Thread by @bastianoenrico

Die Wahl in #Italien ist vorbei.
Ein 🧵 mit Erkenntnissen und Einschätzungen, unterteilt nach politischen Blöcken.

(Tldr: Rechte gewinnen, weil Meloni einen geschickten Wahlkampf gemacht hat, hausgemachtes Desaster für Mitte-Links, Achtungserfolg für M5S)

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Grundsätzlich bemerkenswert: Erstmals seit 2008 hat ein politisches Lager eine nationale Parlamentswahl in 🇮🇹 klar gewonnen.
(Damals ebenfalls ein rechter Wahlsieg, noch unter Führung Silvio Berlusconis, seine Partei hieß damals zwischenzeitlich "Popolo delle libertà".)

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Das Rechtsbündnis holt einen deutlichen Sieg mit komfortablen Mehrheiten sowohl im Abgeordnetenhaus als auch im Senat. Wofür es nicht reichen wird: eine Zweidrittel-Mehrheit, die Verfassungsänderungen ohne bestätigendes Referendum ermöglicht hätte.

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Insgesamt ist das rechte Lager aus Fratelli d’Italia (FdI), Lega und Forza Italia (FI) um ca. 5 %Punkte i. Vgl. zu 2018 gewachsen: ein Zuwachs, keine Umwälzung.

Die Umwälzung hat aber innerhalb der Rechten stattgefunden: FdI >20 %Punkte ⬆️, Lega und FI ~16 Pt. ⬇️.

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Wie FdI um Giorgia Meloni gewonnen hat?
Meloni ist charismatisch, kommuniziert besser als d. Konkurrenz – und strategisch klüger als Salvini (Lega) und Berlusconi (FI).

D. Erfolg von FdI ist fast ausschließlich ihr Erfolg.
FdI hat ansonsten quasi keine populären Figuren.

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Meloni hat es als FdI-Vorteil ausgespielt, anders als FI und Lega s. 2018 immer in der Opposition gewesen zu sein.

Sie war Sammelpunkt der mit der Regierung auf rechter Seite Unzufriedenen, andererseits aber auch für moderat-konservative Wählerinnen und Wähler attraktiv.

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Meloni hat Wähler von der Lega und der FI an sich gezogen.
Wer sich verständlicherweise wundert, warum in 🇮🇹 auch moderat Konservative – für viele deutsche Konservative befremdliche – Parteien wie FdI und Lega wählen, sollte ein paar italienische Besonderheiten bedenken:

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1 - Italien ist seit dem Zweiten Weltkrieg - mit starken regionalen Unterschieden - insgesamt ein eher konservatives Land gewesen: ab 1948 hat über drei Jahrzehnte lang NUR die christdemokratische Democrazia Cristiana (DC) den Regierungschef gestellt.

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2 - Seit DC ab 1992 (Tangentopoli-Skandal) kollabiert ist, gibt es keine 🇮🇹Entsprechung mehr zu CDU oder CSU.
3- Seit 1994 (Berlusconis Eintritt in die Politik) war erst FI Sammelbecken für viele Konservative, später Lega, jetzt FdI.

Sollte man berücksichtigen.

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Im rechten Lager bemerkenswert:
Der Einbruch der Lega, vor allem im Norden.
Die Werte für die Partei (bis Mitte der 2010er eine separatistische nordital. Regionalpartei) sind von Lombardei bis Venetien zusammengeschmolzen, FdI führt nun auch dort das rechte Lager an.

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Viel von diesem Einbruch hat Salvini selbst zu verantworten, das wissen auch etwa die mächtigen Lega-Regionalgouverneure wie Luca Zaia in Venetien (die btw erheblich weniger weit rechts stehen als Salvini selbst). Gut möglich, dass Salvini bald abgesägt wird.
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Wie sich ein Ende Salvinis auf das Rechtsbündnis auswirken würde? Schwer zu sagen.

Allgemein gilt bei italienischer Politik: Die Parteienlandschaft ist seit 30 Jahren im Fluss – und wer meint, Ereignisse vorhersagen zu können, überschätzt sich meistens massiv.
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Ein kurzer Blick ganz, ganz weit nach rechts: von den am deutlichsten rechtsextremen Parteien wie "Italexit" oder diversen Corona-Schwurbler-Parteien hat es trotz der vglw. niedrigen Sperrklausel von drei Prozent keine einzige ins Parlament geschafft.

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Auf der Linken: Eine krachende Niederlage für den Partito Democratico (PD).
Die Wahlkampf-Hauptbotschaft war: "Wenn wir nicht gewinnen, kommen die Faschisten" - letztlich selbe Message wie 94/01/08 gegen Berlusconi.
Hat damals nicht funktioniert, funktioniert heute nicht.

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Dabei war das PD-Programm durchdacht und erheblich konkreter als das der Rechtsparteien (u.a. Klimaschutz).

PD hatte bei Regionalwahlen gerade bei jungen Wähler:innen zugelegt.

Aber er hat - anders als die Rechten - nicht im Ansatz ihr Bild vom 🇮🇹 der Zukunft vermittelt.

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Der PD hat in der Fläche in Italien durchaus Erfolg, stellt in Städten von Rom über Mailand bis Bergamo und Bologna beliebte Bürgermeister.

Aber auf nationaler Ebene versagt die Partei seit mindestens 15 Jahren dabei, ihr Potenzial zu nutzen.

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Ein Ergebnis, das mich wie viele Beobachter:innen in 🇮🇹 überrascht hat, war das – im Vergleich zu den Umfragen von vor zwei Monaten – ziemlich gute Ergebnis der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S).

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Giuseppe Conte hat es geschafft, die M5S gerade im Süden als sozialempathische, eher linke Partei zu inszenieren.
Viel davon hat mit dem wohl größten Erfolg der M5S an der Regierung zu tun: der Einführung einer Grundsicherung (vergleichbar m. Hartz IV/Bürgergeld in 🇩🇪).

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Ein Beispiel: das M5S-Ergebnis im Abgeordnetenhaus-Direktwahlkreis Napoli U02. M5S-Kandidat und Ex-Umweltminister Sergio Costa hat hier deutlich vor Außenminister Luigi Di Maio gewonnen - und der Rechten eines der schlechtesten Ergebnisse in Italien beschert.

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Die liberalen Parteien Azione und Italia Viva von Ex-Ministerpräsident Matteo Renzi und Ex-Minister Carlo Calenda haben ein gutes Ergebnis geholt, mit knapp unter 8 Prozent in beiden Parlamentskammern.

Das zeigt: Auch für eine liberale Partei gibt es in Italien Potenzial.

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TV-Journalist Enrico Mentana sagte in seiner Einordnung zum Wahlergebnis, Italien könnte jetzt auf dem Weg in die "quadripolarità" sein, mit vier politischen Lagern:

Rechts
Mitte-Links
M5S
Zentristisch-Liberale

Vielleicht bilden sich aber auch wieder neu Allianzen.

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Deprimierend niedrig war die Wahlbeteiligung:
2001 hatte sie noch bei 81,4 Prozent gelegen,
2018 noch bei 72,9 Prozent.
Diesmal ist sie auf 63,9 Prozent eingebrochen, der mit Abstand schlechteste Wert seit Gründung der Republik.

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Wie es jetzt weitergeht?
Dazu gibt es u.a. hier einen von einer renommierten Nachrichtenagentur (😙) verfassten Überblick:

de.marketscreener.com/boerse-nachric…

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