Eigentlich will ich nur eine echt einfache Frage beantwortet haben, für die ich aber ganz kurz ausholen muss...
Dass die Brücke(n, denn eigentlich sind's ja 2, ein Highway und eine beidseitig befahrbare Eisenbahn) aus russischer Sicht von immenser strategischer Bedeutung ist, setze ich als Konsens für alle Erklärungsversuche jetzt einfach voraus. Das wird ja wohl niemand bestreiten wollen.
Die Russen haben die Lkw-Bomben-Theorie in die Welt gesetzt.
Sogar unabhängig von der Herkunft der Quellen erscheint diese Theorie aus verschiedenen Gründen nicht sehr plausibel.
Offiziell besitzt die Ukraine keine SSMs, welche diese Brücke in ihre Reichweite bringen würde.
Die HIMARS, welche sie offiziell bekommen hat, kommen 90, maximal 120km. Und...
Don't forget... Eine Brücke bleibt ein schwer zu treffendes Ziel, wenn man von einer Rakete ausgeht.
Nichtsdestotrotz erscheint die Hypothese einer Rakete ungleich plausibler.
Und Schrapnelle erklären den Brand des benachbarten Zuges ziemlich gut.
Dafür braucht's keinen mit Thermit beladenen Lkw, der erfolgreich Sicherheitskontrollen umgeht und Selbstmordabsicht unterstellt.
Und völlig unabhängig davon, dass ich intuitiv die Eisenbahn für ein strategisch wertvolleres Ziel gehalten hätte und auch die Ukraine unter der Annahme verschiedener Frontentwicklungen vielleicht sehr wohl ein Interesse daran haben könnte, die Straßenbrücke heil zu lassen...
Dass die Zerstörung von mindestens der halben Straßenbrücke erstmal mindestens ein großer PR-Erfolg aus ukrainischer Sicht ist, dürfte ja wohl unbestritten sein.
Vielleicht weniger catchy, aber wichtiger: Die Statik der Eisenbahnbrücke an dieser Stelle ist völlig diskreditiert.
Sowohl Stahl als auch Beton haben Eigenschaften, aus deren Gründen man sie gerne gemeinsam verbaut.
Ums kurz zu machen:
Große Hitze ist keinem beider Werkstoffe oder deren Symbiose zuträglich. Absolut nicht.
Beton wird spröde, Stahl verliert Elastizität. Schlechter Mix.
Ich persönlich hätte einfach die Eisenbahn für das strategisch wertvollere Ziel gehalten als die Straße.
Das wäre eins der wenigen guten Argumente für die Lkw-Theorie. Quasi annehmend, dass dies das Maximum war, das man hatte umsetzen können.
Aber völlig egal, wovon man jetzt ausgeht, wollte ich ja auf was hinaus.
Ich habe keinen blassen Schimmer, in welcher Taktung die Züge diese Brücke passieren.
Aber selbst, wenn sie das in einer 10-Minuten-Taktung täten, wäre der Co-Treffer des Zuges super unwahrscheinlich.
Ist es nicht viel wahrscheinlicher, dass unabhängig davon, ob Straße oder Eisenbahn das Ziel war, der Zug mindestens ausschlaggebendes Co-Target war, das man gern mitnahm?
Anspruchsvoll umzusetzen, recht unrealistisch, das zu timen, egal womit…
…außer man nimmt eine Sache an.
Ich bin keine Lokführerin.
Aber ich weiß trotzdem, dass Züge keine Fliegengewichte sind. Güterzüge wiegen was. Auch kurze bewegen hunderte Tonnen Masse.
Masse ist träge.
Der Zug steht quasi direkt neben dem Ort der Detonation.
Das ergibt keinen Sinn.
Angenommen, das wäre aus ukrainischer Sicht ein Lucky Punch...
Wenn durch eine Detonation dem genau dann vorbeifahrendem Zug die Bremsleitungen weggerissen und mechanisch automatisiert eine Notbremsung eingeleitet wird...
...dann steht der deswegen noch lange nicht sofort.
Ich weiß nicht, ob die Züge diese Brücke mit 50, 70 oder 100 km/h befahren.
Aber 30 km/h werden es ja wohl wenigstens sein.
Und dann ergibt der Standort der niedergebrannten Waggons keinen Sinn.
Außer natürlich…
…man geht davon aus, der Zug stand bereits vor der Explosion.
Das macht den „Zufall” des sehr unwahrscheinlichen Co-Treffers wovon auch immer viel plausibler.
Ich hab gerade keine bessere Erklärung, als dass der Zug dort schon vorher stand.
Dann genau diesen Teil der immerhin 17km langen Brücke zu attackieren, ist auch viel schlüssiger.
Was allerdings völlig unschlüssig ist:
Warum zur Hölle parkt man inmitten eines Krieges einen Güterzug, beladen mit hochbrennbarem Material mitten auf einer Brücke, die für einen selber von derart immenser strategischer Bedeutung ist?
Ist das nicht ein bisschen bescheuert?
Selbst unter der Annahme, dass man aus russischer Sicht davon ausging, außerhalb der Reichweite gegnerischer Raketen zu sein, weil man glaubte, die Ukraine habe keine ATACMS oder Vergleichbares erhalten, widerspricht das derart fundamentalen Instinkten...
Das ergibt keinen Sinn.
Da ich aktuell keine bessere Erklärung habe für das, was unabstreitbar zu sehen war, gehe ich davon aus, dass der Zug bereits dort stand, wenn er nicht in unfassbarem Schneckentempo unterwegs war.
Sein Bremsweg wäre sonst viel länger.
Das triggert mich, weil's so unlogisch ist.
Um diesen also doch wieder zu lang gewordenen Thread zu schließen und meine eigentliche Frage(n) zu stellen:
Wenn der Zug sich bewegt haben soll, dann halte ich seinen Bremsweg für völlig unrealistisch.
Kann mir das jemand widerlegen?
Sehr gern. Ich bitte ausdrücklich darum.
Solange das aber keiner tut, geh ich davon aus, dass dieser Zug bereits stand.
Und dann drängt sich die Frage auf, was es denn über Strukturen und Substrukturen aussagt, wenn man es für ne gute Idee hält, Güterzuge mit hochbrennbarer Ladung auf vulnerablen Lebensadern zu parken.
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