den Anschein, als wollte er 7/

ihm etwas sagen, aber Kamada wich einem Augenkontakt aus, auch um dadurch zum Ausdruck zu bringen, dass er mit der vorherigen Entscheidung des Trainers nicht einverstanden war. Trotzdem kam Glasner direkt zu Kamada und hielt eine kurze Standpauke. 8/

Zurück in der Kabine begann der Trainer dann vor versammelter Mannschaft mit seiner, an mich gerichteten Predigt. Hierbei ging es um seine Unfähigkeit, das zu tun, was das Team von ihm verlangte und seine mangelhafte Einstellung.
Noch nie zuvor war er in solch einer Schärfe 9/

und Heftigkeit geschimpft worden. Es ging dann mit dem Bus zurück nach Frankfurt und obwohl sie er spät in der Nacht ankamen, wurde die Mannschaft erneut in die Kabine zusammengerufen. „Gewinn der Euro League? Qualifikation für die Champions League? So werden wir das niemals 10/

schaffen!“
In der darauffolgenden Wutrede des Trainers nannte er erneut beispielhaft Kamada und er wurde wieder vor seinen Mannschaftskameraden streng ermahnt.
Kamada erinnert sich:
„In den letzten Spielen Hinrunde hatte ich gut für die Mannschaft gearbeitet und wir hatten 11/

zum Ende hin aus sieben Spielen 6 Siege bei einer Niederlage geholt, jedoch war ich nicht ganz einverstanden mit der Art, wie ich nach der Winterpause eingesetzt wurde. Vielleicht war ich in jenem Spiel (gegen Köln) nicht voll auf das Spiel konzentriert, und vor allem war 12/

meine Leistung nicht gut. Mir bewusst, dass der Trainer darüber sehr verärgert war, aber ......"
„Das könnte es mit meiner Fußballkarriere (hier) gewesen sein. Und ich übertreibe hierbei nicht. Genau das dachte ich.
Ich wurde in solch einer Art rundgemacht, wie nie 13/

zuvor in meinem Leben und ich meine nicht nur mein Fußballleben, sondern insgesamt. Noch nie zuvor hatte ich den Zorn eines anderen, in solch einer Weise zu spüren bekommen. Ich fragte mich: „Werde ich morgen überhaupt mit der Mannschaft trainieren dürfen?“ So sehr hatte das 14/

auf mich eingewirkt.“
Am nächsten Tag entschuldigte er sich bei seinem Trainer für seine ablehnende Haltung und gestand ein, dass seine Leistung schlecht gewesen war. Gleichzeitig teilte Kamada mit, den Prozess aus seiner Sicht mit, wie es zu solch einer Situation kommen 15/

konnte, aber auch die Gründe, warum er Zweifel an der Art und Wiese hatte, wie er eingesetzt wurde.
Daraufhin sagte der Trainer: „Ich nehme deine Entschuldigung an und ich habe auch deine Gedanken verstanden. Lassen wir den gestrigen Vorfall hinter uns.“
Durch diese Worte 16/

des Trainers war die Sache erledigt. Kamada war es schon seit seiner Juniorenzeit ein Spieler, der von sich aus das Gespräch mit dem Trainer suchte.
Hierzu eine Episode aus seinem ersten Profijahr bei Sagan Tosu, die schon häufig erzählt wurde.
Er war gerade einmal 18 17/

Jahre alt und hatte gerade mit der Schule abgeschlossen. So ging er zu seinem damaligen Trainer Morishita und fragte ihn, warum er nicht eingesetzt werde. In den Erzählungen wird er dabei häufig als mutig und verantwortungsbewusst dargestellt, jedoch ist seine eigene 18/

Wahrnehmung eine andere.
„In dieser Angelegenheit wurde mein Handeln missverstanden. Ich war nicht hingegangen, um mich über meine Nichtaufstellung zu beschweren, nur hatte ich das Gefühl, im Training gute Leistungen gezeigt zu haben, was die Leute um mich herum bestätigt 19/

hatten. Ich war auf den Trainer zugegangen, weil ich überzeugt war, dass ich dem Team auf dem Feld helfen würde.“
Kamada meint, diese Eigenschaft, direkt auf den Übungsleiter zuzugehen und ihm offen seine Gedanken mitzuteilen, sei nichts, worauf er besonders stolz ist. 20/

Vielmehr vertraue er seiner Fähigkeit, die Situation der Mannschaft objektiv , mit ausreichend Distanz, in aller Ruhe analysieren und beurteilen zu können.
„In meiner ersten Saison unter Kovac, habe ich überhaupt nicht mit ihm gesprochen. Und das lag nicht an 21/

Sprachproblemen. Wenn es darauf angekommen wäre, hätte ich einfach einen Dolmetscher bitten können. Der Grund zu dem Zeitpunkt war, ich hatte meine Leistungsstärke ganz objektiv betrachtet und kam zum Schluss, dass ich einfach nicht gut genug war.“ 22/

Überschrift: Gegen die Hertha, meine (hiesige) Fußballkarriere steht auf dem Spiel
Nachdem er nach dem Köln-Spiel vom Trainer angezählt wurde, war Kamada sich dessen bewusst, dass nun jedes weitere Spiel entscheidend für ihn war. In der Woche danach, beim Spiel gegen die 23/

Bayern wurde er erst in der 82. Minute beim Stand von 0:1 eingewechselt. Gegen sie war grundsätzlich eine defensiv kompakte Mannschaft gefragt, sodass er sich bereits auf geringe Einsatzchancen eingestellt hatte. Er dachte sich, sein Schlüsselspiel sei somit gegen Hertha. 24/

Es war ein Spiel gegen einen Gegner, der sich inmitten des Abstiegskampfs befand und deren Offensive stand immens unter Druck, Tore zu schießen, um den Verein noch zu retten. 25/ @threadreaderapp unroll