Wer sind die Transfeind*Innen der Gegenwart? Ein 🧵:

Das Akronym "TERF" – trans-exclusionary-radical feminist – bedeutet heute nicht mehr dasselbe wie in den 1970ern, 80ern, oder 90ern. 1⃣ Twitter Account: Dictonary.com  Text: "Beware of the TE
Zwar bezeichnet es noch immer Personen, die mehrheitlich weiß und cis sind und deren Politik und Aktivismus von Transfeindlichkeit bestimmt wird, aber die politischen und sozialen Hintergründe dieses Hasses haben sich in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren stark gewandelt. 2⃣
Die ursprünglichen TERFs entstammten einer bestimmten Strömung des transfeindlichen radikalen Feminismus - einer Strömung, die von feministischen Autorinnen der 1970er und 80er Jahre wie Janice Raymond vertreten wurde.
Raymond hatte in ihrem 1979 erschienenen Buch The Transsexual Empire bekanntermaßen dazu aufrief, "die Existenz von [transsexuellen Menschen] moralisch zu beenden". 3⃣ Raymond, JG (1979): The Transsexual Empire. The Making of th
Während sich seit den 80er Jahren viele lesbische Gruppen und Vereine mehr und mehr für die Integration von trans Personen stark machten, gerieten die Stimmen von transfeindlichen Akteuren im politischen und sozialen Diskurs um LGBTQIA+ Rechte ins Hintertreffen. 4⃣
Während der 2000er bis in die Mitte der 2010er Jahre galten sie als eine kleine unbedeutende Hassgruppierung, die mit ihren Aufrufen für eine Segregation lesbischer cis-Frauen aus der Zeit gefallen schienen. 5⃣
Wie konnten TERFs also zu einer globalen Bedrohung für die Rechte von trans Menschen werden? Für Ky Schevers, die eine Aussteigerin aus dem transfeindlichen Feminismus ist, ist die Antwort recht simpel: Es handelt sich nicht mehr um denselben Personenkreis. 6⃣ Ky Schevers eine de-trans Frau, die während ihrer Detransit
Mitte der 2010er Jahre infiltrierte eine kleine Gruppe von Aktivisten mit faschistischen Sympathien - die meisten aus der Umweltschutzgruppe Deep Green Resistance (DGR) - die ältere transexklusive Bewegung in den USA und zog sie politisch sehr stark nach rechts. 7⃣
Die Mitglieder der DGR waren, wie Schevers es nennt, "Ökofaschisten". Sie plädierten für gewalttätige Aktionen, die ein Massensterben der Menschheit verursachen würden, um die Umwelt zu retten. Anfangs rekrutierten sie sich aus anarchistischen und Umweltgruppen. 8⃣
Der DGR 2012 zerbrach aufgrund einer Reihe von Kontroversen, die mit der Transphobie ihrer Gründer, Lierre Keith, Derrick Jensen und Kara Dansky zu tun hatten. Dansky wird auch von deutschen Transfeind*Innen verehrt. 9⃣
Außerdem gründeten Keith und Dansky 2013 die "radikalfeministische" Organisation Women's Liberation Front, kurz WoLF. 🔟 Kara Dansky (WoLF) auf einem Panel der ultrakonservativen He
Nach der Wahl von Trump im Jahr 2016 suchte WoLF-Anschluss an die alt-right in den USA. Mitbegründerin Kara Dansky trat beispielsweise bei der „Heritage Foundation“ und der FOX News Show „Tucker Carlson Tonight“ auf, um gegen eine vermeintliche „Trans-Agenda“ zu wettern. 1⃣1⃣ Kara Dansky bei Tucker Carlson (2016)
Ausgehend von dieser Positionierung in der konservativen bis radikalen Rechten versuchen die transfeindlichen „Feminist*Innen“ von WoLF mit einer Reihe von Strategien ihre Positionen auch für die Mehrheitsgesellschaft anschlussfähig zu machen. 1⃣2⃣
Dabei soll die Transfeindlichkeit als Einstieg für die Promotion anderer rechter Positionen genutzt werden. Die erste dieser Strategien ist eine Aneignung feministischer Organisationsformen, gegenkultureller Lingo sowie klassisch linker Bildsprache. Zwei Poster zeigen dies. 1⃣3⃣
Das 1. zeigt das inklus. Selbsthilfe-Werk „Our Bodies Ourselves“. Es wurde Anfang der 1970er Jahre von feministischen Gruppen erarbeitet wurde, um es Frauen und anderen menstruierenden Personen zu ermöglichen sich angesichts eines übergriffigen Gesundheitssystems zu wehren. 1⃣4⃣ OBOS von 1973. Das Cover des Buchs zeigt Frauen mit einem Sc
Das zweite Poster zeigt eine Initiative von diversen rechten und transfeindlichen Organisationen, die sich einen feministischen Anstrich geben. 1⃣5⃣ WoLF und andere reaktionäre Gruppierungen rufen zu einer Ve
Akteure wie die Heritage Foundation, der Family Research Council, und die Alliance Defending Freedom bemühen sich seit vielen Jahren darum Freiheitsrechte, insbesondere jene von Frauen einzuschränken, was Ihnen im Fall des Gesetzes zur Abtreibung auch gelungen ist. 1⃣6⃣
Beachtenswert: Trotzdem schrecken angeblich feministische Gruppen wie der „WDI“ oder „WoLF“ nicht davor zurück mit diesen antifeministischen Akteuren eine Veranstaltung zu organisieren.

Das Brückenthema ist eine biologistisch begründete Transfeindlichkeit. 1⃣7⃣
Diese biologistisch begründete Transfeindlichkeit steht im Kern der Strategie von WoLF. Denn Transfeindlichkeit als Einstiegsthema in rechtes Gedankengut ist für viele Frauen die sich marginalisiert fühlen anschlussfähig. 1⃣8⃣
Dies gilt insbesondere für Frauen, die sich über ihre Rolle als Mutter identifizieren und für deren Belange es in vielen westlichen Gesellschaften noch immer viel zu wenig Programme und politische Repräsentanz gibt. 1⃣9⃣
Wieso, so fragen sich viele dieser cis Frauen, wird einer kleinen Minderheit wie z.B. trans Frauen gegenwärtig so viel Aufmerksamkeit geschenkt, wo „wir als Garantinnen des Fortbestehens der Menschheit“ ein marginalisiertes Dasein führen. 2⃣0⃣
Die Strahlkraft des Biologismus wurde bereits auch empirisch untersucht. In einer Studie, die im Journal „Sex Roles“ veröffentlicht wurde, legten die Gender Forscher*Innen Ching und Teng Xu 132 Student*Innen in Hongkong einen von drei Artikeln zum Lesen vor. 2⃣1⃣ Ching, Boby Ho-Hong, Teng Xu, Jason (2018): The Effects of G
Ein Artikel sollte die Vorstellung verstärken, dass Geschlechtsunterschiede eine biologische Grundlage haben, ein anderer sollte diese Ansicht in Frage stellen, und ein dritter hatte nichts mit Geschlechtsunterschieden zu tun und diente als Vergleichsgrundlage. 2⃣2⃣
Der Artikel, der eine biologische Grundlage für das Geschlecht befürwortete, stellte eine Studie vor, die angeblich ergab, dass "die Gehirne von Männern und Frauen unterschiedlich verdrahtet sind". 2⃣3⃣
Dies würde "einige der Unterschiede in der Persönlichkeit und im Verhalten von Männern und Frauen erklären könnte". Weiter wurde die Studie beschrieben und fiktive Experten zitiert: "Es gibt eine neurologische Ursache für die Geschlechtsunterschiede". 2⃣4⃣
Der zweite Artikel berichtete über dieselbe Studie, enthielt aber auch warnende Bemerkungen. So wiesen die Forscher darauf hin, dass Männer und Frauen "immer noch viele Ähnlichkeiten in Bezug auf die Gehirnarchitektur aufweisen". 2⃣5⃣
Ebenso sei "die Beziehungen zwischen Gehirn und menschlichem Verhalten komplex". 2⃣6⃣
In dieser Version warnten die Experten, dass die Studien "keinen Einblick in die soziobiologischen Entwicklungsprozesse bieten, die zu den beobachteten Unterschieden zwischen Männern und Frauen führen..." 2⃣7⃣
Es wird geschlossen: "Die neurologischen Assoziationen mit den Geschlechtsunterschieden seien nicht fixiert, sondern können durch Umweltfaktoren verändert werden." 2⃣8⃣
Ein dritter der fiktiven Artikel war völlig neutral - also ohne Wirklichkeitsstatements, die auf Menschen direkt bezogen werden können. 2⃣9⃣
Nach der Lektüre eines der drei Artikel und der Erledigung einer nicht damit zusammenhängenden Aufgabe beantworteten die Teilnehmer*Innen dann diverse Fragen, mit denen sie ihre Stereotypen über Transgender-Personen sowie ihre Einstellung ihnen gegenüber bewerten sollten. 3⃣0⃣
Sie gaben zum Beispiel an, wie sehr sie Aussagen wie "Transgenderismus gefährdet die Institution der Familie" und "Ich würde mich wohl fühlen, wenn ich erfahren würde, dass mein Nachbar ein Transgender ist" zustimmen. 3⃣1⃣
Eine letzte Gruppe von Fragen bezog sich auf die Bürgerrechte und enthielt Fragen wie: "Post-OP Transsexuelle in Hongkong sollten das Recht haben, in ihrem neuen Geschlecht zu heiraten" und "Transgender Menschen (...) sollten das Recht haben, ihre Geburtsurkunden zu ändern." 3⃣2⃣
Ching und Teng Xu fanden heraus, dass die Teilnehmer, die den Artikel gelesen hatten, der eine biologische Grundlage für Geschlechtsunterschiede befürwortet, signifikant häufiger von negativen Stereotypen über Transgender-Personen berichteten. 3⃣3⃣
Sie lehnten häufiger auch die gleichen Rechte für trans Menschen ab und berichteten mehr Vorurteile und Stereotype. Die Antworten der Teilnehmer, die den alternativen Artikel oder den Kontrollartikel gelesen hatten, unterschieden sich jedoch nicht voneinander. 3⃣4⃣
Ching und Teng Xu vermuten, dass der Artikel, der eine biologische Grundlage für die Geschlechtsunterschiede befürwortet, das verstärkt hat, was Psycholog*Innen und Philosoph*Innen eine "essentialistische" Sichtweise auf das menschliche Geschlechts nennen. 3⃣5⃣
Also die Vorstellung, dass Männer und Frauen zu grundlegend unterschiedlichen Kategorien gehören, die eine inhärente Grundlage (eine "Essenz") haben, so dass die Kategorien scharfe und unveränderliche biologisch determiniert begrenzt sind. 3⃣6⃣
Damit kann behauptet werden, dass Mitglieder derselben biol. Kategorie wichtige Gemeinsamkeiten miteinander teilen. Bei einer solchen Sichtweise ist es schwer, eine Diskrepanz zwischen der Geschlechtsidentität einer Person und dem ihr zugewiesenen Geschlecht zu verstehen. 3⃣7⃣
Dies öffnet die Tür dafür die biologische Grundlage für das zugewiesene Geschlecht als Ausdruck des wahren "Wesens" eines Menschen zu positionieren - auch & gerade politisch. 3⃣8⃣
Eine Strategie, wie sie die "TERF-to-Alt-Right_Pipeline", wie sie in den USA von rechten Think Tanks entwickelt wurde bedient. Es ist eine Kulturkampfstrategie in der trans Menschen zum Spielball gemacht werden, um im Endeffekt cis Frauen für rechte Positionen zu gewinnen. 3⃣9⃣
Diese Strategie / Roadmap, werden wir morgen in einem zweiten Teil genauer vorstellen. 4⃣0⃣
Nachtrag:
Es ist sehr erschreckend, dass dieser Biologismus gerade auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz dazu genutzt wird um cis Frauen für rechte Positionen zu gewinnen. Der Schaden der daraus für trans Menschen entsteht wird immer spürbarer.

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More from @Cis_for_Trans

Sep 28
Und es gibt ihn doch noch, den investigativen sozialen Journalismus in der Tradition von HS Thompson.

Ein kluger Beitrag dazu, wie transfeindliche Aktivist*Innen gegen Feminist*Innen von rechten Akteuren aufgebracht werden.

Chapeau @derfreitag! 1⃣

freitag.de/autoren/marlen…
Zitat:
"Etwa als Vollbrecht nachlegte und ihre Thesen zum Geschlecht mit der Behauptung garnierte, trans Personen hätten sich der Verfolgung durch das NS-Regieme leicht entziehen können, im Gegensatz zu homosexuellen Männern." (...) 2⃣
"Wenn es ihr doch um unleugbare biologische Tatsachen geht, warum dann die zynische Aufrechnung von Opferpositionen? Medizinsoziologin Dana Mahr, die vehement gegen Vollbrechts These argumentierte, wurde zur Zielscheibe eines rechten Online-Mobs (...)." 3⃣
Read 4 tweets
Sep 28
Die @faznet hat zu dem "Artikel" über den vermeintlichen "Cancel Culture"-Fall um Fr. Asteriti eine Korrektur veröffentlicht. Was ist mit den anderen Unwahrheiten?

Ich verlinke diese noch einmal unten. Sie wissen schon, journalistische Standards sind in diesen Zeiten wichtig.
Read 5 tweets
Sep 27
TERFs und die Sexualaufklärung. Ein 🧵.

Am 15. September 2022 hat @pinkstinksde in der Tradition des internationalen "Women’s Health Movement" ein Aufklärungsvideo für Frauen und andere Menschen mit Vulva veröffentlicht. 1⃣

In dem Video werden in kurzweiliger Form und mit einfacher inklusiver Sprache die wesentlichen anatomischen Merkmale und Funktionen dieses Organs vorgestellt. 2⃣
Insgesamt sollen die Zuschauer*Innen dazu ermutigt werden die Kenntnis über ihre eigene Vulva mithilfe von Selbstuntersuchungen teilweise in die eigene Hand zu nehmen. 3⃣
Read 27 tweets
Sep 26
1/4 #Vollbrecht sollte nach Aussage meiner Frau den Vortrag halten dürfen. Der Vortrag wurde aufgrund der Gegendemo ihrer eigenen Bubble abgesagt. Den Medienrummel um ihre Person hat sie selbst zu verantworten. Tweet von @mpr_muc: Vorläuf...
2/4 Wir haben mehrfach darum gebeten persönlich abgemahnt zu werden. #Höcker zieht es allerdings vor finanzschwache Transverbände und kleine Accounts bei Twitter anzugreifen. Wir stehen auch weiterhin zum Inhalt des #.
3/4 Wir haben immer zu Mäßigung und gegen Gewalt aufgerufen. Etwas das #Vollbrecht über Wochen hinweg unterlassen hat.
Read 9 tweets
Sep 26
E.M. Wir wehren uns nicht gegen „Kritiker“. Wir wehren uns gegen Menschen die mit Vergewaltigung drohen, Suizide feiern, doxxen, swatten und kein Problem mit rechtsradikaler Ideologie haben, wenn es denn nur dazu dient trans* zu verhindern. Image
D.M. Frau Jeffreys macht aus den eliminatorischen Absichten auch keinen Hehl, lieber Jan A. Karon. Und übrigens, ich bin keine Aktivistin sondern Wissenschaftlerin. Ledigilich daduch, dass ich trans* bin und lebe werde ich politisiert. Ein Unterschied.

E.M. Das war meine Antwort: Nein, ich und meine Frau si...
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