Digitale Patientenakte – Pro und Kontra.

Alle Daten immer griffbereit.
Die Möglichkeit Muster zu analysieren, ggf. sogar neue medizinische Erkenntnisse zu gewinnen.

Das klingt alles erst einmal super!

1/

aerzteblatt.de/archiv/227764/…
Was aber, wenn falsche oder missverständliche Informationen eingepflegt werden?
99% aller Hausärzte bspw. halten die Entlassbriefe ihrer PatientInnen generell für verbesserungswürdig, stolpern über unbekannte Abkürzungen und Fehler.

2/
hausarzt.digital/praxis/arztbri…
Der tragische Fall ein und derselben Patientin macht die Defizite im Bereich ärztlicher Kommunikation bestens deutlich:

a) Abdomen abtasten:
Sie hatte derart starke Schmerzen, dass sie darum bat, man möge ihr nicht auf den Bauch drücken. Im Arztbrief stand dann aber:

3/
"Pat verweigert Untersuchung. Keine abdominellen Schmerzen nachweisbar."

b) H2-Atemtest zum Ausschluss einer Dünndarmfehlbesiedelung:
5 Tage zuvor hatte man ihr wegen eines Hafnwegsinfektes Antibiotika für eine Woche verordnet (was den Test nicht auswertbar macht).

4)
Im Arztbrief stand:
H2-Atemtest unauffällig, eine Fehlbesiedelung liegt nicht vor.

c) Hydro-MRT:
Zur detaillierten Darstellung ihres Dünndarms erhielt sie vor der Untersuchung Kontrastmittel zu trinken. Dann kam jedoch 1 Notfall rein, ihre Untersuchung verschob sich um 1 h.

5/
Das Kontrastmittel hatte bis dahin den Dünndarm verlassen. Der konnte im MRT nicht mehr beurteilt werden. Im Arztbrief stand dann aber: "Keinerlei Auffälligkeiten."

Etc., etc....

So lange den PatientInnen noch analoge Befunde und Berichte ausgehändigt werden,

6/
haben diese zumindest die Chance solche Fehler zu bemerken, um Korrektur zu bitten (mit fraglichem Erfolg) diese zumindest aber nicht weiter zu geben.

Bei einer automatisch digital und zentral abgelegten Patientenakte, setzen sich solche Fehler quasi in Echtzeit und

7/
wie eine Laufmasche fort. Sie jemald wieder zu berichtigen ist nahezu aussichtslos.

Bevor man also über Digitalisierung spricht, müssen wir uns dringend über ärztliche Kommunikation unterhalten. Denn die ist ohne Zweifel deutlich verbesserungsfähig.

8/
Oder mit den Worten einiger IT-ler ausgedrückt:

"Der Fehler sitzt so gut wie immer VOR der Tastatur."

Die englischsprachigen Techies sind da noch weniger zimperlich:

"A fool with a tool is still a fool."

Und sie haben Recht!
Damit die Innovation nicht zum Boomerang wird,

9/
muss man erst die grundlegenden Hausaufgaben machen. Und ganz nebenbei helfen diese Skills dann auch in allen anderen Lebensbereichen.

1 Prise Watzlawick kann hier schon helfen. Vor allem aber 1 Schritt zurück.

"Kommt das, was ich sagen will auch an?"

10/
Und so lange die Antwort nicht
"Definitiv, zu 100%" lautet, brauchen wir über Digitalisierung gar nicht nachzudenken.

Bei einem Backrezept mag so etwas schon ärgerlich sein. In der Medizin schlimmstenfalls tödlich.

Es gibt so viel zu tun.
Packen wir es an!

#KrankeMedizin

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Sep 28
"Das ist wahrscheinlich psychosomatisch."

Oft bemüht und selten richtig.

Wenn Ärzte an den Punkt kommen, dass sie sich die Beschwerden von PatientInnen nicht erklären können, wird diese Karte schnell und oft gezogen.

Das, was zugrunde liegt, lässt tief blicken:

1/
Aber schauen wir einmal genauer hin.

Zunächst fällt auf, dass Frauen signifikant öfter mit dieser Unterstellung konfrontiert werden – teils noch bevor eine körperliche Untersuchung stattgefunden hat.

Ihnen wird unterstellt, wehleidiger und "dünnhäutiger" zu sein.

2/
Zudem schildern sie ihre Beschwerden und Symptome differenzierter – allein das macht sie bereits verdächtig.

Dass Medizin und die Beschreibungen von Krankheitsbildern von jeher auf Männerkörper ausgelegt sind und oft auf Frauen gar nicht zutreffen, ist längst bekannt.

3/
Read 16 tweets
Sep 27
Es geht uns mit diesem Account um PatientInnen. Aber auch um Pflegepersonal, Ärztinnen und Ärzte.

Viele aus der #MedBubble stehen unter Druck, pfeifen aus dem letzten Loch.

Aber es sind PatientInnen, die im Zweifel mit ihrem Leben bezahlen. Jeden Tag.

1/
Schuld ist ein auf Profit ausgerichtetes System. Schuld ist aber auch das Welt- und Menschenbild vieler Mediziner.

Und bei allem Verständnis für den Stress und die hohe Belastung: Es liegt auch an Euch, hieran etwas zu verändern.

2/
Ein großer Schritt wäre es bereits, PatientInnen als gleichberechtigt anzuerkennen, Fehler einzuräumen, Transparenz zu schaffen.

In kaum einer Situation ist das Machtgefälle größer und viele lassen das die kranken und auf Hilfe angewiesenen Menschen deutlich spüren.

3/
Read 8 tweets
Sep 20
Eine befreundete Kinder- und Jugendtherapeutin aus Süddeutschland erzählte mir einmal von einem gruseligen und sehr skurrilen Erlebnis:

Im Rahmen ihrer Ausbindung musste sie vor fünf Jahren auch einige Monate in einem Krankenhaus absolvieren.

1/
Zusammen mit einigen KollegInnen wurde sie in dieser Zeit zu einem Kongress geladen. Die Themen waren bunt gemischt. Unter anderem präsentierte auch der gynäkologische Chefarzt eines großen Klinikums stolz einen von ihm entwickelten "Therapieansatz für Beziehungsprobleme".

2/
Er leitete damit ein, dass insb. Männer von der "Lustlosigkeit und Zurückhaltung" ihrer Frauen im ehelichen Schlafzimmer oft frustriert seien. Der "Trieb von Frauen" wäre ja bekanntermaßen weniger ausgeprägt als der von Männern. Und das führe zu Konflikten.

3/
Read 9 tweets
Sep 19
Ein Mann kommt wegen entzündetem Blinddarm ins Krankenhaus. Direkt OP. Alles läuft prima.

Er liegt danach in einem Zweibettzimmer. Neben ihm ein älterer Mann. Die Gitter an dessen Bett sind rund herum ganz hoch gezogen. Auf dem Nachttisch stehen Schnabeltassen.

1/
Auf sein freundliches "Hallo" hatte der alte Herr nicht geantwortet. Er liegt nur da und starrt an die Decke. Der Blinddarm-Patient denkt sich nichts weiter.

In der Nacht fängt der Opi dann plötzlich an zu schreien. Er ruft, dass er Angst hat. Und Schmerzen.

2/
Erst versucht der "Blinddarm" mit ihm zu sprechen, ihn zu beruhigen aber er wird immer panischer, drückt verzweifelt immer wieder auf die Klingel.

Nach zehn Minuten kommt die Nachtschwester, fragt was los ist. "Ich will nicht. Sie holen mich." ruft der Opi.

3/
Read 14 tweets
Sep 18
MORBUS GERMANICUS +
MORBUS MEDITERANEUS klingen wie Krankheiten.

In Wirklichkeit ist beides von Ärzten offiziell gelebter Rassismus.

"Germanicus" beschreibt den "tapferen Nordeuropäer", der selbst mit Blinddarm nicht jammert. "Mediteraneus" den "weinerlichen Südländer".

1/ Image
Mit diesen absolut unwissenschaftlichen und menschenverachtenden "Diagnosen" werden auch heute noch tausendfach und ohne mit der Wimper zu zucken nichtsahnende PatientInnen abgestempelt.

Klingt ja wichtig.
Wirkt ja offiziell.

2/
Es zieht sich wie ein roter Faden durch die Medizin, dass persönliche Vorurteile und Abneigungen von Ärzten in deren Diagnosen einfließen.

So wird Frauen schnell mal Hysterie und Migranten Wehleidigkeit unterstellt:

flexikon.doccheck.com/de/Mittelmeers…

3/
Read 9 tweets
Sep 18
Eine junge Frau kommt zum Gynäkologen – ein älterer Arzt Ende 50. Routineuntersuchung. Sie hat gerade ihre Tage.

Der Arzt besteht darauf, ihr vor der Untersuchung den blutgetränkten Tampon höchstpersönlich zu entfernen. Das wäre "wichtig".

1/
Er rutscht mit seinem Stuhl ganz dicht zwischen die Beine der jungen Frau, die auf dem gynäkologischen Untersuchungsstuhl Platz nehmen sollte und beugt sich nach vorne. Den blauen Faden des Tampons könnte er nun mit seiner Nasenspitze berühren.

2/
Er zieht daran – ganz langsam – und atmet dabei schwer. Die junge Frau fühlt sich immer unwohler, bietet an, schnell selbst den Tampon zu entfernen. Der Arzt winkt nur ab und gestikuliert, dass sie ihn jetzt nicht stören und still sein solle.

3/
Read 12 tweets

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