Es sieht eben immer nur nach "spielen" aus. Für uns pädagogische Fachkräfte ist es aber viel mehr als das - und leider sieht man es oft von außen nicht, was im Hintergrund passiert.
Ich nehme euch mit in 10 Minuten Kitaalltag.
Das Kind (knapp 2) hat angefangen, "Menschen" auf eine Legoplatte zu setzen.
Bewusst verwende ich nicht das im Schwäbischen typische "Männle", denn es sind auch Frauen dabei.
Ich begleite das Kind verbal und beschreibe wertungsfrei, setze aber absichtlich keine Spielimpuls bzw. gebe keine Richtung vor, weil ich weiß, dass das Kind es kognitiv und sprachlich selbst kann.
Das Kind sagt, es möchte ein Lagerfeuer bauen und die Menschen sollen drumherum sitzen. Ich frage, was man für ein Lagerfeuer braucht. Holz, antwortet es. Ich biete ihm einen grauen Stein an: "Könnte das das Holz sein?"
Das Kind nimmt Blickkontakt mit mir auf und setzt den Stein in die Mitte. "Und Feuer!". "Welche Farbe soll das Feuer haben?" Bewusst frage ich hier nach, denn das Kind lernt gerade die Farben. Das lasse ich im Spiel in den Dialog einfließen und decke damit ein Bildungsthema ab.
Das Kind baut ein "großes Lagerfeuer" und setzt weitere Figuren dazu. Im Dialog benennen wir die Menschen. Ich gebe einen bewussten Impuls, damit aus dem reinen Aufstellen evt. eine kleine Geschichte wird. "Die Frau möchte auch ans Lagerfeuer! Darf sie sich auf den Stuhl setzen?"
Das Kind beginnt, auch die anderen Figuren zu bewegen und fängt an, sich in diese hineinzuversetzen. Es freut mich sehr, denn das hat das Kind bisher nicht gemacht/gekonnt und ist ein wichtiger und großer Schritt. Eine Figur holt nun Würstchen. Das Kind bewegt die Figur weg.
Das Kind holt einen Feuerwehrschlauch: "Das Lagerfeuer ist aus!"
Ich: "Sollen wir es wieder anmachen?" Ich möchte aktiv versuchen, das Kind noch etwas im Spiel zu halten.
Das Kind baut das Feuer höher. Das beginnende Rollenspiel geht aber wieder mehr in ein Konstruieren über.
Geschickt sitzt das Kind die Steine auf das den bereits bestehenden Turm. Es erkennt, wo die Noppen sind und dass man nicht wahllos setzen kann und merkt, dass der Turm immer wackeliger wird.
Zwischendurch kommt ein anderes (kleineres) Kind. Ich bitte die Kollegin durch Blickkontakt, das andere Kind wegzulotsen. Es wäre schade, wenn das Spiel unterbrochen würde. Das andere Kind ist vom Entwicklungsstand nicht so weit, es sinnvoll in *dieses* Spiel einbinden zu können.
Das, was von außen wie "nur spielen" aussah, habe ich sehr bewusst und mit dem Wissen, auf welchem Entwicklungsstand das Kind, begleitet.
Das Kind hat sich zum ersten Mal in eine "Figur" hineinversetzt - was für ein großer Entwicklungssprung! Es hat spielerisch die Farben gelernt. Es hat - zumindest in den ersten Ansätzen - eine logische Geschichte aufgebaut.
Genau das werde ich den Eltern demnächst im Elterngespräch mitteilen.
Es ist so viel mehr als der Satz "Das Kind spielt gern mit Lego".
Und genau deswegen bin ich eine pädagogische Fachkraft in der #twkita - und keine Bällebad-Betreuerin.
Die Nachfrage liegt auf der Hand:
Das ist nur mit quantitativ *und* qualitativ gutem Personal und einem eingespieltem Team möglich.
Es ist frustrierend, dauerhaft unter Minimalbesetzung zu arbeiten und nur noch die Aufsichtspflicht zu erfüllen.
Die Presseinfo spiegel nicht das wider, was tatsächlich angedacht ist.
"Multiprofessionelle Teams" klingt toll, scheint aber zu bedeuten, dass Hilfskräfte (z.B. "Omas") und Köch*innen beim Fachkraftschlüssel(!) angerechnet werden! Das ist keine #kitaderzukunft, sondern absurd!
1/5 #twkita
Es gibt genau einen Weg aus dem Dilemma:
Man lässt das System der frühkindlichen Bildung platzen, steckt 15 Jahre Qualitätsarbeit weg und fokussiert sich nur auf Betreuung und Aufbewahrung. Das kann man machen, dann sollte man das bitte aber auch so benennen.
...
2/5 Was aktuell passiert ist, die Qualität auszuhöhlen - und zwar scheibchenweise.
Das ist in BW schon passiert mit vergrößerten Gruppen, absinkenden Fachkraftstandards, verkürzten Ausbildungen und wird gerade - vor allem von Städte- und Gemeindetag - massiv vorangetrieben.
3/5 "Oma Hilde" und die Köchin sollen jetzt zum Fachkraftschlüssel zählen? Wie wenig Ahnung kann man von Frühpädagogik haben um *so* etwas überhaupt zu fordern?
Ich habe etliche (Fach-)kolleg*innen, bei denen nicht mehr viel fehlt, dass sie den Job hinschmeißen.
"Die Aufsichtspflicht in der Kita muss immer gewährleistet sein."
Hört sich das für Eltern nicht beruhigend an?
Das Kind ist in der Kita versorgt, wird betreut und es ist sichergestellt, dass "nichts passiert".
Ein paar Beispiele - ein Thread.
Der Erzieher begleitet dein Kind durch die täglichen Wutanfälle oder die emotionalen Krisen, die es als Zweijährige hat.
Die Aufsichtspflicht ist gewährleistet, wenn dein Kind während des Wutanfalls in Sichtweite des Erziehers ist. Es bleibt evt. minutenlang schreiend alleine.
Das ältere, stärkere Kind nimmt deinem Kind das Spielzeug weg. Die Kinder werden während des Streits von der Erzieherin begleitet.
Die Aufsichtspflicht ist gewährleistet, wenn dein Kind nicht verletzt wird. Mit der Ungerechtigkeit muss es selbst klarkommen.