Eine befreundete Kinder- und Jugendtherapeutin aus Süddeutschland erzählte mir einmal von einem gruseligen und sehr skurrilen Erlebnis:

Im Rahmen ihrer Ausbindung musste sie vor fünf Jahren auch einige Monate in einem Krankenhaus absolvieren.

1/
Zusammen mit einigen KollegInnen wurde sie in dieser Zeit zu einem Kongress geladen. Die Themen waren bunt gemischt. Unter anderem präsentierte auch der gynäkologische Chefarzt eines großen Klinikums stolz einen von ihm entwickelten "Therapieansatz für Beziehungsprobleme".

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Er leitete damit ein, dass insb. Männer von der "Lustlosigkeit und Zurückhaltung" ihrer Frauen im ehelichen Schlafzimmer oft frustriert seien. Der "Trieb von Frauen" wäre ja bekanntermaßen weniger ausgeprägt als der von Männern. Und das führe zu Konflikten.

3/
Er berichtet von etlichen Paaren, die er als Grundlage für seine Überlegungen genau befragt hätte. Vor allem die Statements der Männer erschienen ihm sehr wichtig, weil er als Gynäkologe ja sonst nur mit Frauen zu tun hat. Diese Mãnner wünschten sich alle mehr Sex.

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Aber die Frauen – insb. wenn sich diese in den Wechseljahren befanden oder gerade entbunden hatten – empfanden dies als unangenehm oder hätten schlicht "keine Lust".

Er hat dann hier und da begonnen, Frauen sedierende Medikamente zu verordnen, um deren "Anspannung zu lösen".

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Nach einigen Wochen berichteten die Männer von deutlichen Verbesserungen. Und auch die Frauen schienen "erleichtert und zufrieden", weil der Haussegen nun wieder gerade hing.

Er empfahl allen seine "Methode" und war sichtlich stolz auf die von ihm entwickelte "Therapie"

6/
Dieser Mann praktiziert bis heute. Als Gynäkologe verordnet er Frauen, die unter den Übergriffen ihrer Männer leiden, keine Lust auf Sex oder Schmerzen haben, Sedativa.

Oder anders gesagt:
Er setzt Frauen unter Drogen, damit diese kaum noch etwas mitbekommen.

7/
Kaum einer der anderen Teilnehmer fand diesen Mann und seine "Methoden" befremdlich. Ganz im Gegenteil:

Warum jahrelang therapieren, wenn die Lösung doch so einfach ist?!

Unter großem Beifall und. Mit stolz geschwellter Brust verließ der Gynäkologe die Bühne.

8/
Und wäre es nicht so tragisch, müsste man fast lachen.

Weil ein Herr Professor, ein Arzt, ein erwachsener Mensch wirklich fest daran glaubt, das Problem eines nicht vorhandenen Konsens medikamentös "beheben" zu können – und dass dies auch völlig legitim sei.

#KrankeMedizin

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Sep 19
Ein Mann kommt wegen entzündetem Blinddarm ins Krankenhaus. Direkt OP. Alles läuft prima.

Er liegt danach in einem Zweibettzimmer. Neben ihm ein älterer Mann. Die Gitter an dessen Bett sind rund herum ganz hoch gezogen. Auf dem Nachttisch stehen Schnabeltassen.

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Auf sein freundliches "Hallo" hatte der alte Herr nicht geantwortet. Er liegt nur da und starrt an die Decke. Der Blinddarm-Patient denkt sich nichts weiter.

In der Nacht fängt der Opi dann plötzlich an zu schreien. Er ruft, dass er Angst hat. Und Schmerzen.

2/
Erst versucht der "Blinddarm" mit ihm zu sprechen, ihn zu beruhigen aber er wird immer panischer, drückt verzweifelt immer wieder auf die Klingel.

Nach zehn Minuten kommt die Nachtschwester, fragt was los ist. "Ich will nicht. Sie holen mich." ruft der Opi.

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Read 14 tweets
Sep 18
MORBUS GERMANICUS +
MORBUS MEDITERANEUS klingen wie Krankheiten.

In Wirklichkeit ist beides von Ärzten offiziell gelebter Rassismus.

"Germanicus" beschreibt den "tapferen Nordeuropäer", der selbst mit Blinddarm nicht jammert. "Mediteraneus" den "weinerlichen Südländer".

1/ Image
Mit diesen absolut unwissenschaftlichen und menschenverachtenden "Diagnosen" werden auch heute noch tausendfach und ohne mit der Wimper zu zucken nichtsahnende PatientInnen abgestempelt.

Klingt ja wichtig.
Wirkt ja offiziell.

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Es zieht sich wie ein roter Faden durch die Medizin, dass persönliche Vorurteile und Abneigungen von Ärzten in deren Diagnosen einfließen.

So wird Frauen schnell mal Hysterie und Migranten Wehleidigkeit unterstellt:

flexikon.doccheck.com/de/Mittelmeers…

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Read 9 tweets
Sep 18
Eine junge Frau kommt zum Gynäkologen – ein älterer Arzt Ende 50. Routineuntersuchung. Sie hat gerade ihre Tage.

Der Arzt besteht darauf, ihr vor der Untersuchung den blutgetränkten Tampon höchstpersönlich zu entfernen. Das wäre "wichtig".

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Er rutscht mit seinem Stuhl ganz dicht zwischen die Beine der jungen Frau, die auf dem gynäkologischen Untersuchungsstuhl Platz nehmen sollte und beugt sich nach vorne. Den blauen Faden des Tampons könnte er nun mit seiner Nasenspitze berühren.

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Er zieht daran – ganz langsam – und atmet dabei schwer. Die junge Frau fühlt sich immer unwohler, bietet an, schnell selbst den Tampon zu entfernen. Der Arzt winkt nur ab und gestikuliert, dass sie ihn jetzt nicht stören und still sein solle.

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