Am schlimmsten am #ADS ist für mich eigentlich: Ich hätte nicht als Versagerin dastehen müssen. Ich hätte Abitur viel früher machen können. Ich könnte mein Studium bereits abgeschlossen haben. Ich hätte vielleicht nie den Glaubenssatz verinnerlicht, dumm zu sein.
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Und das glaube ich, obwohl ich damals als hochbegabt eingestuft wurde von den Lehrern. Ich könnte bereits in meinem Traumberuf arbeiten und hätte mir nie den Hass gegen meinen Beruf angetan. Ich würde mit Respekt behandelt werden für das, was ich tun würde.
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Ich hätte viel mehr Selbstwertgefühl. Ich würde wahrscheinlich gerade an meinem Doktortitel arbeiten, hätte promoviert, statt mich verzweifelt zu fragen, ob ich einen Test mit 10 Fragen zum Ankreuzen schaffe. Ich hätte einen Beruf, würde nicht von Grundsicherung leben.
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Ich hätte mit meinem höheren Selbstwertgefühl vielleicht nie Depressionen entwickelt. Vielleicht hätte ich mehr stabile Freundschaften aufgebaut. Vielleicht hätte ich sogar eine Partnerin, weil meine Probleme nicht jeden abschrecken würden. Vielleicht wäre ich Dozentin.
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Vielleicht wäre ich eine echte psychologische Psychotherapeutin. Oder ich wäre bereits forensische Psychologin und würde Menschen helfen, eine kriminelle Vergangenheit hinter sich zu lassen. Ich würde Verbrechen aufklären, wäre Fallanalytikerin.
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Was bin ich? Das hier. Glücklich, einen Kurs zur Trauerbegleiterin bestanden zu haben, weil ich 11/12 Prüfungsfragen richtig angekreuzt habe... Glücklich, wenn ich eine Stunde am Tag schaffe zu lernen. Stolz auf Kurse, die andere nie anerkennen werden.
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Stolz, den Aufbau und die Struktur des ICD-10 zu verstehen. Stolz, einen Termin selbstständig vereinbart und nicht vergessen zu haben. Wieso? Weil niemand auf die Idee gekommen ist, mich gründlich diagnostizieren zu lassen. Weil stattdessen lieber gesagt wurde, ich sei faul.
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Ganz ernsthaft: Wenn ihr Kinder habt, tut ihnen das bitte nie, nie, nie an. Stempelt sie nicht als faul, dumm oder unwillig ab. Schei* doch drauf, ob irgendeine Pharmalobby Geld verdient! Schei* drauf, ob andere an die Diagnose "glauben" oder was die Nachbarn denken.
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Schei* verdammt auf irgendwelche Deppen, die glauben, AD(H)S hätte was mit Erziehung zu tun. Lasst nicht zu, dass eure Kinder irgendwann ihr halbes Leben bereuen. Lasst nicht zu, dass sie den Glauben an sich verlieren, weil jemand der Ansicht ist, dass sie "das"
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doch wohl mal können müssen. Erwartet nicht, dass eure Kinder "das halt lernen müssen, man kann ja nicht nur Pillen schlucken ". Ich würde alles, einfach alles geben, die Vergangenheit ändern zu können. Hätte mir doch irgendwer geholfen... Ich hätte auch 20 Pillen genommen.
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Ich hätte alles getan. Helft euren Kindern. Und wenn das Kind für ein gutes Leben Medikamente braucht, dann ist das verdammt nochmal eben so! Verwehrt ihm nicht wegen eurer eigenen Ideologie ein normales Leben. Vielleicht verzeiht euer Kind euch das später nicht.
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Ich tu´s nicht. Denn ich habe 10 Jahre meines Lebens verschwendet und muss nun sehen, wie ich diese nachholen kann.
Helft euren Kindern!
12/12
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Wenn ich sage, ich hab ADS, denken viele an den klassischen Typus ADHS, impulsiv, Zappelphillip, Klassenclown. Wir ADSler sind auf den ersten Blick nicht so auffällig. Wir sind verträumt, unkonzentriert, wirken auf andere faul, sogar dumm. Schon als Kinder.
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Wir saßen als Kinder eher am Fenster, in Tagträumen versunken, und guckten nach draußen. Unsere Einschätzungen sind eher: "Könnte mehr aus sich rausholen, wirkt nicht interessiert, verweigert Hausaufgaben...etc" Wir werden eher als faul wahrgenommen statt frech.
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Es ist ein Reizfilterproblem. Auf uns strömen extrem viele Eindrücke ein. Wir können vieles nicht rausfiltern, nicht ausblenden(beide Formen übrigens). Als sollte eine Festplatte mehr Informationen speichern als Speicherplatz vorhanden ist.
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