Kleiner Rant zur #Beratungshilfe. (Kollegen mögen die groben Vereinfachungen zugunsten einer besseren Verständlichkeit verzeihen.) 🧵
Ihr habt ein rechtliches Problem, bei dem Ihr anwaltliche Hilfe braucht, habt aber kein Geld?
Bereits im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gab es das sogenannte #Armenrecht. Die Idee, dass die Durchsetzung der eigenen Rechte nicht am Geldbeutel scheitern darf, gibt es also schon sehr lange.
Seit 1981 sprechen wir von #Beratungshilfe für Personen, die sich aus finanziellen Gründen die Beratung durch einen Rechtsanwalt sonst nicht leisten und von #Prozesskostenhilfe, wenn diese sich einen Prozess sonst nicht leisten können.
Wir wollen uns hier auf die Beratungshilfe konzentrieren (zu PKH schreibe ich vielleicht separat nochmal was).
Wichtig: So wie beschrieben gibt es diese in den Flächenländern, in den Stadtstaaten gelten andere Regelungen.
Zunächst mal: Niemand braucht sich für die Inanspruchnahme von Beratungshilfe zu schämen.
Viele Juristen kennen die Situation, wenig oder kein Geld zu haben, noch aus dem Studium. Deutschland ist ein Sozialstaat und Rechtsanwälte sind sog. Organe der Rechtspflege, dienen also (auch) dem großen Ganzen.
Für Rechtsanwälte besteht die Pflicht zur Übernahme der Beratungshilfe (§ 49a BRAO), sie können nur im Einzelfall aus wichtigem Grund ablehnen.
Dabei muss man wissen, dass die Gebühren für den Rechtsanwalt im Rahmen der Beratungshilfe nicht kostendeckend sind. Er verdient an den Mandanten also nichts, sondern zahlt noch drauf.
Das BVerfG zieht die Grenze zur Unzumutbarkeit sehr streng erst da, wo die wirtschaftliche Existenz des Rechtsanwalts gefährdet ist oder zumindest erhebliche finanzielle Auswirkungen auf seinen Kanzleibetrieb gegeben sind. (BVerfG, Beschl. v. 22.7.2019 – 1 BvR 1955/17).
Obwohl also Beratungshilfe-Mandate nicht gerade die Traummandate sind, erledigen die Kollegen diese mit derselben Professionalität wie alle anderen Mandate auch.
Niemand bekommt Rechtsrat 2. Klasse, sondern alle werden – allein schon aus haftungsrechtlichen Gründen – vernünftig beraten.
Also eine super Sache: Qualifizierter Rechtsrat auch für Bedürftige!
Statt irgendwelche teuren Anwaltshotlines anzurufen (das geht bei 1,99 Euro/Minute ins Geld!) besser Beratungshilfe in Anspruch nehmen.
Übrigens: Die Gesamtzahl an Beratungshilfeanträgen sinkt seit etwa zehn Jahren kontinuierlich, in sofern besteht also auch keine Gefahr, die Anwaltschaft damit zu überfordern.
– Moment, ich muss kurz den wütenden Blicken der Kollegen ausweichen. –
(Spaß beiseite: In entsprechenden Brennunktlagen ist die Pflicht zu Beratungshilfe wie derzeit entlohnt für manche Kollegen wirklich ein Problem, die meisten von uns kommen damit aber klar.)
Wie also bekommt Ihr Beratungshilfe und wie macht Ihr es richtig?
Der beste Weg ist, dass Ihr _zunächst_ (also noch bevor Ihr zum Anwalt geht) zu Eurem örtlichen Amtsgericht geht und dort einen Antrag auf Beratungshilfe stellt.
Dazu schlagt Ihr da einfach an der Pforte auf, sagt, dass Ihr gerne Beratungshilfe beantragen würdet, dann wird Euch gesagt wohin Ihr müsst.
Im Gericht gibt es dann ein Formular, dass abfragt, dass:
[ ] Ihr nicht wegen Quatsch (keine Aliens mehr über meiner Wohnung!) kommt
[ ] Ihr tatsächlich kein Geld habt (Belege)
[ ] es für keine andere Möglichkeit zur Beratung gibt
[ ] die Sache noch nicht vor Gericht ist
Damit man mal eine Vorstellung bekommt, habe ich mal das Formular für NRW verlinkt:
Das Gericht gibt Euch dann einen sogenannten Berechtigungsschein.
Den nehmt Ihr, dann kratzt Ihr 15 Euro zusammen und geht mit beidem zum Rechtsanwalt.
Gegen beides zusammen (Berechtigungsschein und 15 Euro) bekommt Ihr dann Rechtsrat bei Eurem Rechtsanwalt.
Stichwort „zum Rechtsanwalt gehen“: Termin vorher ausmachen wäre super! ;-)
Bitte direkt darauf hinweisen, dass es um eine Beratungshilfesache geht. (NICHT schämen - s.o.!)
Die Beratung geht auch online oder per Telefon, aber der Anwalt braucht den Berechtigungsschein im Original (also dann per Post).
In Beratungshilfesachen noch wichtiger als sonst und auch wenn es nicht einfach ist: Versucht bitte, dem Rechtsanwalt im Gespräch die für den Fall wesentlichen Informationen zu kommunizieren.
Also z.B. wann habt Ihr das Geld verliehen? Welche Belege gibt es? NICHT: Warum die Ex-Partnerin, der Ihr das Geld geliehen habt, sowieso einen ganz miesen Charakter hat.
Wie gesagt: Ihr bekommt guten Rechtsrat nahezu komplett auf Kosten der Allgemeinheit.
Bitte seid so diszipliniert und versucht Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Wenn man sich anstrengt, bekommt man das auch als Nichtjurist hin.
Im Zweifel fragt einfach den Anwalt: „Spielt es eine Rolle, dass…?“
So kann man schnell Punkte abhaken, ohne evtl. doch Wichtiges unberücksichtigt zu lassen.
Gut zu wissen; Im Zivilrecht kann Beratungshilfe über die eigentliche Beratung hinaus auch außergerichtliche Vertretung umfassen – etwa einen anwaltlichen Schriftsatz an die Gegenseite.
Im Strafrecht hingegen umfasst sie wirklich nur die Beratung an sich. Weiteres Tätigwerden des Rechtsanwalts kann in diesem Bereich nicht über Beratungshilfe laufen.
#Girokontosperre|n sind immer so eine Sache. Auf einmal und ohne Vorwarnung funktionieren die Karten nicht mehr, Lastschriften scheitern trotz Deckung.
Häufig steckt eine #Verdachtsmeldung nach #Geldwäschegesetz dahinter. Irgend ein Algorithmus zur Risikoabschätzung hat angeschlagen. Vielleicht war es eine Überweisung aus dem Ausland, vielleicht zu viele Bargeldeinzahlungen.
Besonders brisant: Dann darf die Bank keine Auskunft erteilen. Auf Nachfragen bekommt der Kontoinhaber meist schlicht gesagt, die entsprechende Fachabteilung werde sich melden. Was sie meist sehr lange nicht tut.
Immer wieder gibt es Mandanten, die privat Geld verliehen haben und es jetzt nicht wieder bekommen.
Egal ob gute Bekannte oder Ex-Partner: Meist ist die Kommunikation bereits eskaliert und als Anwalt bekommt man dann Screenshots von eher unschönen Chatverläufen vorgelegt.