Thread by @b_sendhardt

1/ Ein paar Gedanken zu den deutsch-polnischen Beziehungen nach Dietmar #Nietan|s Interview im @vorwaerts: 🧵 vorwaerts.de/artikel/polen-…

2/In der Sache hat Dietmar Nietan in den meisten Punkten Recht. Natürlich ist das Spielen der „(anti-)deutschen Karte“ seitens der polnischen Regierung ein Hindernis für bessere deutsch-polnische Beziehungen. Und da diese Karte weitgehend losgelöst von realen politischen

3/Entscheidungen des deutschen Nachbarn gespielt wird, geht aus meiner Sicht auch der oft geäußerte Vorwurf, #Deutschland sollte erst einmal vor der eigenen Haustüre kehren, bevor es sich mit #Polen befasse, fehl. Die deutsche Karte ist innenpolitisch in Polen leicht verdientes

4/politisches Kapital, nicht zuletzt, da bei zwei zentralen Vorwürfen bzw. Forderungen, die damit verbunden sind, kein größeres Entgegenkommen von Deutschland zu erwarten ist, und zwar ganz gleich, welche Regierung in Berlin gerade am Ruder ist. Dies ist erstens die Forderung

5/nach #Reparationen. Hier scheint die Rechtslage eindeutig zu sein. Allerdings wären wohl gemeinsame deutsch-polnische Projekte, die über einen von deutscher Seite finanzierten Fonds gefördert werden, im Bereich des Möglichen. Die zweite polnische Forderung betrifft generell die

6/Kompetenzen der EU-Institutionen und speziell die im Rahmen des anhaltenden Rechtsstaatlichkeitsstreit bislang zurückgehaltenen Gelder aus dem Wiederaufbaufonds. Zwar dürfte Deutschland hier ein wichtiger Mitgliedstaat sein, der auf die Einhaltung der EU-Regeln

7/(nach der Interpretation Brüssels) pocht, aber eben bei weitem nicht der einzige. Das bedeutet allerdings nicht, dass es nicht auch Punkte gibt, bei denen die polnische Regierung nicht ganz falsch bis richtig liegt. Natürlich lässt sich über die vergangenen Jahre hinweg ein

8/Muster ausmachen, nach dem Deutschland (nach bestem Wissen und Gewissen) nationale Partikularinteressen als europäisches Gemeinwohl ausgibt und sich anschließend wundert, dass es von anderen Mitgliedstaaten zunehmend kritisch beäugt wird. Und natürlich ist Deutschland einer der

9/Hauptverantwortlichen, wenn es um die verhängnisvollen politischen Fehleinschätzungen gegenüber Russland und der Ukraine seit spätestens 2014 geht. Das zähflüssige Tempo, mit dem die Zeitenwende umgesetzt wird, ist ebenfalls kaum dazu geeignet Kritiker davon zu überzeugen, dass

10/ man dieses Mal etwas Grundsätzliches verstanden habe.
All diese Punkte spricht Dietmar Nietan in seinem Interview an. Das Problem liegt dann in der Frage, was dies alles für die Zukunft der deutsch-polnischen Beziehungen bedeutet. Eigentlich können sich diese aus der

11/geschilderten Sicht nur durch einen Regierungswechsel zum Besseren wenden. Hier sehe ich vor allem zwei Probleme. Erstens bin ich nicht überzeugt, dass die PiS es nicht noch einmal schafft, die Parlamentswahlen zu gewinnen. Zweitens bin ich nicht überzeugt, dass es bis

12/Ende 2023 eine glaubwürdige Regierungsalternative geben wird, die die Mehrheit der polnischen Wählerschaft überzeugen kann. Die entscheidenden Wahlen gingen seit 2015 im Prinzip ausnahmslos an die PiS. So gelang es Opposition etwa bei den letzten Präsidentschaftswahlen 2022

13/auch bei hoher Mobilisierung und Polarisierung der Wählerschaft nicht, sich gegen den PiS-Kandidaten Andrzej Duda durchzusetzen (vgl. deutsches-polen-institut.de/blog/ein-sieg-…). Und mit der Rückkehr von Donald Tusk in die polnische Politik zeichnet sich die x-te Wiederholdung des in punkto

14/politischer Programmatik weitgehend inhaltsleeren Duells PO vs. PiS ab. Ein Sieg der PO (+ Koalitionspartner) ist natürlich nicht unmöglich. Wenn die wirtschaftliche Situation sich weiter zuspitzt und die PiS keinen Weg findet an die EU-Hilfen zu kommen, könnte tatsächlich

15/noch einmal einiges an Bewegung in den Wahlkampf kommen. Aber auch im Falle eine #PiS-Wahlniederlage wird die Partei mit rund einem Drittel der Wählerstimmen auch in Zukunft weiterhin ein wichtiger politischer Faktor in #Polen sein.