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Jul 17 82 tweets 13 min read
#FrancoA

Würde ich all das glauben, wäre gar überzeugt davon, hätte ich noch die Forderung der Staatsanwaltschaft für zu milde erachtet.
Nach dem Einstieg der Staatsanwältin in das Schlusswort, welches ich noch selbst im Gericht erleben konnte und die darauffolgenden Ausführungen, die ich nur bruchstückhaft aus unterschiedlichen online Artikeln herauslesen konnte, kamen mir 6 Jahre und 3 Monate mehr als milde vor.
Ich war überrascht, fast erleichtert. Als Betroffene und Mutter dreier Kinder, die auf ihren Papa warten, rechnet man dann. Was bedeuten 75 Monate in der Realität - 2/3-Antrag, 12 Monate in U-Haft usw. entsprechen ungefähr 3 Jahren in Haft.
Vorausgesetzt, dass das alles so bewilligt wird. 3 Jahre. Das ist das Maximum dessen, was ich als ertragbar erachtet habe und der schlimmste aller möglichen Ausgänge - eine Verurteilung nach 89a. Dann ist es offiziell. Wem will man dann noch etwas anderes erzählen?
Was bedeutet es, mit dem Urteil zu leben(, auch für die, die bisher zu Franco gehalten haben)? Mit einem Urteil, das nicht gerecht wäre. Leben mit drei Kindern ohne Vater, der nicht da sein kann, weil er für etwas sitzt, das er nicht getan hat.
Ich erinnere mich daran, wie sehr mich der Gedanke an solch eine Situation vor 2017 belastet hätte. Ich wäre wahnsinnig geworden vor dem Gefühl von Ohnmacht und Ungerechtigkeit. Die letzten 5 Jahre haben viel verändert.
Das erste gekündigte Bankkonto hat mich noch Wochen verfolgt. Gestern früh war es dann wieder so weit. Ohne Angabe von Gründen ist das Konto weg. Sie hätten sich ja wenigstens Zeit lassen können bis zur Verurteilung, denke ich mir.
Aber vielleicht sitzen ja auch Hellsehende bei der Compliance Abteilung der Deutschen Bank. Ich frage mich zwar trotzdem, was selbst eine Verurteilung mit mir zu tun hätte...
...aber gut, ich würde mich wahrscheinlich auch nicht wohl dabei fühlen auch nur möglicherweise das Geld von Terroristen zu verwalten. Außerdem war ich ja eh ungerne Kundin dort. Mit einem kriminellen Mann an der Seite braucht man immerhin nicht auch noch eine kriminelle Bank.
Irgendwo habe schließlich auch ich meine Grenzen. Unsere Trennung beruht also auf Gegenseitigkeit, versuche ich mir das Ganze scherzhaft schön zu reden. Abends denke ich schon gar nicht mehr daran.
Die Spuren der letzten Hausdurchsuchung waren nur materiell aufwendig zu beseitigen (eingeschlag. Scheiben, aufgebroch. Schlösser usw.). Viel Emotion war da nicht mehr. Bei der vorletzten Durchsuchung als ich mit unserer ersten Tochter im Wochenbett lag, war das noch anders.
Ich wäre allabendlich fast umgekommen vor Ärger und Wut. Habe mich seelisch missbraucht gefühlt, weil das Innerste von Fremden nach außen getragen wurde - schon wieder, weil man stillschweigend daneben sitzen muss, obwohl man am liebsten schreien würde, ...
...weil man Rechte verliert, die man immer für selbstverständlich, für unentreißbar gehalten hat. Weil man weiß, dass dieser Vorgang (auch offiziell) nicht rechtens sein kann, so wie bei den Durchsuchungen davor.
Man sitzt da und lässt es über sich ergehen, wehren kann man sich ja doch nicht. Habe trotzdem versucht Verantwortliche ausfindig zu machen und mir in Dauerschleife vorgestellt, was ich ihnen sagen würde. Angerufen habe ich keinen.
Dann ist es soweit. Ich sitze im Gericht zur Urteilsverkündung. Schräg vor mir @MarieLuiseSchwe Ich lese ungeniert ihre Notizen. So ungeniert wie Marie auf ihrem Twitter-Account über mich urteilt. So ungeniert wie diejenigen, ...
...die am Ende der Sitzung im Zuschauerraum verbleiben, um Franco und uns zu beobachten. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr Positives kann ich diesem Verhalten abgewinnen. Vielleicht eine Handvoll Menschen, die sich auch für die Emotion, das Innenleben interessiert.
Vielleicht ein Moment, in dem man nicht mehr nur Objekt ist, sondern auch Mensch. Ich an ihrer Stelle wäre wahrscheinlich gegangen, auch wenn ich ebenso neugierig gewesen wäre. Verübeln tue ich es keinem.
Marie schreibt, dass sie nervös sei. Ich bin es auch. Ein Glück denke ich, dass ich nicht alleine damit bin. Alle sind es ein wenig. Das spürt man. Für Marie und die meisten anderen in diesem Raum geht gleich ein sehnlicher Wunsch in Erfüllung.
Für mich wird das Worst-Case-Szenario Wirklichkeit. Knapp 1,5 Meter trennen Marie und mich. 1,5 Meter zwischen Welten, die Lichtjahre von einander entfernt sind. Ich lese weiter. Sie schildert ihre Sitzposition. Unsere Namen kürzt sie ab. ST, HA usw. Dann stolpere ich - MF.
Ich blicke auf die Plätze links neben ihr. Frau mittleren Alters, junger Mann und zwei Herren mittleren Alters. Wenn das Matthias F. sein soll, hätte Francos Mutter ihn dann nicht erkannt? Ich frage sie, sie weiß es nicht. Sie hat ihn das letzte Mal als Jugendlichen gesehen.
Ich kenne ihn nur von einem einzigen Bild - schmales, langes Gesicht, Brille. Keine Ähnlichkeit mit dem Mann, der dort sitzt. Ich tippe Maries Sitznachbarin an. Sie sitzt direkt vor mir. Ich frage sie und niemand anderes, weil ich erwarten kann, dass sie mir freundlich antwortet.
So wie sie es auch bei der Sitzung davor getan hat. Auch wenn es mir selten anders passiert ist, ist das für mich keine Selbstverständlichkeit. Sie bestätigt meine Vermutung. Mir fällt es schwer die Intention seiner Präsenz zu ergründen.
Soll das eine Art Beistand oder Schaulustigkeit sein? Rechnet er damit, dass Franco nicht schuldig gesprochen wird? Möchte er diesen Moment, sollte er eintreten, auskosten? Ich habe keine Ahnung.
Erst als auch er den Zuschauerraum nach Ende der Sitzung nicht sofort verlässt - vielleicht unsicher ist, ob er uns ansprechen soll - erscheint mir ersteres am wahrscheinlichsten. Als wir gehen, ist er schon weg. Wahrscheinlich besser so.
Da sitze ich also. Maries Notizen kann ich nicht mehr lesen. Ihre Sitznachbarin versperrt mir die Sicht auf ihr Buch. Ich werde immer nervöser. Reibe meine Hände hin und her. Dann endlich geht es los. Ich höre das Urteil stehend. Kein innerlicher Aufschrei. Nichts.
Ich beginne zu rechnen. Das etwas nicht stimmt, merke ich erst nachdem ich zum 10ten Mal innerlich „2/3 von 66 Monaten“ wiederhole. Kann mich nicht konzentrieren. Bin für einen kurzen Moment fassungslos und rechne dann weiter. Wenn wir Glück haben, sind es etwas mehr als 2 Jahre.
Dabei weiß ich nicht, ob das Jahr in Untersuchungshaft nun wirklich angerechnet wird. Dann sind es eben 3. Darauf hatte ich mich ja eh schon eingestellt. Alles also im grünen Bereich.
Ich starre trotzdem eine Weile ins Leere gen Boden als wir uns wieder setzten dürfen. Vermag den Blick nicht zu heben. Frage mich, ob ich es im Laufe der Sitzung noch einmal schaffen werde aufzuschauen. Was mich am Ende dazu bewogen hat, weiß ich nicht mehr.
Vielleicht wollte ich Francos Reaktion sehen, vielleicht weil ich jedem und jeder einzelnen der Richter und Richterinnen einmal verständnislos ins Gesicht blicken wollte. Auch wenn ich für das Urteil gar nicht so wenig Verständnis habe. Wenn man will, kann man das alles so sehen.
Wie ein Puzzle, dessen Teile fast perfekt zusammenpassen und doch kein Bild ergeben. Dass die RichterInnen tatsächlich ein klares Bild gesehen haben, kaufe ich ihnen nicht ab.
Franco hat jedoch leider herzlich wenig dazu beigetragen, es als außenstehende Person, der vielleicht ohnehin ein bestimmtes Urteil lieb wäre, nicht so sehen zu wollen. Ich erinnere mich daran, als ich zum ersten Mal die Memo-Transskripte gelesen habe. Es ist Ende 2019.
Ich rate ihm davon ab auch nur irgendetwas davon erklären zu wollen. Ich kann verstehen, dass er sich rechtfertigen möchte, dass er anders verstanden werden möchte. Weil es eben auch nur ein Teil von ihm ist, der da spricht.
Vielleicht fehlt da auch das Eingeständnis, dass er die Dinge auch mal anders gesehen hat. Extremer, verbohrter - auf eine Art und Weise ausgedrückt, bei der sich in einem als Hörer und Leser alles zusammenzieht.
Dass ihm das schon während der Aufnahmen bewusst ist, wird deutlich, wenn er zu Beginn der Memos festhält „Ich möchte nicht einmal, das mein bester Freund mir jetzt zuhört.“ Im Verlauf der Zeit bis zum Beginn des Prozesses wird er sich das eingestehen.
Öffentlich von sich selbst distanzieren wird er sich trotzdem nicht. Das entspricht nicht seinen Idealen. Niemand sollte sich von sich selbst distanzieren müssen, jeder darf alles denken und auch wieder verwerfen.
Gerade wenn es in einem so privaten Bereich, wie Tagebüchern und ähnlichem geschieht. Ich kann diesen Punkt nachvollziehen, halte ihn sogar für richtig und dennoch als irrelevant für den Prozess.
Ich gehe nicht davon aus, dass dort jemand sitzen wird, den dieser Punkt beim Vorwurf des Rassismus und Antisemitismus interessieren wird. Entweder distanzierst du dich oder du sagst gar nichts. Er bleibt dabei, richtig distanzieren will er sich nicht.
Auch weil er Angst hat, es würde ihm falsch ausgelegt werden. So, dass ihm später vor Gericht ein Strick daraus gedreht werden könnte. Dass ein Erklärenwollen, das bisweilen wie ein völlig undifferenziertes Relativierenwollen vorgetragen wird, ...
... viel eher für dieses Strick geeignet ist, will er nicht wahrhaben. Jetzt weiß er es. Er hat es probiert. Hat seine Maßstäbe an eine Welt angelegt, die nach völlig anderen funktioniert. Ein wiederkehrendes Motiv, dass sich wie ein roter Faden durch sein Leben zieht.
Zum Urteil gehört also ein Wollen dazu. So klar, wie es der Vorsitzende gezeichnet hat, ist das Bild eben nicht. Viel eher ergibt sich aus dem fehlerhaft zusammengesetzen Puzzle eine Art Rorschach und jeder und jede möge darin sehen, was er oder sie darin sehen möchte.
Setzt man es richtig zusammen, ergeben sich viele einzelne Bilder, die voneinander nicht immer aber häufig unabhängig sind. Voll von Zufällen, voll von Inkonsistenzen und schädlichen äußeren Einflüssen, voll von Handlungen fernab der Norm.
Um dieses Bild verstehen zu können, muss man Franco kennen. Alles von dem, was der Richter in seiner Urteilsbegründung als unglaubhaft oder unlogisch gewertet hat, entspricht in der Realität der Wahrheit. Entspricht der Person „Franco“.
Ähnlich wie @ARamelsberger habe auch ich mir des Öfteren die Verfilmung dieses Falls vorgestellt. Ich würde mit einem Ereignis beginnen, das wenig mit dem Fall Franco A. zutun hat. Und vielleicht trotzdem Sinnbild ist.
Ein Ereignis, das ganz am Anfang unserer Beziehung steht. Und an dessen Ende tatsächlich jemand sein Leben verliert. Es ist unser erstes Treffen. Es beginnt am Palmengarten und endet auf der Aussichtsplattform der Helaba-Bank in Frankfurt.
Wir sind schon eine Weile dort. Wollten schon längst gegangen sein. Es dämmert langsam. Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich bereits den kompletten Abriss hinter mir - Alias um Frauen aufzureißen, Skandal um die Masterarbeit (ohne detaillierte Inhaltsangabe) etc.
Und da ist er. An dieser Stelle würde ich beginnen. Er steht ruhig neben uns. Nur ein paar Augenblicke später sind seine Fingerspitzen das letzte, was wir von ihm sehen. Dann lässt er los. Der Aufprall folgt. Ein lauter und zwei leise. Erst sein Körper, dann die Schuhe.
Als wir unten ankommen, ist sein Körper bereits mit einem dunkelblauen Tuch abgedeckt. Seine Schuhe liegen unweit davon entfernt. Wir gehen ohne Zögern daran vorbei - stillschweigend jeder mit sich beschäftigt an einen anderen Ort.
Ob ich wirklich das Leid eines anderen instrumentalisieren würde, ich weiß es nicht. Doch ich denke oft daran zurück, denke oft an diesen Anfang vom Ende. So wie jetzt auch in diesem Saal. Da sind wir also. Da ist das Ende.
Franco ist am Fuße des Turms angekommen. Er ist an den Rand geklettert und ich habe ihn geschubst. Ich wünsche mir einmal mehr, ich hätte nicht nach Wien gemusst. Wünsche mir einmal mehr, ich hätte ihn nicht dazu überredet mitzukommen, ...
...hätte ihn am Sonntagmorgen nicht dazu überredet zurück zu fliegen statt mit der Bahn zu fahren. Für was? Für ein paar Stunden mehr. Ein paar Stunden, die keine 5,5 Jahre wett machen. Ich kann mich nicht einmal mehr an sie erinnern. Ich hoffe, dass sie wenigstens schön waren...
...und weiß doch, dass das unwahrscheinlich ist. Besonders sicher oder harmonisch gebunden waren wir zu diesem Zeitpunkt nicht. Vielleicht haben wir uns sogar gestritten. Ausschließen kann ich das nicht.
Ich weiß, dass ich für keine seiner Fehlentscheidungen und naiven bisweilen blödsinnigen Handlungen verantwortlich bin und doch sitze ich da und fühle mich schuldig. Auch wenn das nun nahe liegt, ist das nicht der Grund, warum unsere Beziehung immer noch Bestand hat.
Bis zu unserem Wiedersehen im Spätherbst 2017 war ich mir sicher, dass ich nie wieder mit Franco zusammen sein können werde ohne dass sich ein Gefühl von Angst, Scham und Ohnmacht einstellen würde. Ein Gefühl, das mich 2017 fast permanent begleitet hat.
Am Ende entscheide ich mich doch für diesen Weg. Ich bin überzeugt, dass es der Richtige ist. Wie könnte ich vor mir bestehen, würde ich einen Menschen in seiner dunkelsten Stunde alleine lassen auch und gerade da ich die Wahrheit kenne.
Ich weiß, dass das kein einfacher Weg werden wird. Weiß, dass vieles, was ich mir für mein Leben gewünscht habe, auf der Stecke bleiben wird. Mit dieser Entscheidung haben sich unzählige Türen geschlossen und trotzdem, würde ich mich immer wieder so entscheiden.
Zurück zum Film. Nach diesem Ereignis würde Francos Verhaftung in Hammelburg folgen. Danach Ereignis für Ereignis im Rückwärtsgang bis wir wieder auf dem Tower stehen. Der Körper des jungen Mannes löst sich vom Boden. Sein Sturz im Rückwärtsgang bis er wieder neben uns steht.
Vielleicht nehme ich seine Hand, vielleicht quatscht Franco ihn an. Irgendwas, das ihn für den Moment davon abhält seinem Leben ein Ende zu setzten. Jedes, der dazwischenliegenden Ereignisse würde so gezeigt und dargestellt, ...
... wie es sich diejenigen vorstellen, die an die Planung eines Attentates glauben. Konspirativ, vor Spannung überlaufend bis die ebenso banale wir teilweise völlig irre Auflösung folgt. Was bleiben würde, wäre auf der einen Seite vielleicht Verständnis...
...und auf der anderen ein Kopfschütteln, ein an den Kopffassen. „Was für ein Idiot“ - mehr nicht.
Und ja, das wäre es auch gewesen, was ich mir für das Urteil gewünscht hätte.
Ich habe fast schon gehofft, dass Herr Dr. Koller ihm ähnlich, wie er es getan hat, die Meinung geigt. Ihm seine Worte vorhält bis er vor Scham am liebsten im Boden versinken würde. Dass das gesellschaftliche Korrektiv noch einmal seine Hand anlegt.
Mir wäre es recht gewesen, hätte er ihn als Spinner bezeichnet, sich über ihn lustig gemacht, wenn er ihn nur vorher nicht schuldig gesprochen hätte. Man möge über Franco denken, was man wolle. Man möge seine Gedanken und Worte verurteilen - geschenkt.
Ein vereitelter Attentäter ist er deswegen trotzdem nicht, auch wenn alles so schön zu passen scheint - wenn man denn nur will.
Die Sitzung endet. Natürlich gibt es nichts, was ich nun lieber tun würde als mit Franco zu sprechen.
Ich bin froh, dass der zuständige Beamte es kurz zulässt. Denke ich an diese Menschlichkeiten bin ich oft den Tränen nahe. Ob es die Sachbearbeiterin der Familienkasse ist, die mir trotz des Wissens um den Fall herzlich und verständnisvoll hilft.
Als sie gestern unser Gespräch mit den Worten „Wir schaffen das dann schon gemeinsam.“ schließt, hätte ich fast nicht mehr an mich halten können. Oder ob es anteilnehmende Briefe sind - von Menschen, die dafür eigentlich keinen Grund haben.
Da stehen wir also am Ende einer Zeit, die wir trotz allem beide niemals ungeschehen machen würden. Wir haben viel gelernt. Über Journalismus und seine unsichtbaren, meist unbewussten und ungewollten Abhängigkeiten. Über politische Strukturen und Vorgänge.
Über ermittelnde Behörden, ihre Befugnisse und was sie sich darüber hinaus rausnehmen dürfen und auch nicht dürfen. Über die Unabhängigkeit von Gerichten und äußeren Einflüssen. Darüber wie es sich anfühlt aus sozialen Gemeinschaften ausgeschlossen zu werden...
...und Menschen an unserer Seite zu wissen, die trotz allem da bleiben. Und vor allem über uns. Haben uns zusammengeruckelt und uns auch in dieser schweren Zeit für eine Familie entschieden. Weil wir nie haben wissen können, was als nächstes geschieht.
Weil wir unsere Lebensplanung nicht von einem künstlich erschaffenen Konstrukt abhängig machen wollten.
Zurück im Saal. Franco erkennt mich erst als er seine Brille aufsetzt, während der Sitzung muss er so gut wie blind gewesen sein. Dass ich da bin, wusste er nicht. Eigentlich hätte ich mit den Kindern immer noch im Urlaub sein müssen. Die Nacht zuvor bin ich zurückgekommen.
Ich hätte nicht abschließen können, wäre ich nicht dabei gewesen. Er stellt also fest, dass ich gar nicht mehr im Urlaub bin. Es ist nicht viel, was wir uns ansonsten mitteilen. Ein betroffenes Schulterzucken und ein „Wir schaffen das.“ meinerseits.
Erst als ich gehe, wird mir bewusst wie aberwitzig es ist, diese Worte gewählt zu haben. Nun denn, man möge darüber streiten, wie gut oder schlecht wir die sogenannte Flüchtlingskrise 2015 gemeistert haben, überwunden scheint sie dennoch. Vielleicht diesmal ein gutes Omen.
Als ich die Räumlichkeiten des Saals verlasse, sehe ich Herr Behr von der FR und @DanijelMajic Ich hatte bereits zuvor häufig darüber nachgedacht ersteren auf seine wirklich amüsanten Artikel anzusprechen, wenige Tage zuvor sogar eine Mail mit dem Betreff...
„Fanpost // Franco A.“ angefangen, nachdem ich beim Lesen seiner Artikel bei all der Schwere und in der Essenz ganz und gar nicht witzigen Inhalten kaum noch aus dem Lachen gekommen war. Ich verpacke das in zwei, drei Worte und bedanke mich bei Herrn Majić ...
... für seine sehr sachlichen und weitestgehend neutralen oder vielleicht vielmehr ungefärbten und wenig tendenziösen Berichte. Das ist schon eine Wohltat bei all den Verzerrungen und Verrenkungen der anderen Blätter -
- zwar meist im Bereich der Wahrheit, aber nur selten mit dem wahrhaftigen Anstrich. Von Auslassungen entlastender Moment und gut platzierten Lügen ganz zu schweigen. Gefasst gehe ich zum Parkhaus.
Weinen werde ich erst, wenn ich Stunden später im Auto sitze und eine Sprachnachricht aufnehme. Sie geht an einen Parteifreund, der mich wie kein anderer durch diese Zeit trägt. Was mich zum Weinen bringt, ist nicht das Urteil. Ich weine, weil da nichts mehr ist.
Kein Gefühl der Ohnmacht und keines von Ungerechtigkeit.
————
Ich lasse in diesem Text Francos Verhalten in 2015-17 und vor Gericht, seine Gesinnung und das Leid derer, die sich bedroht gefühlt haben fast gänzlich aus. Dieser Text spiegelt lediglich einen Moment und auch nur einzelne Facetten dieses Momentes wieder.
Vielleicht könnte man sagen, der Moment des Betroffenen, dem es wohl recht geschehen muss. Verständlicherweise wird diesem gerade bei so einem Sachverhalt kein Raum gegeben. Wäre der Sachverhalt jedoch anders und gäbe es eine Ungerechtigkeit, ...
...würde ich mich ganz selbstverständlich wehren. Ich habe das bisher sehr selten gemacht - aus Angst. Angst vor langfristigen Konsequenzen. Angst davor mich öffentlich mit jemandem gemein zu machen, mit dem man sich aus der Außenperspektive nicht gemein machen sollte, ...
...meint man von sich zumindest ein wenig Anstand und Moral im Inneren zu tragen.
Dieser Text erhebt keinen Anspruch auf die Abwesenheit von Inkonsistenzen oder Fehlern.

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