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Mar 28 14 tweets 5 min read Twitter logo Read on Twitter
Großazzia in der sächsischen Kleinstadt #Colditz: 225 Zollfahnder und Bundespolizisten durchsuchen seit dem Morgen die Liegenschaften der Familie N., die Jahre das Zentrum der aggressiven Neonaziszene in der Region bildete. Der Verdacht: Drogenhandel.
Nach MDR-Informationen wurden Waffen gefunden sowie eine Marihuanaplantage im Ortsteil Hohnbach (Foto) entdeckt. Außerdem beschlagnahmte der Zoll einen Lamborghini und einen Mercedes bei den vermeintlichen Sozialhilfeempfängern.
Ralf N. (66) wurde am Morgen in seinem Haus von der ZUZ, dem „SEK“ des Zolls, festgenommen. Wie seine Söhne (35, 38) ist er x-fach vorbestraft - wegen Körperverletzung, Fahrens ohne Führerschein, Beleidigungen. Der jüngere Sohn wurde 2014 mit 1,8 kg Crystal gefasst; 4 J 8 M Haft.
Morgen sollen die 3 N.-Männer dem Haftrichter vorgeführt werden. Über weitere Funde wollen Zoll + Staatsanwaltschaft später informieren. Die ehem. Holzhändlerfamilie erwarb in den vergangenen Jahren immer wieder Grundstücke, ein Sohn schaukelte im Hummer durch die Innenstadt.
Jemand aus Colditz schrieb mir heute: „So ein schöner Tag!“ Bis in die 10er Jahre war Colditz eine Angstzone für Nichtrechte und Linke und ein Wegduckfeld für Behörden. Bis heute fürchten sich viele vor Familie N. und ihrem Umfeld. Längerer Hintergrund („kreuzer“ Leipzig 2017):
Nach dem Artikel sprach mich ein Mann in Leipzig an. Ich kannte ihn, wusste aber nicht, dass er aus Colditz ist. Er erinnerte sich an ständige Überfälle, zB an der Tankstelle. Ein Ex-Colditzer meldete sich aus FFM. Er habe seine Jugend verdrängt, u.a. das Überfallenwerden im Klub
Selten hat mich eine Geschichte so verfolgt. Die tiefe Traurigkeit von Menschen, die sich gewehrt hatten und von Staat + Stadtgesellschaft im Stich gelassen wurden. Die bleibenden Ängste und Verletzungen von Leuten, die von den Neonazis vertrieben wurden bzw. nur noch weg wollten
Eine Polizei, die nur in Einzelfällen gegen die Neonazis vorging. Fehlende OK-Bekämpfung in der Peripherie. Die zuständige Staatsanwaltschaft Leipzig (Außenstelle Grimma), die - lange und oft - nicht sonderlich engagiert ermittelte. Und unverständlich milde Amtsrichter in Grimma.
2018 passierte Interessantes in Colditz: Zur Bürgermeisterwahl trat der Sohn des scheidenden Stadtoberhaupts an. Mehrere Einwohner meldeten sich unabhängig voneinander + warnten. Es drohe der Einzug der Neonazis ins Rathaus, weil der Sohn seinen Wahlkampf von einem Rechtsextremen
managen lasse. Der Mann bestritt mir gegenüber, je eine solche Gesinnung gehabt zu haben. Zwei Betroffene erinnerten sich an Gewalt durch eine Gruppe von Neonazis, zu der er gehört habe. Dann die Überraschung: Ein junger, wenig bekannter Jurist gewann im ersten Wahlgang. Der
Bürgermeistersohn wurde Dritter. Mein Eindruck damals: Durch Mund-zu-Mund-Propaganda hatten Einwohner einander alarmiert. Und so wenige sich auch öffentlich positionieren mochten; eine Mehrheit wollte auf jeden Fall Neonazi-Einfluss im Rathaus verhindern.
Unter denen, die sich 2018 sorgten, war auch der frühere FDP-Bürgermeister (jüngst verstorben). Er hatte sich den Neonazis in seiner Amtszeit kaum entgegen gestellt. Als Grund nannte er mir Angst. Er war selbst von ihnen, u.a. von Vater N., bei einem Stadtfest verprügelt worden.

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Mar 13, 2022
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