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Aug 9 28 tweets 4 min read
Es jährt sich der Pogrom in #RostockLichtenhagen

Kein Vergeben - Kein Vergessen

Wir teilen 30 Tage vor der Grossdemonstration am 27.8.22 in Rostock jeden Tag eine Geschichte aus dieser Zeit!

CN sexualisierte Gewalt Sticker: Antisexistische Aktion
Es war Mitte August 94, ein paar Wochen nach meinem 16 Geburtstag. Kurz nach dem beschriebenen Hammerskins überfall.

Habe lange überlegt dies zu erzählen. Diese Erinnerung zu teilen. Da besonders sexualisierte Gewalt verschwiegen wird.
Da vom Schweigen nur die Täter profitieren, habe ich mich entschlossen auch diese zu teilen.

——Trigger Warnung, achtet auf euch——
Warum es wirklich stimmt, dass Mensch nicht mit Nazis reden sollte. Ja, ich war mega Jung, von zu Hause auf Konsens gepolt und wusste mega viel über nordische Mythologie und den Missbruch von Symboliken in der Nazi Szene. Ein Thema was mich immer interessieret hat.
Ich war wieder auf einer Party. Auch da waren wieder Nazis. Metzger war gerade auf Bewährung aus den Gefängnis entlassen worden. Metzger war einer der eher führenden Naziköpfe in meiner Region.
Er war auf Bewährung, weil er einen sehr guten Freund von mir, mit Waffen so zusammengeschlagen hat, das dieser mit Schädelbasisbruch auf Intensivstation lang. Sowie multiple Beinfrakturen. Dies führte dazu, dass er auf einem Ohr taub blieb und ein Bein kürzer war als das andere.
Metzger sass auf einer typischen Bierbank Garnitur und ich setzte mich zu ihm und stellte ihn eigentlich durch mein Wissen bloss. Weil er eigentlich nichts wusste von dem was er nach aussen vertrat.
Ich haben nur Fragen gestellt, auf die er aber keine Antworten hatte.
Ich habe ihn maximal mit seiner eigenen Unwissenheit gereizt.
Nazis haben damals, nach meiner Erfahrung, selten Frauen geschlagen, das waren nur sehr wenige Gruppierungen. Hier wurde andere Gewalt eingesetzt oder weibliche Schlägertrupps mitgebracht. Dies ist mir öfter passiert.
Noch heute kommt dies sehr auf die Gruppierung an und den Kontext, wie welche Gewalt verübt wird. Besonders gegen FLINTA* Personen. Es gibt schlimmeres als Schläge!
Gewalt gegen Frauen, sah halt aus, wie oft Gewalt gegen Frauen aussieht.
Er ist mir später gefolgt und hat mich versucht zu vergewaltigen. Meine ganzen Beine waren Blau geschlagen. Geschafft hat er es nicht. Er hat versucht meine Beine auseinander zu drücken und ich habe mit aller Kraft dagegen gehalten.
So das meine Oberschenkel grünblau waren und mein Hirn - ja, das schon schwieriger! Das war auf Überlebnsmodus gestellt. Zwei Wochen später bin ich das erste mal ins Ausland gegangen. Es sollten zwei weitere Auslandsaufhalte folgen.
Total am Ende meiner Kräfte.
Dies war drei Monate nach meinem sechzehnten Geburtstag.
Insbesondere diese Gewalt fand und findet gar keine Stimme.

Es wird geschwiegen.

Auch ich schweige. Schwieg.

Sie wird totgeschwiegen.
Ich hatte Angst dadrüber zu reden, weil ich Angst hatte das es dann Tote gegeben hätte. Da ich mir aber nicht sicher war auf welcher Seite, schwieg ich. Juristisch. Nazis kamen eigentlich immer beim Landesgericht durch. Ich habe nie Anzeige erstattet.
Die kommenden Monate waren schrecklich. Ich habe Bücherweise Tagebuch geschrieben und mich trotzdem so alleine gefühlt im Ausland. Eigentlich wollte ich nur bei meinen Freunden, meiner Familie sein. Ich wollte einfach in Ruhe leben.
Gehen zu müssen ist ein schreckliches Gefühl. Mit diesen Erfahrungen alleine zu sein auch.
In dieser Zeit Verfolgte ich das Geschehen aus dem Ausland und in diesem Punkt war ich froh nicht da zu sein. Wobei die Angst um meine Nächsten fast nicht zu beschreiben ist.
Ich war noch Jahre danach bei einigen Menschen um die diese berechtigte Angst gross war, jedesmal überzeugt, wenn ich sie anrief, sie könnten auch tot sein und erleichtert, nahmen sie das Telefon ab. Das Gefühl ist nicht in Worte zu fassen.
Es gab in diesen Monaten, in denen ich im Ausland war riesen Nazivernetzungstreffen und Wehrsportübungen, mit einer grosse Menge an Nazis aus Magdeburg, Schwerin, Rostock, Hagenow, Ludwigsburg, Hamburg und Lübeck.
Die prügelten schwer bewaffnet auf meine Freunde ein. Diese versuchten sich gegen die Waffen mit Stuhlbeinen zu wehren, die sie aus unseren Linken Treffpunkt mitgenommen hatten, nachdem dieser mit Mollotowcocktails angegriffen wurde.
Die Bullen kamen. 4 Stück. Sie schossen in die Luft. Ende der Geschichte. Sie gingen wieder.
Dieses halbe Jahr im Ausland war glaube ich für mich das schlimmste. Ich konnte das alles nicht einsortieren und verstand diese Gewalt nicht. Dreissig Jahre später verstehe ich mehr von den Nazistrategien, die damals und auch jetzt bei den Coronanazis dahinter steckt.
Damals habe ich mich von der Gewalt hinter jeder Bushaltestelle, hinter jeder Ecke nur erdrückt gefühlt.
Unser Bedürfnis ist es nicht nur Gewalterlebnisse zu teilen die lähmen,
sondern auch Strategien der Nazis in meinen Beobachtungen von dreissig Jahren aufzuzeigen, um antifaschistische Perspektiven zu schaffen.
Was damals geschah, geschah nicht durch Zufall. Was heute passiert, passiert nicht durch Zufall.
Ich Teile meine Erinerungen, weil wir hoffen wach zu rütteln, weil wir der Meinung sind, dass wir nicht weit weg davon sind, dass dies wieder möglich wird.
Ich Teile diese Erinnerungen, dass wir geschlossen auf die Strassen gehen, gegen die wieder aufflammenden faschistischen Strukturen um die Coronanazis.
Alerta

Stellen wir uns zusammen das diese Gewalt, gegen FLINTA* Personen, gegen Schutzsuchende Migranten, gegen die Antifa, gegen Armutsbetroffene, poC, Obdachlose keinen Platz in unser Gesellschaft haben darf - Kein Platz für Nazis! Terfs! und LAYLA Dudes!
Lasst uns nicht aufgeben, sondern Aufstehen!!
Sofa war mal nett - nun raus auf die Strassen mit lauter Stimme gegen den Faschismus!

Eure Betonmaler*innen

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Aug 8
Zum Gedenken an den Pogrom in #RostockLichtenhagen. Bis zum Jahrestag des Pogroms bzw. Bis zur Demo am 27.8.22 in Rostock teilen wir Erlebnisse von NaziGewalt aus dieser Zeit.

Dieser Thread handelt von Erlebnissen im Sommer 1994 mit Nazis des Nordmark Chapter Kai Stüwe ua mit den Grewe Brüder des Chapter Nordmark 199
„Ich war auf dem Nachhauseweg von einer Party, in einem kleinen Dorf. Ich ging einem Kanal entlang.
Also rechts Kanal. Links Zaun.
Das waren sie wieder die Hammerskins. Viele mit Schnellschussgewehren. Sorry ich
kenne mich nicht so gut mit Waffen aus. Also eigentlich gar nicht. Aber sie hatten scharfe Gewehre. Eben so Schnellschussdinger. Die kamen bei uns eigentlich immer aus Russlands.
Read 18 tweets
Aug 7
Geflüchtete Menschen von #RostockLichtenhagen nach dem schrecklichen Pogrom nach Nostorf-Horst verlegt

Nostorf Horst - was ist das eigentlich?
Ein Spezial-Sonntags-Thread Bild von Nostorf Horst
Wir erinnern, was damals geschah und heute noch passiert.
Rostock Lichtenhagen jährt sich zum dreissigsten mal.
Heute sind wir Betonmaler*innen besonders wütend. Vielleicht sollten wir alle zusammen sehr wütend werden um diesen Wahnsinn zu beenden!
In dieser Nacht des Pogroms, wurden die geflüchteten Menschen, schutzsuchende Menschen, aufgrund dieser lebensbedrohlichen und traumatisierenden Situation der rechten Gewalt, in Bussen abtransportiert.
Read 37 tweets
Aug 6
In 16 Tagen jährt sich der Pogrom in #RostockLichtenhagen
Zum dreissigsten mal!

Wir erinnern die 30 Tage vor diesem Pogrom jeden Tag mit Erinnerungen an diese hasserfüllten und gewalttätigen Zeit, die mein Leben geprägt hat - so wie das Leben von vielen!

Nie wieder! Wandgrafitti Flinte mit schwarzer Fahne und schwarzer Hasska
TW: Gewalt

Sie haben die Freundin von meinem Bruder mit Schnaps übergossen und angezündet.

Sie haben die Freundin von meinem Bruder mit Schnaps übergossen und angezündet.

Sie haben die Freundin von meinem Bruder mit Schnaps übergossen und angezündet.
Nein, sie war nicht politisiert, sie war nicht links, keine Migrantin, keine Jüdin. Sie war lediglich die Freundin von meinem Bruder. Der Anschlag galt ihm und traf ihn auch mehr als all seine Narben auf dem Kopf.
Read 8 tweets
Aug 5
Noch 17 Tage bis zum Beginn der Pogrome von #RostockLichtenhagen

Erinnern heisst auch verstehen - Verstehen bedeutet Veränderung

Ein Thread über die Gewalt von damals Teil 2

„Wer gegen Nazis kämpft, kann sich auf den Staat nicht verlassen“ Esther Bejarano

CN: Gewalt Symbolbild einer Antifaschi...
Dieser Polizeischutz und dieses mich ständig kontrollieren zu lassen, jeden Schritt zu rechtfertigen, war recht belastend für mich.
Was ich dann tat, ist sicher weit weg von okay gewesen, aber ich hab es trotzdem gemacht.
Ich hatte keine Lust mehr mich kontrollieren zu lassen, ich wollte mich einfach frei bewegen.
Ich fuhr per Anhalter (Auch Öffis fahren ging natürlich gar nicht mehr) in die nächste Stadt zu Freunden in ein besetztes Haus. Party machen.
Read 11 tweets
Jul 30
Noch 28 Tage zum Pogrom von Rostock-Lichtenhagen

Tag 3/30

Scheinhinrichtungen

Ist eine Foltermethode. Es zeigt einmal mehr sorry. Baselballschlägerjahre - Fuck off! Die haben an uns damals ihre militärischen Übungen erprobt.

CN: Gewalt Screenshot: Scheinhinrichtung
Alter, ich werd so wütend beim schreiben!!!

Nichts ist passiert. Polizist*innen war das egal. Richter*innen war das egal. Nie ist was passiert!

Nie hatte diese Gewalt eine Konsequenz - bis heute beim NSU und Ballstädter Prozess.
Das ist fast wie applaudieren, nur lauter!
Hinknien. Knarre an kopf. Schiessen. Man weiss einfach nicht ist sie geladen und wenn ja mit was…diejenige Person an der ein vermeintlicher Exodus ausgeführt werden soll wird im glaube seiner Hinrichtung gelassen und dann zb Platzpatronen verwendet.
Read 16 tweets
Jul 29
In 29 Tagen jährt sich der Pogrom in Rostock-Lichtenhagen zum dreissigsten Mal.

Teil 2/30

In einer sehr persönlichen Erzählung, möchte ich dieser unsäglichen Gewalt der Neonazis von damals aufzeigen.

Achtet auf euch! Folgender Thread beinnhaltet Gewalt! Michael Grewe ( oben aus junge Welt ) und Sven Grewe ( aus:
Meine erste Party mit 14 war eine Abifeier bei uns auf dem Land, in einer Scheune. Das war meistens so. Diese typischen Dorfpartys, im Norden von Deutschland nah an der ehemaligen DDR Grenze.
Ich knutschte mit meinem zukünftigen Freund, einem Punker hinter dem Holzstapel von der Sägerei nebenan. Meine Haare waren zu der Zeit komplett abrasiert. Das war im Sommer 93, also ziemlich genau 1 Jahr nach Rostock Lichtenhagen.
Read 19 tweets

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