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Dec 26, 2022 21 tweets 3 min read Read on X
Heute möchte ich Ihnen eine Geschichte erzählen: von einem Bäcker in einem saarländischen Dorf, direkt an der französischen Grenze.

Auf geht's.
In unserem kleinen Dorf arbeitet genau ein Bäcker, der jeden Morgen Brötchen für das Dorf backt. Die Nachfrage liegt gleichbleibend bei 100 Brötchen pro Tag. Die Versorgung könnte man also sicherstellen, wenn unser Bäcker auch 100 Brötchen pro Tag backen würde.
Unser Bäcker ist aber ein grüner Bäcker. Er besteht darauf, dass der Strom für seine Bäckerei von dem Windrad in seinem Garten geliefert wird. Er backt genau so viele Brötchen, wie er eben Strom an dem entsprechenden Tag hat.
Natürlich hat man im Ortsrat schon versucht, mit ihm hierüber zu reden, aber da war nichts zu machen. Er ist überzeugt davon, dass von dem kleinen Dorf aus unsere Welt gerettet wird. Und viele Ortsratsmitglieder und der Herausgeber der kleinen Ortszeitung kleben an seinen Lippen
Und so ist es dann eben so, dass er am ersten Tag 200 Brötchen backt, am zweiten Tag 50 und am dritten Tag bleibt die Backstube geschlossen, weil er keinen Strom hat. Für den Ortsrat bedeutet dies nicht wenig Aufwand, um die Versorgung mit 100 Brötchen sicherzustellen.
Am ersten Tag ist dies natürlich problemlos möglich. Man hat statt 100 Brötchen sogar 200 und die Unterstützer des Bäckers im Ortsrat und der Herausgeber der Ortszeitung jubeln an diesen Tagen, wie toll das Dorf durch den Bäcker versorgt werden kann.
Dass an diesem Tag 100 Brötchen weggeworfen werden müssen, sagt man eher ungern. Auch für den Bäcker ist dies kein Problem, denn seine Unterstützer im Ortsrat haben durchgesetzt, dass er diese bezahlt bekommt, als hätte er sie verkauft.
An den Tagen 2 und 3 fehlen dem Ort dann 50 bzw. 100 Brötchen, also macht sich ein Vertreter des Ortsrats, Herr Vernunft, immer früh auf den Weg zu einer Bäckerei im frz. Nachbardorf - in der Hoffnung, dass diese ihm die fehlenden Brötchen verkaufen können.
Früher hatte die frz. Bäckerei immer genug Brötchen für ihn gehabt. In diesem Jahr kam er aber oft mit leeren Händen zurück, weil man dort keine mehr übrig hatte. Dann haben die Freunde des Bäckers laut auf die Franzosen geschimpft, weil man sich auf sie nicht verlassen könne.
Natürlich hat Herr Vernunft öfter versucht, im Ortsrat zu diskutieren, dass man selbst eine tägliche Produktion von 100 Brötchen sicherstellen muss, aber er wurde immer wieder von den Freunden des Bäckers niedergebrüllt und ...
in der Dorfzeitung kamen dann am Folgetag immer sehr unangenehme Berichte über ihn, dass er sich der historischen Rettung der Welt durch das Dorf entgegenstellen würde. Um nicht stets als Schurke dazustehen, nahm sich Herr Vernunft deshalb vor, das Thema nicht mehr anzusprechen.
So einigte man sich im Ortsrat darauf, ein zusätzliches Windrad in den Garten des Bäckers hinter das erste aufzustellen. Der Dorfkämmerer rümpfte hierüber zwar die Nase, schließlich sind Windräder in der Zwischenzeit sehr teuer geworden und die Stromausbeute war enttäuschend ..
aber was sind schon wirtschaftliche Bedenken, wenn das Dorf eine historische Mission zu erfüllen hat. So setzten die Freunde des Bäckers auch durch, dass den Ortsbewohnern alle Einspruchsmöglichkeiten genommen wurden, sodass das Windrad möglichst schnell aufgestellt werden konnte
Als Folge des neuen Windrads konnte unser Bäcker seine Produktion um 40% steigern. So waren es nun am ersten Tag 280 statt 200 Brötchen. Die Dorfzeitung jubelte umso lauter, aber für das Dorf nahmen die Belastungen zu, da man dem Bäcker nun 180 statt 100 Brötchen ersetzen musste.
Am Tag 2 produzierte der Bäcker 70 statt 50 Brötchen und am windstillen dritten Tag blieb die Backstube weiter geschlossen. Und nach wie vor musste Herr Vernunft morgens nach Frankreich fahren, um die fehlenden Brötchen einzukaufen. Ein wenig bemitleidete man ihn dort ...
besonders traurig wurde er aber immer dann, wenn er mit seinem Auto durch das Neubaugebiet fuhr, wo auch viele junge Leute aus dem Dorf ein neues Zuhause gefunden hatten, während sein Dorf vergreiste und zerfiel.
Herr Vernunft hatte es inzwischen aufgegeben, die Missstände im Dorf anzusprechen. Es war schon lange keine Diskussion mehr möglich, die Freunde des Bäckers fielen ihm sofort ins Wort und gifteten ihn an, dass Ewiggestrige wie er sowohl bei ...
dem Brötchenthema als auch bei vielen anderen Energiewende-Initiativen des Dorfes stets die boshaften Verhinderer gewesen seien und so die epochale Rettung der Welt durch das Dorf verhindert hätten.
Herrn Vernunft wurden die ständigen Angriffe zu viel und so beschloss er, auch zu seinen Kindern und Enkeln in das französische Nachbardorf zu ziehen, welches weiter aufblühte und wo er sich fortan wohlfühlte.
Sein altes Dorf hingegen ächzte immer mehr unter den finanziellen ...
Belastungen - es vergreiste und zerfiel immer mehr. Die verbliebenen alten grünen Männer dort blieben aber bis zu ihrem letzten Atemzug überzeugt, auf der richtigen Seite der Geschichte gestanden zu haben, aber boshaft von üblen Mächten ausgebremst worden zu sein.
Hier endet nun meine Geschichte.

Natürlich sind jedwede Ähnlichkeiten zu Vorgängen im realen Leben rein zufällig.

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More from @ChristophCanne

Jun 19, 2023
Die FDP versucht sich vor den LTW als die Gewinner des Heizungsstreits, als die Wegbereiter eines besseren Gesetzes zu präsentieren.

Ein Kurzthread, warum diese Strategie mehr als riskant ist. (1)
1/ wird sich für viele Menschen außer der zeitl. Streckung wenig ändern. In Kommunen, die nun kurzfristig keine Fernwärme anbieten können (werden viele sein) und erst recht kein Wasserstoffnetz, kommt doch der Zwang zur Wärmepumpe mit den drastischen Folgen für Altbaubesitzer (2)
2/ werden viele grün mitregierte Kommunen sich anstrengen, diese Wärmepläne so früh wie möglich vorzulegen - am einfachsten, in dem sie die von der FDP geforderten Wasserstoffnetze gar nicht erst ernsthaft prüfen (3)
Read 5 tweets
Feb 7, 2023
Im nachfolgenden Chart habe ich das Elend der deutschen Energiewende einmal anschaulich anhand der Januar-Daten dargestellt.

In Phasen mit hohem Anteil Windstrom (grüne Rechtecke) haben wir so viel Strom, dass wir zu Preisen oft nahe 0 ins Ausland exportieren müssen.
(1/4)
Außerdem müssen wir immer wieder Strom teuer abregeln, da die Überproduktion nicht vom Netz aufgenommen werden kann.

Dadurch steigen unsere Kosten zur Stabilisierung des Netzes dramatisch an:
(2/4)
In den roten Phasen, den Dunkelflauten, sind wir über Tage hinweg auf Importe aus dem Ausland angewiesen.

Diese erfolgen dann auch zu Spitzenstrompreisen.

(3/4)
Read 5 tweets
Dec 25, 2022
Ihnen allen die besten Weihnachtsgrüße aus dem Saarland.

Da ich sonst immer mit Energiethemen um die Ecke komme, dachte ich mir, ich schreibe mal etwas über unser gemeinsames europäisches Kulturerbe und nehme dafür als Aufhänger dieses Video: ▶️

Ich fange mal an mit der Orgel, die Sie hier sehen.
Diese steht in der etwas weniger bekannten Kirche Saint-Sulpice im Pariser Arrondissement St. Germain-des-Pres.
Die Hauptorgel im Westflügel der Kirche ist ein Meisterwerk, ▶️
auf dem bereits Mendelssohn-Bartholdy oder Bruckner spielten.
Das Amt des Organiste Titulaire ist wahrscheinlich das begehrteste Amt, das man als Organist erhalten kann, auf einer Stufe mit den ebenfalls in Paris befindlichen Kirchen Notre Dame, Trinité und St. Clothilde. ▶️
Read 7 tweets
Sep 20, 2022
In eig. Sache:
Sicherlich haben Sie gemerkt, dass meine Tweets in Richtung der Grünen kompromissloser geworden sind. Ich hatte im letzten Jahr schon größte Sorgen, dass die FDP mit diesen Fanatikern eine Koalition bildete . Diese fatale Fehlentscheidung hängt auch ▶️
wie ein Mühlstein an Lindner und zieht die Partei - leider gerechtfertigterweise - nach unten.

In den letzten Wochen wurden jedoch meine unguten Vorahnungen noch bei weitem übertroffen. Die Grünen haben ihre ganze extremistische Kompromisslosigkeit gezeigt, indem sie ▶️
in dem für sie entscheidenden Politikfeld - der Energiepolitik - knallhart die Interessen ihrer Lobby & ihrer Ideologie vertreten.
Ich kann mich nicht erinnern, dass es in der Geschichte dieser Republik eine Situation gegeben hat, wo eine Regierungspartei so knallhart ▶️
Read 10 tweets
Sep 17, 2022
Im Zshg. mit der Stromkrise wird gerne kolportiert, dass das Marktsystem ("Merit Order") die Ursache allen Übels sei.
Ohne dieses Marktsystem würden wir mit den günstigen Erneuerbaren ganz anders dastehen, erzählt man uns.
Hierzu mal ein kleiner Thread: (1/)
Zuerst einmal ist es sinnvoll, zu erklären, was man unter Merit Order versteht.
Fritz Vahrenholt erklärt es in 👇Artikel, welcher sich zum Lesen lohnt, denn die Schlussfolgerungen, die Vahrenholt hier zieht, greife ich auch in diesem Thread auf. (2/)

kaltesonne.de/fritz-vahrenho…
Wenn man die Vorgehensweise des Merit-Order-Systems verstanden hat, wird klar, dass dieses nicht nur auf dem Strommarkt wirkt, sondern es ist nur eine andere Bezeichnung für ein grundlegendes Theorem der Mikroökonomie - der Supply-Demand-Curve, die bereits von Adam Smith (3/)
Read 12 tweets
Sep 3, 2022
Zu der grünen Ablenkungsdebatte in Richtung französischer Kernkraft habe ich nachfolgend ein internes Memo geschrieben, dessen inhaltlichen Teil ich Ihnen gerne als Argumentationshilfe zur Verfügung stelle:
Hier die verwendeten Quellen:

(1)
grs.de/de/aktuelles/h…
Read 4 tweets

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