Thread by @seebohm

Ein 🧵zum Begriff #Eskalationsdominanz. Ich bin zwar schon lange aus politologischen Debatten raus. Aber letztlich geht es hier ja um strategische Theorie.
These: Die Zuschreibung von Eskalationsdominanz ist für sich genommen wertlos. 1/16

Als rein theoretische Erläuterung ein kurzer Blick zu Clausewitz. Bei ihm findet sich die nahezu mathematische Idee, dass die Kraft einer Konfliktpartei das Produkt aus deren Ressourcen und ihrer Entschiedenheit ist.
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Also
Widerstandskraft = Ressourcen x Willen
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Den Widerstandswillen wiederum definiert Clausewitz auch. Er schreibt, dieser entspräche in etwa dem verlangten Opfer, wir können das wahrscheinlich mit dem „Preis der Niederlage“ umschreiben.

Also
Widerstandswille ≈ Preis der Niederlage

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Nach dieser Betrachtung ist das Konzept der Eskalationsdominanz sehr überzeugend. Denn natürlich hat die Partei mit den größeren Ressourcen sozusagen die Wahl. Wenn nur der Wille groß genug ist, hat sie die größere Widerstandskraft.
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Clausewitz beschreibt die Widerstandskraft explizit als Produkt einer Multiplikation.
Denn wenn ich etwas mit 0 multipliziere… genau.
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Um das klar zu sagen: Für die russische Führung liegt der Wille ganz sicher nicht bei null. Es geht für Putin und seinen Clan mit dem Ukrainekrieg um die politische Existenz – möglicherweise auch um die handfest physische.
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Der Wille der russischen Führung (wir erinnern uns, er entspricht in etwa dem Preis der Niederlage) ist also sicher (sehr) hoch anzusetzen.
Das kann auch gefährlich werden
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Nach dem Konzept der Eskalationsdominanz müsste Moskau also nur am Volumenregler drehen, um klarzustellen, wer die Lage dominiert. Und?
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Nun, das Problem mit dieser Idee ist mit einem Satz dem deutschen Philosophen Adi Preißler schnell aufgezeigt: „Was zählt is aufm Platz“. Als der IS im Irak und in Syrien auftauchte, wiesen manche Autoren den USA die Eskalationsdominanz zu.
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Wie wir wissen, haben die USA mit der Eskalationsdominanz nichts angefangen. Der Grund ist einfach und er steht bei Clausewitz an derselben Stelle, wie die Überlegungen weiter oben.
(Auch) Krieg ist nicht isoliert.
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„Die Wirklichkeit mäßigt oft die gedachte Absolutheit.“ Man könnte auch sagen „Context matters“. Denn in die Bildung des mit „Widerstandswillen“ umschriebenen Konzepts, müssen politische Führungen noch zahllose weitere Überlegungen mit einfließen lassen.
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Ich kann keine Generalmobilmachung befehlen, wenn das alles nur eine Spezialoperation ist. Ich kann das Eskalationsniveau nicht beliebig erhöhen, weil es immer auch eine Zeit nach dem Konflikt gibt – da will ich, dass andere noch mit mir reden.
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Übrigens: Auch die Seite der Ressourcen kann – wie wir spätestens in diesem Konflikt gelernt haben – nicht prima facie bewertet werden. Vielmehr muss geschaut werden, wie gut ein Akteur mit Friktionen klar kommt.
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Ich kann keine BTG-Operationen fahren, wenn mir die Kommandostrukturen dazu wegrutschen. Ich kann mein Material nicht ausspielen, wenn meine Logistik nicht rund läuft. Mit anderen Worten…:
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Die Eskalationsdominanz hilft mir als Konzept per se überhaupt nicht weiter. Es braucht eine viel differenziertere Analyse der tatsächlichen strategischen und taktische Optionen eines Akteurs, scheint mir.

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