Das neue Jahr ist schon so alt, Zeit für einen Jahresrückblick 2023. Fiktiv, aber vielleicht doch wahr, was 2023 für Sachsen-Anhalt bereitgehalten haben wurde. (Futur III: ferne, ungewisse Zukunft, auch Futur „Intel“ genannt). Ein Thread.
Januar, Intel I:
Bei den Grabungsarbeiten in der Börde für die Intel-Ansiedlung werden 7.000 Jahre alte Knochen entdeckt. Sofort reist ein Team um den Landeschef-Archäologen Harald Meller an. Sie entdecken das Grab der ersten Pendlerin Mitteleuropas. (2/24)
Weit vor der Bronzezeit reiste die 1,80 m große Frau zwischen Mittelelbe und Niederrhein hin und her und handelte mit Bronze und Silber. Ein Sensationsfund. Zwar bezweifeln Historiker aus Frankfurt, dass es sich bei den Metallscherben aus den Grabbeilagen um das (3/24)
erste Rufkutschen-System der Geschichte handelt. Das tut dem Erfolg der Sonderausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle allerdings keinen Abbruch. Auch der Histotainment-Roman „Die Urzeitpendlerin“ von Harald Meller wird ein Bestseller. (4/24)
Gut für die Landesregierung: aus Teilen des Erlöses von Buch und Ausstellung können die Kosten von 300 Mio. Euro für die Erschließung des Gewerbegebiets Eulenberg gestemmt werden. Das Areal für die Mikrochipfabriken in Magdeburg ist bereit für den Baubeginn. (5/24)
Schlecht für die Landesregierung: Intel rutscht weiter in die roten Zahlen. Es muss erneut um Fördermittel verhandelt werden. Die Intel-Hängepartie geht weiter.(6/24)
Februar, Halle überrascht alle
Die Entscheidung für das Zukunftszentrum Deutsche Einheit und Europäische Transformation ist gefallen. Es wird: Halle an der Saale. Das überrascht selbst die Hallenser, war doch die Konkurrenz mit Frankfurt (Oder) und Leipzig groß. (7/24)
War es der gläserne Pavillon auf dem Marktplatz? War es der westdeutsche Oberbürgermeister, der die Themen Wandel und Transformation glaubhaft verkörpert? Oder doch die gute ICE-Anbindung an die Hauptstadt? Halle ist jedenfalls überrascht und freut sich.(8/24)
Mit ihr freut sich der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), denn das Zukunftszentrum liegt nun genau auf halbem Weg zwischen Berlin und seinem Wahlkreis Erfurt. „Ich betone, das hat keinen Einfluss auf den Auswahlprozess gehabt“ (Mitteldeutsche Zeitung) 9
März, öffentlich-rechtlicher Rundfunk (ÖRR)
Im Magdeburger Landtag nimmt die Enquete-Kommission mit dem Untersuchungsgegenstand ÖRR ihre Arbeit auf. Als erstes lädt die Kommission Tom Buhrow ein. (10/24)
Der WDR-Intendant verstrickt sich während der Anhörung in Widersprüche, weshalb er fortan zu jeder einzelnen Sitzung in Magdeburg geladen wird. (11/24)
April, Lehrermangel I
Die Ergebnisse aus dem Schulgipfel in der Staatskanzlei lassen aufhorchen: 30 Millionen Euro zusätzlich für den Kampf gegen den Lehrermangel. Das Bildungsministerium geht in die Vollen. (12/24)
Nach dem Erfolg des Landeseigenen Lehrerpodcasts investiert Sachsen-Anhalt nun in eine eigene Doku-Soap zum Thema Lehrermangel. Dank der Finanzspritze gelingt es den Schauspieler Elyas M´Barek für das Projekt zu gewinnen. (13/24)
Er wird 3 Monate an der frisch sanierten Sekundarschule „Völkerfreundschaft“ in Köthen Deutsch unterrichten. Mit der Erfahrung als Schauspieler in den „Fack Ju Göhte“-Filmen sei Elyas M´Barek ausreichend qualifiziert für den Lehrberuf in Sachsen-Anhalt. (14/24)
So ein Sprecher des Bildungsministeriums. Die Doku-Soap „Fack Ju Köthen“ wird ein Quotenerfolg für "SternTV". Steffen Hallaschka und Co. haben es mit ihrer Köthen-Kompetenz geschafft Branchenriesen wie Netflix für das Projekt auszubooten. (15/24)
Juni, #moderndenken

Die abgestorbene Fichtenmonokultur im Nationalpark Harz wird im Sommer 2023 die Kulisse für das erste Waldwindrad in Deutschland. In Rekordzeit hat die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit einem Energieunternehmen das 200 Meter-große Windrad bauen lassen. 16
Zur Einweihung dreht Bundes-Klimaminister Robert Habeck ein Instagram-Video: „Leute, wir müssen in diesen Zeiten pragmatisch sein. Hier ist der tote Wald, da ein neues Windrad, was grünen Strom im Gigawattbereich produziert. (17/24)
Und damit das in der neuen Umgebung kein Fremdkörper wird, haben wir das Windrad grün angestrichen. Und bevor ihr jetzt sagt: Ey, Habeck, die alte Umweltsau! Der grüne Lack am Windrad ist biozertifiziert und absolut umweltverträglich.“ (18/24)
Praktisch für Lokal- und Landespolitik: Für den Bau des Waldwindrads mussten große Teile des Totholzes geräumt werden, welches in der Vergangenheit für die vielen Waldbrände in der Region verantwortlich gemacht wurde. Außerdem mussten die Schilder ausgetauscht werden. (19/24)
Denn der Nationalpark-Status ist nun aberkannt. Dafür entwickelt die Landesregierung eine neue Kategorie, samt Slogan: „Windnationalpark Harz – Wo Natur auf Energie trifft.“ (20/24)
August, Intel II
Ein erneuter Dürresommer in Sachsen-Anhalt. Eine geheime Klausel im Landes-Abwasserabgabengesetz erhitzt die Gemüter. Denn tatsächlich darf dank der Klausel Intel für seine wasserintensiven Chipfabriken zukünftig alle Angelteiche in Sachsen-Anhalt anzapfen.21/24
Die Opposition ist erzürnt. Die Magdeburger Volksstimme titelt: „Angler sitzen bald wegen Intel auf dem Trockenen“. Die Landesregierung verweist auf das noch unfertige Wasserkonzept des Mikrochipherstellers. 22/24
Ein Intel-Sprecher lässt sich mit den Worten zitieren: „Wir arbeiten noch an einem Kreislaufsystem. Nur, solange das noch nicht funktioniert, diversifizieren wir unser Wasserbezugssystem. Ziel ist aber die komplette Wiederverwertung des Wassers für die Chipfabriken. 23/24
Das heißt, wir werden die Angelteiche wieder auffüllen.“

Oktober, Die Cancel-Culture-Debatte des Jahres

„Gleichstellungspolitik – oder soll man es lassen?“, „Der verbotene Mann“ und „Wokistan liegt jetzt in Sachsen-Anhalt“: 24/24
Mit diesen Schlagzeilen schafft es Sachsen-Anhalt in die überregionalen Feuilletons. Die Gleichstellungsministerin stand kurz vor dem Rücktritt. Was war passiert? Die Novellierung des Frauenfördergesetzes.
Das Land hat nach mehr als einem Jahrzehnt das Gleichstellungsgesetz erneuert. Ein alter Passus aus den Neunzigern besagt, dass auch Männer kommunale Gleichstellungsbeauftragte werden können. Dieser Passus wurde nun abgeschafft.
Tatsächlich gibt es aber mit Reinhard Pester einen männlichen, kommunalen Gleichstellungsbeauftragten in Wittenberg. Mit Bestandsgarantie. Soll er also jetzt mitgecancelt werden? Ein Artikel in der Lokalzeitung.
Ein paar aus dem Zusammenhang gerissene Zitate und fertig ist der Cancel-Culture Artikel auf Tichys Einblick. Es folgt ein Debattenbeitrag im Cicero und schließlich ein Essay in der ZEIT.
Höhepunkt und Schlusspunkt der Debatte liefert die Kolumne Post von Wagner in der BILD-Zeitung.
„Lieber Reinhard Pester,
Sie sind ein Frauenversteher. In Wittenberg stellen Sie Frauen und Männer gleich. Sie sind ein Revoluzzer, wie einst Martin Luther. Unbequem für die Mächtigen.
Die Genderlobby in Sachsen-Anhalt will, dass es Sie nicht gibt. Frauen mit Macht, sind am Ende auch nur Männer ohne Skrupel.
Herzlichst,
Ihr Franz Josef Wagner“
November, Lehrermangel II
7.000 Jahre nach der Urzeit-Pendlerin trifft Edel-Pendler Tom Buhrow einen Entschluss. Weil der WDR-Intendant zu jeder Sitzung der ÖRR-Enquete-Kommission in den Magdeburger Landtag muss, hat Buhrow die Nase voll vom Pendeln zwischen Rhein und Elbe.
Er nimmt sich eine Zweitwohnung in Magdeburg. Weniger Reisezeit, mehr Freizeit. Tom Buhrow fängt an nebenbei in einem Magdeburger Gymnasium englisch zu unterrichten.
Dank seiner Zeit als Washington-Korrespondent für die ARD sei Buhrow ausreichend qualifiziert für den Lehrberuf in Sachsen-Anhalt, heißt es aus dem Bildungsministerium. Ungewöhnlich für Seiteneinsteiger: Tom Buhrow wird sofort verbeamtet. Damit steigen auch seine Rentenansprüche
Der „Business Insider“ zitiert ein anonymes Mitglied aus dem WDR-Rundfunkrat: „Mit der Intendanten- und der Beamten-Pension in Sachsen-Anhalt hat Tom Buhrow den Royal Flush in Sachen Renten-Ansprüche hingelegt. Mehr geht nicht“.
Das Bildungsministerium in Magdeburg zieht eine positive Bilanz der Landesinitiative gegen den Lehrermangel.

Dezember, Intel III
Das Jahr neigt sich dem Ende zu und noch immer ist der Baustart für die Intel-Fabriken nicht in Sicht. Die Landespolitik wird langsam unruhig.
Kurz vor Weihnachten gibt es allerdings Bewegung in der Sache. Eine Videobotschaft von Pat Gelsinger himself. Titel: Save-the-Date Magdeburg. Und tatsächlich kündigt der Intel-CEO einen wichtigen Termin für Magdeburg an.
Am 31. März 2024 werde es soweit sein, er werde nach Magdeburg kommen, kündigt Gelsinger an. Der Spatenstich? Nicht ganz. Zum Ostersonntag ruft der gläubige Christ Gelsinger zum gemeinsamen Gebet im Magdeburger Dom auf. Unter dem #prayforintel soll der Gottesdienst
live gestreamt werden. Am Tag der Auferstehung. Was für eine Symbolik. Die letzten Worte von Pat Gelsinger klingen nach dem Auf und Ab im Jahr 2023 dann doch versöhnlich: „See you next year, Magdeburg. Intel will be back!“ ENDE

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