Thread by @ex__waldi

#exwaldi #Waldorf #Technikfeindlichkeit 🧵
Der „Bund der Freien Waldorfschulen“ (BdFW) hat mit Pressemitteilung vom 21.07.2022 seinen „Medienkompass für Eltern“ veröffentlicht.
Dieser folgt damit auf den vorherigen Ratgeber mit dem bezeichnenden Titel "Struwwelpeter 2.1".

Der „Struwwelpeter“ ist ein weit verbreitetes Bild für zappelige, unkonzentrierte Kinder (oder auch mit #ADHS) und dass der BdFW in diesem Kontext dieses Bild bemüht, ist sehr bezeichnend für den pathologisierenden und mahnenden Umgang mit digitalen Medien und Technik.

Aber zurück zu der aktuellen Publikation, die hier heruntergeladen werden kann:
waldorfschule.de/fileadmin/down…
Der Ratgeber soll Eltern also Tipps für die Mediennutzung ihrer Kinder und die Erziehung an die Hand geben.

Gleichzeitig ist an „Medienkonzepten“ von Waldorfschulen zu sehen, dass diese sich direkt daran orientieren oder an der Ausarbeitung beteiligt sind. Die Medienkonzepte agieren häufig unter den Stichworten „direkte und indirekte Medienpädagogik“ – aber was soll das bedeuten?

Eingangs wird in dem Ratgeber sehr ausführlich beschrieben, was eine „gesunde“ und „behütete“ frühe Kindheit aus Sicht der Waldorfpädagogik ausmacht. Technik und Medien gehören definitiv nicht dazu. Es wird im Gegenteil sogar erklärt,

dass die „[…] spätere Medienmündigkeit des Jugendlichen […] in einer frühkindlichen
Medienabstinenz“ (S.12) begründet sei.
Ganz im Sinne der anthroposophischen Jahrsiebt-Lehre folgt mit dem „Zahnwechsel“ (S.19) der Schuleintritt und der Beginn der „indirekten Medienpädagogik“.

Die Kinder sollen hier nach wie vor gut möglichst von Mediennutzung abgehalten werden. Das „Das Buch ist bis zur Pubertät das beste Medium im Leben des Kindes. Fernsehen und Surfen im Internet sowie Computerspiele sollte das Kind dagegen nur in geringem Maße genießen. “ (S.19)

Als „vorbereitende Medienarbeit“ werden „Daumenkino“, „Schattenspiele“ oder „Kasperletheater“ (S. 21) empfohlen. Aha.

Der nächste Entwicklungsschritt mit 14 Jahren führt nun zur „direkten Medienpädagogik“ – immer noch reserviert und unter starker Betonung der Risiken und Gefahren, am Horizont die stets drohende „Online-Sucht“ (S.29).

Es wird vor Mobilfunkstrahlung gewarnt: diese berge „besonders für Kinder gesundheitliche Risiken durch die hochfrequenten elektromagnetischen Felder“ (S.33). Es folgt eine ganze Liste schwerwiegender gesundheitlicher Folgen.

Zur anthroposophischen Strahlungsangst mehr in diesem Thread von @AnthroBlogger:

https://twitter.com/AnthroBlogger/status/1551876056143073281

Es folgt der Tipp, man solle „Technikfreie Räume in der Wohnung einrichten; zum Beispiel das Kinderzimmer und das Schlafzimmer.“ (S. 35)

Gegen Ende wird dann die an WDS übliche Vereinbarung auf ein „Medienkonzept“ gepriesen, das einen tiefen Eingriff d. Institution Schule in das Familienleben bedeutet und dort deren „Geist“ (S.40) im Sinne der Ideen der möglichst weit hinausgezögerten Mediennutzung verankern soll.

Auch die angegebene Literatur (S. 48) ist bemerkenswert. Es finden sich gleich drei Bücher des umstrittenen Neurowissenschaftlers Manfred Spitzer darunter und es ist auffällig, dass primär mahnende bis alarmistische Literatur verwendet wird, die die Thesen des Ratgebers stützt.

Um zu sehen, wie gut oder eher eher schlecht sich die Praxis dieser Medienpädagogik auf die spätere Medien- und Technikkompetenz der Schüler*innen auswirkt, kann ich sehr den Hashtag #exwaldi empfehlen.

Zum Glück orientieren sich viele Eltern nicht an diesen Vorgaben und bieten ihren Kindern weitergehende Bildungsangebote.