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Jul 27 33 tweets 9 min read
Der @tagesspiegel schreibt über das Versprechen von @dwenteignen, dass nach #Vergesellschaftung die Mieten sinken würden. CDU und FDP springen gerne auf, werfen der Kampagne lügen vor.

Ein paar Gedanken dazu. Als Thread 🧵

m.tagesspiegel.de/berlin/die-ans…

(1/33)
Worum geht es:
In einer öffentlichen Anhörung der #Expertenkomission im Mai, thematisierte @TaheriRouzbeh die hohen Gewinnausschüttungen der Immobilien-AGs. Harald Simons von der wirtschaftsnahen Empirica hielt dagegen, dass es in den Durchschnittsmieten kaum Marge gebe. (2/33)
Diese liegen laut Tagesspiegel in Wohnungen der Deutsche Wohnen bei 7,10€/qm, in den landeseigenen Wohnungen bei 6,30€/qm. Es gäbe also keinen Spielraum für Mietsenkungen. Genau das habe #DWE aber versprochen. Sogar eine Absenkung auf unter 4€
(3/33)

Der hohe Gewinn der Deutschen Wohnen und die dadurch hohen Dividenden, käme im wesentlichen von den steigenden Immobilienpreisen. Der Bestand der DWE gewinne an Wert, wodurch das Unternehmen auf dem Papier mehr Vermögen hat als vorher. Ein sog. Bilanzgewinn.

(4/33)
Dann schauen wir mal:

Tatsächlich sind die durchschnittlichen Vertragsmieten bei der Deutschen Wohnung nur unwesentlich höher, als bei den Landeseigenen. Das hat auch #DWE nie bestritten. Hoch sind die Angebotsmieten, die bei Neuvermietung verlangte Preise.

(5/33)
Diese betragen bei der Deutsche Wohnen am Stadtrand über 14€/qm, in der Innenstadt noch mehr. Wichtig dabei: Die börsennotierten Immobilienkonzerne in Deutschland haben ihren Ursprung in Private-Equity-Fonds, die in großem Stil Wohnungsbestände aufgekauft haben.

(6/33)
Das erklärt auch, weshalb weder DW, noch ein anderes Unternehmen im Fokus von @dwenteignen, jemals signifikant neue Wohnungen in Berlin geschaffen hat. DW hat erst hat 2020 den Entwickler Isaria für 600 Mil. Euro gekauft und seitdem überhaupt einige Projekte im Portfolio.

(7/33)
Die hohen Angebotsmieten werden also nicht gebraucht um einen (tatsächlich sehr teuren) Neubau zu finanzieren. Die hohe Miete wird genommen, weil man es kann. Die Differenz zwischen gezahlter Miete und erzielbarer Miete, die sog. Ertragslücke wird geschlossen.

(8/33)
Exakt dass ist das Geschäftsmodell von börsennotierten Immobilienunternehmen. Bestände in großem Stil kaufen, alles tun damit die Wohnung auf dem Papier möglichst viel wert werden. Teuer weitervermieten. Ggf. saniert man hier und da ein bisschen, Mietpreisbremse und so.

(9/33)
Der Bilanzgewinn mag rein fiktiv sein, die ausgezahlte Dividende ist es nicht. Das Geld muss irgendwoher kommen. Entweder aus Krediten oder aus dden laufenden Mieteinnahmen. Das wird angesichts der steigenden Zinsen jetzt richtig spannend, denn Kredite...

(10/33)
... sitzen nicht mehr ganz so locker wie zuvor. Das Geschäftsmodell birgt enormen Druck die Mieten zu steigern oder zu sparen, wo es nur geht. DW z.B. vernachlässigt systematisch Instandhaltung, im Winter fällt gerne mal die Heizung für komplette Häuserblocks aus.

(11/33)
Hohe Angebotsmieten betreffen Menschen die aus Kiezen verdrängt wurden, bei Mama/Papa ausziehen, die Nachwuchs erwarten, aufgrund von Unfall oder Krankheit eine neue bleibe benötigen, usw.

Mehr als 50% des Einkommens für Miete ist bei jungen Menschen keine Seltenheit.

(12/33)
Wer dagegen schon einen Mietvertrag hat, bleibt in seiner Wohnungen. Auch wenn Größe und Ausstattung völlig am Bedarf vorbeigehen. Berlin befindet sich in einem Umzugsstreik.

Die vergesellschaften Bestände in eine AdöR auszulagern ist u. a. deshalb so clever, weil ...

(13/33)
...diese Körperschaft dann nur Bestandsimmobilien verwalten würde. Anders als bei den Landeseigenen, müsste kein Neubau "querfinanziert" werden. Den hohen Angebotsmieten könnte etwas günstiges entgegen gesetzt werden. Damit wäre schon viel geschafft.

(14/33)
Den eines wird in der Anhörung auf jeden Fall klar: Der Mangel an bezahlbaren Wohnraum lässt sich nur im Bestand lösen. Neubau ist teuer und lässt sich derzeit ohnehin nur durch massivste Subvention überhaupt bezahlbar machen. Wer wenig verdient braucht diese Wohnungen.

(15/33)
Die Menschen in schlecht bezahlten Jobs mit miesen Arbeitsbedingungen, sind übrigens genau diejenigen, die Berlin noch irgendwie am funktionieren halten.

Zurück zum Tagesspiegel und der am Anfang zitierten Aussage mit knapp 4€/qm in den vergesellschaften Beständen:

(16/33)
Liest man den Satz, so heißt es dort "soll". Nicht "wird". Hintergrund ist das Versprechen, dass die #Vergesellschaftung komplett aus Mieteinnahmen refinanziert werden könnten. Dafür ist die Höhe der Entschädigung entscheidend. Auf diese bezieht sich auch der Absatz.

(17/33)
#DWE nennt ihren Vorschlag "Faire-Mieten-Modell". Die Entschädigungshöhe wird vom Ergebnis her gedacht und so berechnet, dass die Miete auch für sehr niedrige Einkommen im bezahlbaren Bereich bliebe. Während der Unterschriftensammlung gab es sogar einen Rechner...

(18/33)
... bei dem mit verschiedenen Annahmen über Zinssätze und Miethöhen experimentiert werden konnte. Wenn die Zahl jetzt "korrigert" wurde (weil mehr Einkommen zu Verfügung steht), so ist das in diesem Modell völlig konsistent und kein Grund zur öffentlichen Aufregung.

(19/33)
Ist diese Art die Entschädigung zu berechen zulässig? Kann sein, kann nicht sein. Niemand weiß es. Art. 15 GG ist Neuland. Es gibt aber durchaus Argumente dafür, zielt der Artikel doch u.a. auf die wirtschaftliche Neuorganisation bestimmter Wirtschaftssektoren ab.

(20/33)
Genau das könnte die #Vergesellschaftung leisten.
Bestände dem Markt und seinem Renditedruck entziehen und stattdessen dediziert zur sozialen Sicherung von Wohnraum für diejenigen die ohnehin nicht viel haben nutzen. Wohnen ist Grundvoraussetzung für ein würdiges Leben.

(21/33)
Die getroffenen Annahmen über Kredite und Verzinsungen dürften inzwischen überholt sein. Da kann man aber keinen Vorwurf draus machen.

Im Gegenteil, eigentlich zeigt es die ganze Tragik des vergangenen Jahrzehnts auf.

(22/33)
Nie dagewesene, finanzieller Möglichkeiten für den Staat, sich fit für die Zukunft zu machen. Stattdessen lebte man von Substanz, klammerte sich an schwarzer Null und Schuldenbremse fest.

Keine Investitionen in Klimaschutz und keine zur Lösung der sozialen Frage.

(23/33)
Anstatt sozialen Problemen mit einem gemeinwohlorientierten Wohnungsmarkt begegnen zu können, sinkt die Zahl der Sozialwohnungen stetig.

Das der Konflikt angesichts von Preissteigerungen im Herbst eskalieren könnte, ist nicht unwahrscheinlich. Die Rechte vorbereitet.

(24/33)
Der häufige Ruf nach einem höheren Wohngeld, löst das Problem im übrigen auch nicht. Im Gegenteil, es verstärkt es langfristig sogar. Durch indirekte Subventionierung des Wohnungsmarktes und verschiebt sich die Grenze des "bezahlbaren" künstlich weiter nach oben.

(25/33)
In dem zuvor genannten Rechner wurden auch Instandhaltungskosten berücksichtigt,

Zum letzten Vorwurf, @dwenteignen habe geäußert, dass die Mieten insgesamt sinken könnten: Es gibt durchaus Szenarien in denen das vorstellbar ist.

(26/33)
Beispielsweise dann, wenn das häufig propagierte "Schreckenszenario" abgeschreckter Investoren einträte. Wenn bei einer damit einhergehenden Änderung der Eigentumsstruktur die Kaufpreise fallen würden und neue Eigentümer*innen gemeinwohlorientierte Interessen verfolgten.

(27/33)
Ist das sicher? Nein. Aber möglich ist es, es gibt viele kluge und weitaus besser ausformulierte Argumente, als ich in diesem Thread darstellen kann.

Das CDU und FDP sich besonders aufregen ist witzig, haben sie doch mit der schwarz-gelben Wohnungsmarktreform...

(28/33)
... viele der heutigen Instrumente der Ertragslückenschließung erst geschaffen und eine wirksame, gerechte Regulierung bis heute verhindert.

#BauenBauenBauen wird das Problem nicht lösen. Ebenso wenig wie "Kompromisse" mit den Eigentümern im #Wohnungsbündnis.

(29/33)
Deshalb kann ich allen nur raten, sich die SItzung der #Expertenkomission vollständig anzusehen. Viele spannende und grundsätzliche Dinge werden erörtert. Z. B. wie die Nachfrage nach Wohnraum in der Stadtgesellschaft strukturiert ist,...



(30/33)
... das sich die steigenden Preise nicht mit hoher Nachfrage erklären lassen und der Mangel an bezahlbaren Wohnungen zahlenmäßig jedes noch so ambitioniert Neubauziel übersteigt. Die geführte Debatte dagegen, dreht sich um eine vergleichsweise irrelevante Randnotiz.

(31/33)
@dwenteignen hat die Debatte über die soziale Frage des Wohnens geprägt und Wege aufgezeigt, die fernab der gescheiterten Marktlogik liegen. Selbst wenn es nicht der Beste ist:

Wo Politik existenziellen Fragen wie Klimakrise und extremer sozialer Ungleichheit...

(32/33)
... mit runden Tischen, Appellen und den seit Jahren scheiternden Rezepten von Markt und Mitte begegnet, zeigt der Aktivismus der Zivilgesellschaft das eine andere, eine effektivere, eine bessere Politik möglich wäre. Und allein das ist schon so wichtig. Mehr denn je!

(33/33)

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