Weil es im deutschsprachigen Raum noch kaum besprochen wird: Ein kleiner Thread über #Tortuguita und #StopCopCity in Atlanta
Tortuguita wurde am 18.1.2023 im South River Forest südlich von Atlanta von mehreren Polizist:innen erschossen. CN Polizeigewalt
📷Gabe Eisen
Tortuguita hatte gemeinsam mit anderen Aktivist:innen den South River Forest besetzt, um eine Rodung des Waldes und den Bau einer großen Polizeitrainingseinrichtung zu verhindern ("Cop City")
Für das Projekt wurden bereits 90 Mio. Dollar Steuergeld bereit gestellt, und 140 Hektar öffentlicher Parkfläche zur Rodung freigegeben. 140 Hektar Park, das entspricht: Hasenheide + Humboldthain + Gleisdreieckpark + Görli + Mauerpark.
70% der Stadtbevölkerung ist gegen das Projekt, auch weil der Wald in Zeiten der Klimakrise Schutz gegen Überflutung und extreme Hitze bietet.
In Cop City soll dann eine Stadtkulisse entstehen, in der Polizist:innen "urbane Kampfszenarien" üben können, z.B.: Bombenexplosionen, Tränengaseinsatz und Hochgeschwindigkeitsjadgen. Eine Art Militärübungsbasis, aber für die Polizei.
Das alles in einer Stadt, deren Bewohner:innen zu 50% Schwarz sind und damit bereits jetzt - ohne Cop City - doppelt und dreifach von Polizeigewalt und Schikane bedroht sind. nbcnews.com/news/nbcblk/re…
Auch Tortuguita war sich der Gefahr bewusst: "Hab ich Angst vor dem Staat? Ich wär dumm wenn nicht. Ich bin eine braune Person und könnte von der Polizei umgebracht werden, nur weil ich mich an bestimmten Orten bewege" sagte T zu @DavidPeisner, s. hier: bittersoutherner.com/feature/2023/l…
In diesem Portrait beschreibt Peisner die Begegnungen mit Tortuguita, als er vor wenigen Monaten als Journalist die Besetzung besuchte. Darin zieht Peisner auch die öffentlichen Statements der Polizei zum Schusswechsel in Zweifel. Es lohnt sich auf jeden Fall, das zu lesen.
Tortuguita war eine queere indigene Person, die sich für gewaltfreie Widerstandstaktiken aussprach: “Wir werden sie nicht mit Gewalt schlagen. Sie sind sehr gut in Gewalt, wir nicht. Wir gewinnen durch Gewaltfreiheit. Wir gewinnen im öffentlichen Diskurs und vor Gericht" (s.o.)
Tortuguita wurde 26 Jahre alt. Am 18. Januar morgens um 9 Uhr waren Polizist:innen der Georgia State Patrol, Dekalb County Police, Atlanta Police, dem Georgia Bureau of Investigation und FBI auf dem besetzten Gelände, um die Räumung vorzubereiten und schließlich auch an Ts Zelt.
Laut offizieller Angaben soll Tortuguita zuerst geschossen und dabei einen State Trooper verletzt haben. Allerdings wurde weder Tortuguitas vermeintliche Tatwaffe zu Protokoll gegeben, noch wurden weitere Informationen zur Identität und dem Grad der Verletzung
des State Troopers veröffentlicht.
Jedenfalls wurde Tortuguita an diesem Morgen mit 13 Schüssen "aus Selbstschutz" getötet. Dass es 13 Schüsse waren weiß man nur, weil die Familie eine private Autopsie in Auftrag gegeben hat.
Stand heute ist auch nicht bekannt, wer und wieviele von den anwesenden Polizist:innen geschossen haben. Seltsam ist auch, dass Zeug:innen in Hörweite nur eine Schussfolge aus einer Richtung hörten.
Obwohl auf Fotos ersichtlich ist, dass anwesende Polizist:innen BodyCams trugen, wurde bisher kein Video- oder Audiomaterial von dem Einsatz und dem Vorfall veröffentlicht. Die Cops mit Bodycam seien zum Zeitpunkt nicht in der Nähe gewesen, sagt das GBI.
Die "offizielle" Schilderung des Hergangs, die auch so direkt vom Gouverneur Georgias akzeptiert und bekräftigt wurde, basiert also ausschließlich auf den Aussagen der Polizei. Augenzeug:innen, die das bestätigen könnten, waren wohl nicht in der Nähe.
Tortuguitas Familie wehrt sich gegen die Erzählung der Polizei. Man habe sich bisher auch nicht die Zeit genommen, ihnen zu erklären, was genau passiert sei. Ts Bruder: "Mir ist direkt aufgefallen, dass das GBI nicht den Tod von Manuel untersucht - sie untersuchen Manuel"
Aktivist:innen und Angehörige befürchten, dass es sich um eine politisch motivierte Ermordung handelt. Sie fordern die Untersuchung von Tortuguitas Tod durch eine unabhängige Stelle.
Für Umweltaktivismus ermordet zu werden ist in anderen Ländern längst eine reale und alltägliche Gefahr. In den USA ist Tortuguita aber tatsächlich der erste Fall in der jüngeren Geschichte. theguardian.com/environment/20…
Dass die Bedrohungslage von Umweltaktivist:innen dort rapide zunimmt, wird auch dadurch deutlich, dass die #StopCopCity Besetzer:innen seit Monaten durch Politik, Medien und Polizei als "Terrorist:innen" verunglimpft wurden.
Es macht auf jeden Fall Sinn, die Tötung Tortuguitas im breiteren Kontext der sich zuspitzenden klimatischen und politischen Krisen und der Kriminalisierung von Aktivismus allgemein und der Besetzung im Speziellen zu betrachten.
Zwanzig der Besetzer:innen wurden nun sogar wegen Inlandsterrorismus (domestic terrorism) angezeigt. Die Begründungen laut Akte "schläft im Wald", "schläft in Hängematte mit anderer Person", "bekanntes Mitglied der Gefängnis-Abschaffbewegung“ theintercept.com/2023/01/27/cop…
Die Polizei kann Lützerath so schnell räumen, weil sie strategisch Angst erzeugt und schwere Verletzungen riskiert. Die meisten Fälle sind nicht medial dokumentiert, auch weil der Presse teils der Zugang verwehrt wird. Ich hab einen Fall filmen können (CN Polizeigewalt)
Hier setzt ein Polizist die Kettensäge von unten an dünnen Holzlatten an, obwohl er weiß, dass darauf ein Mensch sitzt. 2, 3 cm zwischen der Säge und dem Becken einer Person. Als er das filmende Handy sieht, holt er mit links aus, um danach zu greifen. Auch das war sehr knapp.
Kontext: Bei der Räumung von Eckhardts Scheune gestern morgen ist die Polizei sehr schnell vorgegangen. Innerhalb weniger Minuten haben sie die Barrikade zum Hof überwunden und direkt damit begonnen, das verbarrikadierte Scheunentor einzutreten, um so in die Scheune zu gelangen.
Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich in einer Scheune verbarrikadieren muss, um dem kohlegeilen NRWE Filz Einhalt zu gebieten. Yet here i am.
Der einzige Grund warum der Staat hier den Weg für RWE freiknüppelt ist, der Klimabewegung ein Erfolgserlebnis zu verwehren. Das sagen nicht wir, das sagt RWE.
Es ärgert mich, dass wir in der Presse immer wieder als Gruppe mit Partikularinteressen geframed werden.
Wenn Staat, Grüne und Konzerne sich darauf verständigen, uns aus Prinzip niederzuknüppeln, ist das auch eine Kriegserklärung an euch alle, die gern eine Zukunft hätten.
Hausdurchsuchungen bei #LetzteGeneration, verstärkte Polizeikontrollen in einigen Innenstädten und die Verwüstung eines muslimischen Friedhofs. Alles Nachrichten der letzten 3 Tage. Die Gleichzeitigkeit dieser Entwicklungen sollte uns besorgen.
Dazu kommt eine größer werdende Freude an Selbstjustiz & Selbstjustizfantasien, die kaltblütige Erschießung eines rassifizierten Jungen durch die Polizei und die weitgehend unwidersprochene Inhaftierung von Aktivist:innen ohne Prozess.
Die Gesellschaft wird vor unseren Augen autoritärer und die Geschwindigkeit in der das passiert sollte uns alle aufrütteln.
Immer mehr Leute sagen um die Klimakrise in den Griff zu kriegen müssen wir die gegebenen Machtverhältnisse überwinden. Aber was soll das eigentlich sein, "Macht"?
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Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten oder theoretische Ansätze, Macht, Machtverhältnisse & -dynamiken zu beschreiben.
Auch wenn es erstmal nach einer unwissenschaftlichen Kategorie klingen mag: "Macht" ist im Bereich der Sozialtheorie als Begriff essenziell.
Da die Klimakrise im Kern ein Problem von gesellschaftlichen Machtverhältnissen ist, ist es wichtig, dass mehr Menschen mit diesem Begriff was anfangen können.
Daher kommt jetzt eine kurze, unvollständige Historie, wie sich die Analyse von Macht in der Soziologie entwickelt hat
Die Polizei wollte mich gestern und heute davon abhalten, mich an zivilem Ungehorsam gegen den fossilen Rollback und die neoliberale Politik der Ampel zu beteiligen.
Dazu hat sie mir präventiv eine "Meldeauflage" für die verbleibenden Tage der #Herbstrebellion verpasst.
Ich musste mich gestern und heute dreimal täglich bei der Polizeistelle nahe meiner Wohnung melden sonst droht Geldstrafe i.H.v. 1000€ oder bis zu 14 Tage Haft.
Ich finde ziemlich krass, wie die @polizeiberlin da gegen mich und zwei andere Aktivisten vorgeht. Man labelt mich - kein Witz - als Gefährderin, und behauptet, ich würde mich strafbar machen. Was nicht stimmt, denn ich hatte bisher keine einzigen Gerichtsprozess und