Man sollte seine Gegner und ihre Gedanken kennen, wenn man sich angemessen zu ihnen verhalten will.

Daher im folgenden Faden eine Kurzrezension von Schwabs Buch: „Die 4. Industrielle Revolution“ (4IR).

Eines Vorweg: Das Buch ist ein Leichtgewicht.
Flüssig und eingängig geschrieben gibt es kaum Stellen, an denen man gedanklich hängenbleibt oder die man zwei Mal lesen muss, so dass die ca. 225 Seiten in Maximalgeschwindigkeit lesbar und und in ein paar Stunden durch sind.
Daher ist das Buch aber auch vgl.weise uninspirierend (in pos. wie neg. Hinsicht) und gedankenarm -was auch viel mit Klausens Unverständnis von den jeweiligen Technologien zu tun hat.

Letzteres äussert sich u.a. durch die ständig mit heruntergeklappter Kinnlade vorgebrachten...
... Superlative, die er bedient und die eine typische Laienreaktion auf die Wunder der Technik sind.
Alles ist immer „bis vor Kurzem noch unvorstellbar“ gewesen, bewegt sich mit „atemberaubender Geschwindigkeit“, wird immer vernetzter, flexibler flüssiger und
wird zu „tiefgreifenden Veränderungen“ führen, oder steigt -wenn`s mal wissenschaftlich klingen soll, es aber nicht zwingend ist- „exponentiell“.

Diese Sprache und der daraus abgeleitete Technoopti- und -darwinismus sind imho aber auch ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis...
... von Klausens Denken und ein ebenso typischer Indikator für einen Kompensationsmechanismus, den ich an anderer Stelle einmal beschrieben habe ⬇️.

Denn am Ende, „davon bin ich fest überzeugt“(Herr Schwab) ist die Macht, die dem Klaus oft zugesprochen wird, eine masslose Übertreibung. Er ist im Grunde nicht viel mehr als ein schmieriger Italo-Wirt, in dessen Pizzeria sich die Mafiabosse treffen, um die Stadt unter...
... sich aufzuteilen und Geschäfte zu besprechen. Ab und an kriegt er was mit, fühlt sich wichtig und gibt es weiter, auch nach seinen „vielen Gesprächen mit Führungspersönlichkeiten“. Er bietet diesen Mafiosi lediglich ein Forum, in dem sie sich austauschen können, während...
... er froh sein darf, den neuesten Scheiss mitzukriegen und mitzureden. Daher, auch das ist „meine feste Überzeugung“, sollten uns diese Leute mehr Sorgen bereiten als Klaus Schwab höchstselbst, der wohl mehr symbolische Bedeutung hat und sich lediglich als Gallionsfigur und...
... Prügelknabe anbietet.
Nun aber zum Buch selbst. Dieses ist nach der Einleitung recht übersichtlich in 3 Kapitel plus Anhang gegliedert („Die 4. industrielle Revolution“, „Triebkräfte“, „Auswirkungen“ und, im Anhang, „Tiefgreifende Veränderungen“).
Bereits in der Einleitung kann man die unhinterfragte Prämisse sehen, die sich durch das gesamte Buch zieht und die ebenfalls mit o.g. Kompensationsmechanismus zusammenhängt.
Es wird einfach gesetzt, dass die Segnungen der „neuen Technologie“ kommen werden, egal was, Punkt. Hier liegt nicht nur ein Keim für mögliche Bestätigungsfehler verborgen, sondern auch für die performativen Widersprüche, die sich schon recht früh auftun, z.B. wenn er...
... die Technologie als „keine von aussen wirkende Kraft“ beschreibt, oder „die Revolution in einer Weise gestalten (will), die dem globalen Gemeinwohl dient“.

Ist Letzteres das Ziel wäre doch eigentlich die Ebene davor anzusteuern und zu fragen,
ob man denn diese „Innovationen“ überhaupt braucht, oder zumindest nicht irgendwie dämpfen, abfedern und abbremsen könnte.
Falls nicht wäre zu fragen, wie der Mensch überhaupt in diesen Innovationszwang hineingeraten konnte, ob er nicht mehr Fluch als Segen ist und...
... welche systemischen Eigenlogiken hier eine Rolle spielen.
Aus rechter Sicht zumindest stellen sich diese Fragen unmittelbar, aber eben auch, wenn man es ernst meint mit dem „Gemeinwohl“.
Klaus Schwab aber stellt diese Fragen nicht und das zeigt imho eben auch die betriebsblinde Scheuklappenart, mit der heutige „Führungspersönlichkeiten“ unterwegs sind und die auf ihren devoten Speichellecker Klaus übergesprungen ist.
Das daraus resultierende Technokratiedenken ist eigentlich nur folgerichtig.

Dennoch, auch das will gesagt sein, scheinen mir Klaus` Anliegen und seine Besorgnis durchaus ernst gemeint zu sein.
Im Kapitel „4. industriellen Revolution“ wird kurz definiert, was Klaus darunter versteht, d.h. im Wesentlichen „die Verzahnung dieser (alle möglichen Zukunfts-)Technologien und ihren Wechselwirkungen über die physische, digitale und biologische Sphäre hinweg“.
Interessant sind hier aber mehr die Zwischentöne und Nebenbemerkungen, die sich in ähnlicher Form auch in den anderen Kapiteln finden lassen.
So ist Klaus z.B. der Ansicht, dass „uns ein in sich stimmiges, positives und verbindendes Narrativ (fehlt), das die Chancen und...
... Herausforderungen der 4IR aufzeigt“ und dass „eine solche Erzählung unverzichtbar“ ist, wenn „wir“ „gleichzeitig verhindern wollen, dass eine breite gesellschaftliche Gegenreaktion gegen die grundlegenden Veränderungen entsteht“.
Auch hier wird also wieder das Fell...
... verkauft, noch bevor der Bär erlegt worden ist:
Warum wollen „wir“(wer?) eine solche Gegenreaktion überhaupt verhindern, immerhin handelt es sich ja selbsteingestanden um „grundlegende Veränderungen“ ?
Und warum braucht es hierzu Narrative, deren Nützlichkeit,
so wie hier vorgebracht, ja wohl zwangsläufig manipulativen Charakter hat?
Wird dadurch nicht die Souveränität der Völker -und damit die Demokratie- untergraben, mindestens durch systemische Eigenlogiken, vor denen man kapituliert?
Aber es gibt aus diesem Kapitel auch Überraschendes zu berichten. So beschreibt Klaus z.B. auch besorgt den Rückgang der Lohnquote in den hochentwickelten Ländern, was exemplarisch für viele weitere Stellen im Buch steht, in denen er die Probleme durchaus von höherer Warte,...
... keiner rein „neoliberalen“, aus betrachtet.
Das wäre ein guter Startpunkt für die #SolPat-Vertreter, ihr Narrativ rein neoliberaler Getriebenheit der Eliten einmal zu über- und Technokratie als Reaktion auf systemische Eigenlogiken zu be-denken.
Das Kapitel „Triebkräfte“ beschreibt direkt eigentlich nichts grossartig Interessantes, aber die simple Tatsache, dass heutige „Megatrends“ immer einen digitalen Charakter haben.

Indirekt interessant ist vielleicht noch, dass Klaus mit keiner Silbe die Interessen der...
... innovationstreibenden Unternehmen erwähnt, was aber ja zum weiter oben Genannten passt.
Im Kapitel „Auswirkungen“ wird zunächst der Begriff des „Empowerments“ eingeführt, der die Machtergreifung, oder besser -teilung, durch verschiedenste gesellschaftliche Akteure beschreibt.
Hier scheint er mir unglaublich naiv hinsichtlich der Existenz einer globalen Elite, die jede echte Teilhabe an der Macht, z.B. durch dissidente Akteure, auf Gedeih und Verderb verhindert.
Ob dies tatsächliche Naivität oder ein manipulatives Versteckspiel wiederspiegelt vermag...
... ich nicht genau zu sagen, falsch aber ist es nachweislich in jedem Fall.
Im Anschluss daran folgen eine Reihe von Unterkapiteln, in welchen jeweils die Auswirkungen der 4IR auf Wirtschaft, Wachstum, Beschäftigung, Nationen etc. beschrieben werden, was aber jenseits des Offensichtlichen keinen sonderlich hohen Nährwert mehr bietet.
Wiederum sind es die Zwischentöne, die Aufschluss über Klausens Denken geben. So beschreibt er z.B. die „menschlichen Bedürfnisse und Wünsche“ als „grenzenlos“ und die daraus folgende Sicht der Technikoptimisten,
wonach „der Prozess“ zu ihrer „Befriedigung“ „ebenfalls grenzenlos“ zu sein habe, als „optimistisch“.
Er findet also keinerlei kritische Worte zu dieser Lösungsstrategie, deutet lediglich Bedenken hinsichtlich ihrer Umsetzbarkeit an, woraus wir auf eine völlige Blindheit...
... gegenüber konservativen Lösungsansätzen schliessen können.
Da passen dann auch seine prognostizierten Neudefinitionen der nationalen und familiären Identität dazu, welche, erwartbar, auf Verflüssigung und fehlende Raumgebundenheit hinauslaufen.
Im Anhang schliesslich, der einen beträchtlichen Umfang einnimmt, werden dann noch die einzelnen Zukunftstechnologien beschrieben, sowie die Gefahren und (aus seiner Sicht) Möglichkeiten, welche diese mit sich bringen.
Insgesamt betrachtet schält sich aus diesem Buch zweierlei heraus. Auf der einen Seite beweist Schwab, dass er viele Probleme, wie sie z.B. innerhalb der rechten Modernekritik ebenfalls beschrieben werden, durchaus erkannt hat.
Zu nennen wären hier die Auswirkungen der 4IR auf menschliche Bindungen, gesellschaftliche Stabilität (Migration), psychische Probleme und ja selbst Spiritualität, bzw. das was Schwab darunter versteht.

Auf der anderen Seite aber zeigt er sich völlig blind gegenüber einer...
... Fundamentalkritik am „Dahinter“, also an den Grundlagen der Moderne und dem liberalen Menschenbild. Seine Lösungen sind ausschliesslich technokratischer Natur, „Innovation und Fortschritt“ bleiben unhinterfragt und inhärent gut, jedenfalls solange wie diese dem...
... „Geist von Davos“ entsprechen, worunter er die Zusammenarbeit der verschiedensten, aufgeweichten „Sektoren“, also Untergruppen und Systeme der Gesellschaft, versteht.
Dazu passt dann auch sein proklamiertes, in seinem Sinne `spirituelles` Endziel, mit dem „wir“ uns als „Teil von etwas weitaus Grösserem fühlen können“… „einer echten globalen Gemeinschaft“.

• • •

Missing some Tweet in this thread? You can try to force a refresh
 

Keep Current with König Vadomar der I.

König Vadomar der I. Profile picture

Stay in touch and get notified when new unrolls are available from this author!

Read all threads

This Thread may be Removed Anytime!

PDF

Twitter may remove this content at anytime! Save it as PDF for later use!

Try unrolling a thread yourself!

how to unroll video
  1. Follow @ThreadReaderApp to mention us!

  2. From a Twitter thread mention us with a keyword "unroll"
@threadreaderapp unroll

Practice here first or read more on our help page!

More from @hortarimar

Jan 2
ein paar Kommentare zur Frage,ob das WEF nun neoliberal oder korporiert/crony-kapitalistisch zu nennen ist:

Obwohl,technisch gesehen,der Vorwurf an die Neoliberalismuskritiker korrekt ist, man habe es hier mit einer Kollusion zw. Privatwirtschaft und Politik zu tun, greift...

1
imho die (Gegen)kritik, der vorliegende Zustand sei geradezu das Gegenteil von neoliberal, zu kurz.

Denn man darf nicht vergessen, dass dieser crony-kapitalistische Zustand von denselben WEF-Leuten hergestellt worden, die in den 90er/Nullerjahren noch Globalisierung und...

2
Neoliberalisierung gepredigt und -vor allem- implementiert haben.

Der "crony"-Teil am heutigen Kapitalismus ist sogar mehr als vermeintliche Schutzreaktion auf die entfesselten Märkte von damals zu verstehen, denn als eigenständiges ideologisches Gewächs...

3
Read 6 tweets
Jul 20, 2021
1/13 Ein paar Instantgedanken unter der Dusche, zur Frage, weshalb die heutigen Eliten so bombenfest im Sattel sitzen, was den repressiven Herrschern der Vergangenheit ja so nicht vergönnt war:
2/ Ich denke es gibt hier im Vergleich zur Vergangenheit mindestens 3 Unterschiede in den lebensweltlichen Gegebenheiten, sowohl der Herrschenden wie auch der Beherrschten.
3/ Auf Seiten der Beherrschten gibt es zum einen heute immer noch das vergilbte Narrativ der besten aller möglichen Welten, wie es sich im Westen nach 45 manifestiert hat. Eine Welt, nicht perfekt, aber eben bestmöglich, so dass jede Alternative am Ende die schlechtere wäre.
Read 14 tweets

Did Thread Reader help you today?

Support us! We are indie developers!


This site is made by just two indie developers on a laptop doing marketing, support and development! Read more about the story.

Become a Premium Member ($3/month or $30/year) and get exclusive features!

Become Premium

Don't want to be a Premium member but still want to support us?

Make a small donation by buying us coffee ($5) or help with server cost ($10)

Donate via Paypal

Or Donate anonymously using crypto!

Ethereum

0xfe58350B80634f60Fa6Dc149a72b4DFbc17D341E copy

Bitcoin

3ATGMxNzCUFzxpMCHL5sWSt4DVtS8UqXpi copy

Thank you for your support!

Follow Us on Twitter!

:(