Heute habe ich mich gemeinsam mit einem Fernsehteam am Rande der Demo von "Chemnitz steht auf" bewegt. Wir wollten wissen, was die Leute umtreibt und warum sie unseren Gesellschaftskonsens, nicht mit Neonazis zu paktieren, verlassen. Ein kleiner Erfahrungsbericht. 1/x
Die Journalist*innen wollen zeigen, wie Faschist*innen Krise für Krise dafür nutzen, ihr krudes und menschenverachtendes Weltbild anschlussfähig zu machen und breite Schichten unserer Bevölkerung zu erreichen. 2/x
Der Beobachtungszeitraum der Journalist*innen begann mit den Ausschreitungen 2018 in Chemnitz, dokumentiert die Versuche der Faschist*innen die Pandemie zu instrumentalisieren und endet nun mit den sog. Montagsdemos zum Krieg in der Ukraine. 3/x
Spoiler: Den Leuten ist es egal, mit wem sie da Seite an Seite marschieren oder ob sie willfährig das Merch rechtsextremer Parteien rumschleppen. Und ja, es gibt keine Möglichkeit für einen Dialog. 4/x
Stattdessen werden Politiker*innen wie Lauterbach oder Baerbock als Nazis beschimpft, der Opferkult, in einer Diktatur leben zu müssen, wird so lange inbrünstig rausgeschrien bis es der oder die Letzte auch noch glaubt. 5/x
Die Gemengelage blieb die ganze Zeit diffus. Die Themen reichten von Maskenpflicht und Impfungen über Endstation Multikulti hinzu Waffenlieferungen und den sozialen Folgen des Krieges in der Ukraine. 6/x
Die Ängste um die eigene Existenz, die Sorge, das mühselig Erarbeitete und Ersparte im Zuge des Energiepreisanstiegs zu verlieren, wurde immer wieder von den Teilnehmer*innen thematisiert. Dialogbereitschaft Fehlanzeige. Es ging nur darum, der Wut Ausdruck zu verleihen. 7/x
Was für alle klar war und ist, die Regierung ist an Allem Schuld. 8/x
Die Angst, das Wirrwarr schlug in Wut und Hass um. Angriffe auf die Journalist*innen lagen jederzeit in der Luft und als es dazu kam, waren glücklicherweise die eigenen Sicherheitskräfte zur Stelle. 9/x
Kurzum: Es ist den Demoteilnehmer*innen (und sie würden es hassen, dass ich sie so nenne) vollkommen egal, dass sie gemeinsam mit Alt- und Jungfaschos, Rechtsextremist*innen von ProChemnitz, der #fckafd und Freien Sachsen gemeinsame Sache machen. 10/x
Es bestand keinerlei Problembewusstsein. Es war postfaktisch, ignorant und brandgefährlich. Die wütenden Teilnehmer*innen gefährden so unser aller Zusammenleben. 11/x
Am Ende wusste ich nicht welches Gefühl überwog. Ich war entsetzt, immer wieder sprachlos und traurig. Und ich hatte Angst unversehrt nach Hause zu kommen. Zuhause bin ich nun, unversehrt aber immer noch entsetzt. 12/x
Ich versuche immer auch die guten Seiten meiner Heimatstadt Chemnitz hervorzuheben, aber gerade hat es mir echt den Boden unter den Füßen weggezogen. Vor ca. einem Jahr wurde ich im Fußballverein intern gesperrt und meines Kapitänsamtes entbunden, weil ich mich 1/x
weigerte unter einem Trainer aufzulaufen, der in der #fckafd ist. Heute hat mich meine Mannschaft verabschiedet. Sie haben sich seinerzeit mit mir solidarisiert und über zehn Jahre im selben Team verbinden eben. Im Laufe des Abend werden ein paar Saufsongs geschmettert. 2/x
Alles okay. Gehört sich so. Doch dann wird einer dieser Songs mit einem inbrünstigen „Sie* H***" abgeschlossen. Und ich bin der einzige der interveniert. Keiner sagt etwas. Alles verstummt. #sucksen das ist dein Problem. Das Unsagbare ist wieder sagbar. 3/x