Zu den wiederholten Plagiatsfällen in der Causa #Koppetsch gesellt sich eine merkwürdige Fügung. Nicht nur die Professorin selbst scheint offenbar Plagiieren als „alternative“ wissenschaftliche Methode zu sehen. Es gibt Anlass für die Vermutung, dass sie das sogar lehrt: (1/19)
Ein neues Sachbuch mit dem Titel „Die Antiquiertheit der Frau“ wurde jüngst in der @faznet euphorisch besprochen: Edo Reents sprach von einem „gepfefferte[m], an Marx und Freud geschulte[m] Pamphlet gegen den Gender- beziehungsweise Queerfeminismus“. (2/19)
Er wünschte dem Buch eine zweite Auflage sowie ein besseres Lektorat. Nun ist informierten Kreisen längst klar, dass es die nicht geben wird, weil sich die Autorin für ihr „gepfeffertes Pamphlet“, gelinde gesagt, an vielen Stellen von fremdem Werk hat inspirieren lassen. (3/19)
Genauer gesagt: Vom Titel (vgl. Magnus Klaue: „Die Antiquiertheit des Sexus“ (2017)) über einzelne Formulierungen bis hin zu ganzen Abschnitten sind etliche Stellen im Buch geklaut, zum Teil 1:1 schlicht kopiert. Der zuständige Verleger des Buches weiß um die Plagiate. (4/19)
Offenbar hat diese Info aber dennoch zumindest weder die FAZ noch die @Weltwoche (vgl. die Rezension von @laStaempfli , 2.11.2022) erreicht. Oder soll sie das vielleicht gar nicht? (5/19)
Auch aus meiner (bislang) unveröffentlichten Masterarbeit, die ich im Vertrauen schon oft an etliche Interessierte verschickt habe, hat die Autorin eine Passage übernommen. Es handelt sich um einen völlig trivialen Absatz, was die Sache kaum besser macht, denn: (6/19)
Wer nicht in der Lage ist, eine derartige Banalität wenigstens umzuformulieren, hat vermutlich gar kein Interesse daran, überhaupt einen eigenen, originellen Gedanken zu fassen. Andere hat es deutlich härter und viel offensichtlicher getroffen. (7/19)
Dass die Autorin des genannten Buches munter weiter plagiiert, obwohl ihre „Methoden“ bekannt sind, ist auch meiner eigenen Dummheit geschuldet. 2019 ließ ich die Autorin einen Text im @derfreitag schreiben, bei dem sie ebenfalls großzügig plagiiert hat. (8/19)
Teile des Textes erschienen ursprünglich in der @Jungle_World. Ich habe mich damals bei den geschädigten Autoren Ali Tonguç Ertuğrul und Sabri Deniz Martin entschuldigt und ihnen geraten, sich an den Presserat zu wenden. Viel mehr war nicht zu machen. (9/19)
Später schrieb mir auch Magnus Klaue, dass die Autorin Material von ihm für eigene Texte verwendet. Ich dachte: So dreist, direkt nach dem ersten „Eklat“ fröhlich weiter zu plagiieren, kann keiner sein. Diese Blauäugigkeit tut mir im Nachhinein leid und ärgert mich sehr. (10/19)
Jetzt weiß ich: Nicht nur ist es kaum zu blöd gedacht, dass jemand so dreist ist – diese Dreistigkeit hat vermutlich sogar Methode. Jüngst fiel mir ein, dass die Autorin ja – wie sie mir erzählte – bei einer nicht unbekannten deutschen Soziologieprofessorin studierte. (11/19)
Auch jene geriet in die Kritik, weil ihr viel gelobtes Buch über den Rechtsruck in Deutschland zu einem großen Teil aus Plagiaten bestand. Eine Untersuchungskommission der TU Darmstadt attestierte ihr damals, 2020, laut @derspiegel: (12/19)
„eine gewisse Routine bei einer Form der Texterstellung, die den Eindruck der Originalität der eigenen Schrift zulasten anderer (und auch des Forschungsstandes) steigert.“ (13/19) spiegel.de/panorama/bildu…
Besagte Professorin hat sich damals entschuldigt, das hielt sie aber nicht davon ab, in einem anderen Werk erneut umfangreich zu plagiieren. Beim zweiten Fall sprach die Kommission schon von einer „verfestigte[n] (unrichtige[n]) Einstellung“. (14/19)
Erwähnt werden sollte aber auch: Ebenfalls in der @faznet erschien im Frühjahr 2020 eine flammende Verteidigung der Professorin – von keinem geringeren als ihrer hier eingangs erwähnten Studentin. Mittlerweile ist dieser Text seltsamerweise nicht mehr auffindbar. (15/19)
Muss ich also davon ausgehen, dass am Institut für Soziologie der TU Darmstadt nicht nur eine Professorin lehrt, die einen recht kreativen Umgang mit dem wissenschaftlichen Arbeiten pflegt, sondern ihre „Methode“ mitsamt der dazugehörigen Einstellung auch unterrichtet? (16/19)
Selbst wenn, wäre es nicht das Schlimmste. @floris_du_mal nannte die Thesen einer gewissen Professorin kürzlich treffend „als Wissenschaft auftretende grandiose Zeitdiagnosen mit wohlklingenden, aber argumentativ ungedeckten Thesen, die öffentlich groß Welle machen“. (17/19)
Ich schließe mich dem an und füge hinzu: Journalist*innen sollten in der Lage sein, als Wissenschaft camouflierte Schwafelei zu erkennen und sie nicht blind zu lobpreisen, nur weil darin Thesen zum Ausdruck kommen, die man sehr gern wahr haben möchte. (18/19)
Was sonst aus diesem Thread zu schlussfolgern wäre, den ich gestern bereits als Post auf einem antiken sozialen Netzwerk namens Facebook verfasst habe, bleibt jedem selbst überlassen. (19/19)

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