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Jun 30 17 tweets 3 min read
Ich bin hier in der Klinik nicht als nicht-binär geoutet, werde also als Mann wahrgenommen, was wiederum dazu führt, dass Männer sich "unter Männern" fühlen, wenn ich dabei stehe und sich entsprechend verhalten bzw. ich als "unmännlich" gesehen werde.

Eine kleine Sammlung:
Zwei Patienten, die sich die Namen der Pfleger*innen nicht gut merken können, beschreiben manche Pflegerinnen an Hand ihrer Oberweite bzw. des Hinterns.

Ein Mitpatient fragte mich, wessen Wäsche ich waschen würde und sagte als ich "meine" antwortete, dass "echte Männer"
doch kein Pink, Lila oder Rosa tragen.

Ein Mitpatient fragte mich neulich, wie hier denn trans Patient*innen auf die Zimmer aufgeteilt werden würden und dass es ja schon komisch sei, mit einer trans Person auf einem Zimmer zu sein.

Mir wurde von einem Mitpatienten gesagt,
dass er es "total unmännlich" findet, wenn Männer sich Arme und/oder Beine rasieren und das für ihn was für "Schwuchteln" sei.

Ein Mitpatient fragte andere Patienten, ob sie es nicht "irgendwie unangenehm" finden, dass man nicht wisse, ob der Zimmermitbewohner homosexuell
ist.

Ein Mitpatient fragte mich nach den ersten 10 Minuten Gespräch, ob ich eigentlich schwul sei, da ich mir ja die Nägel lackiere und "richtige Männer" das nicht tun würden.

Nachdem sich eine Patientin der Nebenstation als trans geoutet hat, wurde von manchen Mitpatienten
spekuliert, dass "er das bestimmt nur aus Spaß macht", weil "sowas ja nicht normal sei" und daher nicht ernst gemeint sein könnte.

Mehrere Mitpatienten bezeichnen Polizistinnen als "geiles Gerät, von dem ich mich auch gerne fixieren lassen würde". Das ist nicht nur
sexistische Scheiße, sondern verharmlost auch die brutale Vorgehensweise, die bei solchen Fixierungen oftmals seitens der Polizei ausgeübt wird.

Viele Mitpatienten ziehen laufend über nicht normschlanke Mitpatientinnen her und bezeichnen sie als "fetten Brummer" oder
"Kollos" oder nutzen andere abwertende Bezeichnungen.

In einem Gespräch über die Förderung von Frauen in der Wissenschaft sagte ein Mitpatient, es bräuchte mal eine starke Männerbewegung, um dem Feminismus an den Unis zu bekämpfen.

Ein Mitpatient fragte mich, ob ich meine
Regenbogen-Kette einfach wegen der Farben so gestaltet habe oder wegen "diesem LGBTQ-Scheiß".

Während eines Gesprächs über moderne Familienmodelle sagte ein Mitpatient, dass es einen "politischen Kampf" gegen die klassische Familie gäbe und Frauen von ihrer eigentlichen
Tätigkeit im Haushalt weggeführt werden sollen und so die Kinder in den "KiTas verwahrlosen" und die Bindung zur Mutter gestört werde.

Ein Mitpatient, der bei der Polizei nicht genommen wurde und dann zur Bundeswehr gegangen ist, kritisierte, dass es Frauen bei der Bundeswehr
gibt, denn "die seien dafür nicht gemacht!".

Angesprochen auf seine sexistischen Sprüche sagte mir ein Mitpatient, er würde das ja "nur unter Männern sagen" und er hätte halt einen "derben Humor".

Ein Mitpatient einer Nebenstation hat bei einem Spaziergang am Abend
versucht eine Mitpatientin zu küssen und hat ihr am Tag danach draußen auf der Wiese ungefragt im Liegen den Arm um den Bauch gelegt und an sich gezogen.

Als ich vor einer Gruppensitzung mit überschlagenen Beinen auf dem Stuhl saß, wurde mir gesagt, das sehe "tuckig" aus
und dass er (der Mitpatient) mit seinen "dicken Eiern" gar nicht so sitzen könne.

Ein Mitpatient sagte im Gespräch über Geschlechtsidentitäten und trans Personen, dass er es falsch findet, dass "Männer dann in Frauenumkleiden" dürften und "solche Menschen" ebenso wie
"die, die sich nicht entscheiden könnten" besser "hierher" kommen sollten (hierher = Psychiatrie).

Die meisten der genannten Beispiele stammen von Mitpatienten unter 30, und die vielen stumpfen Aussagen nebenbei über Frauen oder trans Personen sind hierbei gar nicht
aufgeführt. Wir sind weit von einer offenen und freien Gesellschaft entfernt. Aus eben diesen Gründen können sich trans Personen eigentlich nie wirklich sicher fühlen, denn solche Positionen sind so tief in der Gesellschaft verankert, dass man überall dort, wo man mit
bislang für einen selbst unbekannten Personen Kontakt hat, Angst vor Anfeindungen, Diskriminierung, Beleidigungen oder sogar Gewalt haben muss. Und von jenen, die diese Positionen nicht selbst reproduzieren, halten die meisten den Mund, wenn solche oder ähnliche Positionen ver-
treten werden, sagen dann aber "soll doch jeder leben wie er will".

Das würden wir gerne, es muss sich nur noch eine Menge dafür ändern, dass wir alle überall ohne Angst und Sorge wir selbst sein können.

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