Thread by @MartinAust6

#StandWithUkraine: Warum verweigern Teile der Politik und Öffentlichkeit in Deutschland der Ukraine die Empathie - selbst im Angesicht von Russlands Angriffs- und Vernichtungskrieg? Dazu ein langer thread. 1/X.

Viele tragen dazu bei, ukrainische Perspektiven in Deutschland zu erläutern. Entschuldigung bei allen, die ich hier vergesse: @LiberaleModerne; @MarieluiseBeck; @fuecks; @DGO_Berlin; @DUHK_2020; @MSchulzewessel; @VeroWendland; @EFDavies; @hausmann_guido; @jcbehrends; 2/X

@BenjaminSchenk6; @denistrubetskoy; @Afelia; @suhrkamp. Seit dem 24.2. mache ich an Schulen, Universitäten und bei öffentlichen Abendvorträgen zur Ukraine und Russlands Krieg immer wieder die gleiche Erfahrung: ca. 95% der Fragen in der Diskussion gelten Putin und RUS. 3/X

Ich will hier keine Publikumsbeschimpfung betreiben. Es geht mir um ein strukturelles Problem: das Erbe des russischen Imperiums auch in Deutschland. 4/X

5/X.

Genauer gesagt: um die kulturelle, v.a. musikalische Dimension dieses Erbes in den deutsch-russischen Beziehungen. Das hat für mich auch einen persönlichen Aspekt. 6/X

Tschaikovsky, Stravinsky und Shostakovich haben mir vor 30 Jahren eine Brücke gebaut, vom nicht realisierten Wunsch, Musiker zu werden, in die Osteuropäische Geschichte. 7/X.

Doch hat dies einen Preis gehabt: die Unkenntnis ukrainischer sinfonischer Musik. Wenn, dann erschien ukrainische Musik im russischen Gewand. 8/X.

In Tchaikovskys sogenannter Kleinrussischer Sinfonie Nr. 2. 9/X.

Oder in der russischen Klavierschule in Form ukrainischer Lieder. 10/X.

11/X.

So etabliert russische Hochkultur in Deutschland die Vorstellung von der Ukraine als etwas, das irgendwie zu Russland gehöre. Doch das ist falsch. 12/X.

Mir wurde das noch einmal klar und deutlich bewusst, als ich mich für die Vorlesungsreihe zur UKR von @EFDavies auf die Sowjetukraine in den 1920er Jahren vorbereitete und dabei Dovzhenkos Film "Erde" (1930) schaute. 13/X.

Die Filmmusik sprach mich unmittelbar an. Das war nicht Gelegenheitsfilmmusik, das ist Musik sinfonischen Anspruchs. Und siehe da: sie stammt vom ukrainischen Komponisten Levko Revutsky. 14/X.

Wieso hatte ich von Revutsky bislang nichts gehört? Z.B. von seiner 2. Sinfonie? 15/X.

Oder von Lyatoshynsky? 16/X.

Im einzelnen werden diese Fragen Historiker beantworten können, die sich mit sowjetischer Musikgeschichte auskennen wie @BorisBelge 17/X.

Ich muss erneut in die musikalische Schule gehen und mir ukrainische Musik erschließen. 18/X.

Den Anfang machen ukrainische Volkslieder, die ich auf der Trompete eingespielt habe. Aufgenommen auf dem smartphone. Niemand ist im Konzert dem Schallbecher der Trompete so nahe wie hier das Smartphone. 1/3 Volume beim Abspielen reicht völlig. 19/X.

Die Lieder erzählen...
.... vom Abschied vom Dorf und der Ukraine 20/X.

...von Pferden am Fluss 21/X.

... von einem Bach. 22/X.

... und vom Kirschgarten. 23/X.

Es ist höchste Zeit, die ukrainische Kultur in Deutschland bekannter zu machen. Das ist eine langfristige, strukturelle Aufgabe, die starke Beiträge braucht. 24/X.

Unter Kirill Petrenko haben @BerlinPhil schon viel vergessene Musik zu neuem Leben erweckt. Warum nicht auch die ukrainische Sinfonik? @BundesKultur bitte fördern sie das. 25/X