Thread by @TBerenth

Ich versuche mal #Meritorder zu erklären - was es bedeutet, wie (und warum) es funktioniert und weshalb es derzeit beim Strom dort hapert. 🧵
Merit Order ist ein marktbasiertes Bestpreissystem für beliebig austauschbare Güter (z.B. Strom, Gold, Aktien einer bestimmten Firma).

Jeder Anbieter nennt den niedrigsten Preis, zu dem er gerade noch verkaufen will bzw. kann. Dann werden der Reihe nach die billigsten Anbieter ausgewählt, bis der aktuelle Bedarf gedeckt ist. Alle erhalten den letzten (höchsten) noch genommenen Preis - damit ist niemand

versucht, höher zu verlangen als er müsste. Der so erzielte Marktpreis ist transparent und der best mögliche. Beim Strom gibt es da jetzt ein Problem: Sowohl Angebot (Solar- und Windstrom) als auch Nachfrage schwanken sehr stark UND es gibt kaum Speichermöglichkeiten.

Man kann also nicht wie z.B. bei Gold im September produzieren, um die Schmucknachfrage am Valentinstag zu decken. Strom lässt sich derzeit nur in Pumpspeicherkraftwerken (die enge geographische Voraussetzungen haben - alle geeigneten Standorte sind belegt) und Akkus speichern.

Akkus wiederum sind extrem teuer und in der Herstellung umweltbelastend. Speicherverfahren wie Wasserelektrolyse, die die Lücke schließen könnten, sind noch in der Entwicklung. Was also passiert ist dass es zwar extrem billige Stromanbieter gibt (Solar, Atom, Wind)

diese aber nicht regelbar produzieren können. Andererseits gibt es extrem gut regelbare Kraftwerke, die die Lastspitzen, die binnen weniger Sekunden befriedigt werden müssen, sonst bräche das System zusammen, ausgleichen können - diese benutzen aber neben den Pumpspeichern Gas.

Gas ist im Moment extrem teuer, also hat sich die preisliche Differenz zwischen billigstem Strom (20° Frühsommer, sonnig, mäßiger Wind, 11 Uhr morgens) und teuerstem (-25° Winter, windstill, 20 Uhr abends) extrem erhöht. In der Spitze wird also Strom massivst teuer und

die billigen Grundlastanbieter erhalten dadurch in diesen Zeiten sehr hohe Profite, was so nicht erwünscht ist. Mit einer Änderung des Kernmechanismus würde man allerdings die notwendige flexible Belieferung unterlaufen; Blackouts wären die Folge.

Die staatliche Lösung der Gewinndeckelung ist naheliegend, wenn auch nicht optimal. Effektiv handelt es sich um eine Steuer, die entweder 0% oder 100% des Gewinns ist. Besser wäre eine progressive Steuer, die zwar früher als bei 180€/MWh greift, aber eben auch nicht 100% wird.

Diese schöpft ebenfalls Übergewinne ab, erhöht aber immer noch den Anreiz, auch als billigster Anbieter zu Zeiten höchsten Bedarfs zu produzieren - der Mechanismus bleibt intakt. Was dann noch fehlt, ist die Verwendung der so eingenommenen Mittel.

Und hier wäre es ideal, wenn diese Einnahmen eben verwendet würden, um den Bürgern Zugang zu einer angemessenen Menge billigen Stroms zu geben - der schon diskutierte subventionierte, billige Basistarif für die ersten x kWh pro Person und Jahr.

Was übrigens alle tun können, um steigenden Strompreisen und der derzeitigen (äußeren - nicht systembedingten) Schieflage in #MeritOrder entgegenzuwirken ist so weit möglich (a) generell Strom sparen und noch wichtiger (b) Spitzen vermeiden.

Also zum Beispiel - Waschmaschinen u.ä. idealerweise am Vormittag oder frühen Nachmittag laufen lassen, am besten noch bei Sonne. Bloß nicht abends zur besten Koch- und Fernsehzeit. E-Autos mit Schaltuhr tief nachts oder tagsüber laden, nicht gleich bei Heimkehr 18:00.

Alleine das bessere Verteilen der Last kann uns einen ganz großen Teil der gasbasierten Stromproduktion einsparen - und es wird für alle billiger! (ENDE)