1/ In #MehrAlsNurKaffee heute Abend gibts noch was über ein Basic und doch unverzichtbares Anästhesietool: Zugänge oder die Antwort auf die Frage “was bekomme ich da eigentlich?”
2/ Meine übliche, inzwischen mit rollenden Augen der Anasthesiepflege quittierte Antwort “Nudelwasser, nur die Nudeln hab ich raus sortiert, verstopft die Venen immer so sehr” trifft es leider nur begrenzt und ja ist auch eher ein flacher Witz - mea culpa.
3/ Das anästhesiologische Händeschütteln beginnt meist mit dem anbringen der Überwachung (EKG, Blutdruck, Sauerstoffgehalt im Blutt “Sättigung”) und dem obligatorischen mit Schrecken erwarteten venösen Zugang.
4/ Mit wenigen (und risikobehafteten) Ausnahmen: ohne Zugang, keinerlei Anästhesieleistung. Wir sind von berufswegen gerne auf Notfälle vorbereitet und wollen reagieren können - und das können wir ziemlich gut mit Medikamenten - die müssen aber irgendwie in den Körper rein.
5/ Fakt 1: ein Zugang ist etwas anderes als Blutabnehmen. Bei einem Zugang wird mit einer Metallnadel die Vene punktiert und dann ein Plastikröhrchen in die Vene geschoben. Dieses bleibt in der Vene. Es bleibt keine Nadel im Patienten.
6/ Daher auch der offizielle etwas stelzige Name “Venenverweilkanüle”.
7/ Dies ist durchaus etwas komplizierter als “nur” Blutabnnehmen, da man schon genau das Innere der Vene treffen muss und die Vene groß genug sein muss, um das Röhrchen aufzunehmen und auch nicht zu sehr geknickten sein darf.
8/ Daher kann es durchaus sein, dass die Vene “die nimmt der Hausarzt immer fürs abnehmen” für uns nicht taugt …
Fakt 2: Ja wir probieren immer erstmal an den Händen und arbeiten uns hoch - auch wenn dies mit dyskomfort für den:ie Patient:in verbunden ist. Warum?
9/ Wenn wir direkt oben probieren und es klappt nicht, kann man Pech haben und der Arm ist für Zugänge hinfällig - denn alles was unterhalb klappt, läuft aus dem Loch raus welches wir oberhalb geschaffen haben und das ist doof.
10/ “Warum nehmen sie die nicht die, ist doch schön groß?“ genau deswegen - im Notfall oder bei großen OPs können wir in solche großen Venen (Ellenbeuge zB) große Zugänge legen um größere Mengen Volumen in kurzer Zeit in eine:n Patienten:in zu bekommen und die option wollen…
11/ …wir uns “offen halten”. (Und sind dankbar für jede Blutentnahme und Zugang der eben nicht in diese Notfallvene gestochen wird, liebe Blut abnehmenden Kollegen:innen!)
12/ Fakt 3: Der Zugang bleibt mindestens (!) so lange liegen bis wir den Patienten aus dem Aufwachraum entlassen und bei stationären Patient eigentlich bis kurz vor Entlassung (für den Notfall…)
13/ Fakt 4: Es gibt Zugänge in verschiedenen Größen von babyklein (mit nur sehr geringer Flussrate) zu riesig groß (vergleichbar bei der Blutspende, Geht spenden übrigens!!).
14/ Nur um mal eine Vorstellung zu bekommen: ein üblicher “kleiner Zugang” (rosa) kann ca 60 ml/min - also ein Blutprodukt a 250 ml brauchte bei optimalen Bedingungen 4,5 min. Der größte periphere Zugang (Orange) kann ca 340 ml/min - sprich selbiges Blutprodukt in 45 Sekunden.
15/ Bei letzterer könnte ich also das gesamte menschliche Blutvolumen (4,5-6 l) in nichtmal 15 min komplett ersetzen. Bei der Rosa bräuchte es 75 min!
16/ Weil es inhaltliche passt ein kurzer Exkurs: wenn ihr eingeschlafen seid und es ein größerer operativer Ausflug wird oder ihr schwerwiegende Vorerkrankungen habt, kann es sein das wir schlafend noch Zugänge nachholen: entweder größerr periphere zugange (siehe oben) weil sie…
17/ …schon weh tun beim legen oder aber ein sogenannter zentraler Zugang - zentral deshalb weil wir ihn über eine große Vene (am Hals, Schlüsselbein oder Leiste, meist mit Ultraschall gelegt) bis in die größte Vene im Körper (“Hohlvene”) Vorschieben.
18/ Dieser “ZVK” - zentraler Venenkatheter- hat den Vorteil dass er sowohl Blutentnahmen als auch die Medikamentengabe sehr kontrolliert und auch in kritischen Situation ermöglicht. Manche Medikament darf man sogar nur über diese Zugänge geben.
19/ Auch diese Zugänge gibt es in unterschiedlichen Ausführungen (kleiner, größer, nur mit “einem Lumen” - sprich für eine Infusion oder gar mit “fünf” Lumen) und es gibt noch seinen großen Bruder - den Shaldon Katheter (2x 350 ml/min+noch einen kleine Leitung, Austausch des…
20/ …gesamten Blutes in 7,5 min denkbar!!). Damit kann man im Notfall schon ordentlich was schaffen (vergangene Woche zB 15 Blutprodukte in 10 min bei sonst verblutenden Patienten).
21/ Nur als Hinweis: es gibt auch noch spezielle Zugänge für Dialyse und Überwachung - das sprengt aber den Rahmen hier.
22/ Neben Venen kann man auch Schlagadern (“Arterien”) punktieren: das machen wir, weil wir darüber den Blutdruck durchgehend messen können und um eine besondere Art der Blutprobe gewinnen zu können: eine arterielle Blutgasanalyse die uns sehr viel Aufschluss geben kann, wie es…
23/ …euch und eurem Körper in der Operation (oder danach!) geht und ob wir noch was machen müssen. Auch eine akute Blutung oder Nachblutung kann man darin häufig schon erkennen (und nein lieber operativer Kollege vom Wochenende, nicht am Hb!!).
24/ Und noch ein kleiner Exot: wenn alle Stricke reißen, wir keinen Zugang finden und es schnell gehen muss, kann man eine Nadel in den Knochen am Bein oder Oberarm bohren und über das Innere des Knochen Medikament und Flüssigkeit geben (klingt brutaler als es ist) (maximal 24h!)
25/ Puh durchatmen. Das wurde viel länger als geplant - ich glaube die Frage nach dem “was hängen wir da dran” klären wir in einem eigene 🧵von meiner kleinen #MehrAlsNurKaffee Reihe.

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Jul 27
1/ Heute im #MehrAlsNurKaffee: Intravenöse Regionalanästhesie- denn wenn’s einigermaßen läuft muss was exotisches her.
2/ Wenn Knochen erfolgreich geheilt sind und das Metall wieder raus soll oder Finger weniger erfolgreich durch die Gegend schnappen oder der Karpaltunnel Beschwerden macht, steht meist ein kurzer chirurgischer Eingriff an.
3/ Klar kann man das in #Vollnarkose machen - aber wer meine anderen #Meducation und auch die von @doctordachs und @propofolium und @GasWasserDiso gelesen hat, weiß dass wir gerne Vollnarkosen meiden, wenn’s nicht notwendig ist.
Read 24 tweets
Jul 25
1/ #MehrAlsNurKaffee #Meducation So nachdem wir das Rückenmarks betäubt und den Tiefschlaf geklärt haben… weiter gehts mit der peripheren Regionalanästhesie
Dieses Thema ist so umfangreich, da könnte man hunderte 🧵 füllen aber ich versuche mal einen Überblick zu verschaffen.
2/ Wie schon erwähnt, kann man jeden Nerven den es so gibt betäuben- sinnvoll ist das allerdings nur bei manchen Nerven und an manchen Stellen.
3/ Praktischerweise hat die Natur (oder wer-auch-immer je nach Religionszugehörigkeit) ein paar Orte in unserem Körper versteckt, wo nicht nur ein einzelnen Nerv sonder mehrere Nerven auf einem Haufen zusammen kommen - wir nennen das Plexus.
Read 22 tweets
Jul 22
OK - gestern hat @doktordachs eine Erläuterung zur Maske vor Narkosen und zum Einschlafen gegeben - da das Aufwachen bestenfalls im Preis mit drin ist - hier ein 🧵 wie es zum Ende der OP läuft und warum die meisten nicht wirklich in der OP wach waren. (1/12)
Wenn sich die OP dem Ende neigt (deswegen ist es wichtig, dass der/die Anästhesist:in den Eingriff und Operateur:in kennt!) wird man langsam die Medikamente, (2/12)
die fürs schlafen verantwortlich sind (Entweder das Narkosegas oder die Dauerinfusion) reduzieren und schließlich kurz VOR Ende der OP ganz ausschalten. Einige Medikamente darf man bereits deutlich vor Ende einer OP nicht nochmals geben, (3/12)
Read 12 tweets
Jul 19
Woran merkst du ohne mit dem Chefarzt über #Elternzeit zu sprechen, dass in der Medizin „weil es schon immer so war“ gilt. @Propofolium und @Dana_Maresa_ haben bestimmt auch noch Beispiele
Röntgenbilder in der Medizin könnten genauso schön bunt wie die Bilder beim Zoll sein und damit deutlich schneller verschiedene Gewebe Differenzen zeigen, wir bleiben aber bei Graustufen, weil …
Kodan ist nur genauso braun gefärbt wie Jod, es ist keines drin- warum? Weil …
Read 7 tweets

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