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Apr 14 13 tweets 4 min read Twitter logo Read on Twitter
1/ Der #DalaiLama machte mit seiner Zungen-Lutsch-Aktion gegenüber einem Kind (!) Schlagzeilen.

Guter Zeitpunkt für einen (nicht so) Fun Fact: Das Image des Dalai Lama als liebevoller spiritueller Führer ist weitgehend Fiktion. Er war 60 Jahre lang theokratischer Machthaber. 🧵 Image
2/ Tibet war lange ein eigenständiges Königreich und wurde 1720 zu einem Protektorat der chinesischen Qing-Dynastie. Tibet genoss aber grosse Autonomie. Nach der Revolution 1912 in China blieb Tibet formal Teil von China, war de facto aber selbstständig.
3/ Diese Selbstständigkeit endete 1951 mit der chinesischen Annexion Tibets. 1959 löste China brutal die bestehenden politischen Strukturen in Tibet auf. Der 14. Dalai Lama musste ins Ausland flüchten.
4/ Hier beginnt im Westen eine Romantisierung vom alten Tibet als buddhistischem Paradies. Die Realität war eine andere: Tibet war eine Theokratie, in der ein grosser Teil der Bevölkerung brutal als eine Art Leibeigene ausgebeutet wurden.
daserste.ndr.de/panorama/archi…
5/ Die tibetische Gesellschaft war eine Mischung zwischen Feudalismus und Kastensystem. Land und politische Macht besassen primär Adlige und die Mönchskaste, angeführt vom Dalai Lama. Für sie schufteten Leibeigene.
tandfonline.com/doi/abs/10.108…
6/ Alle Menschen in Tibet, die nicht zur Mönchskaste oder zum Adel gehörten, waren in einer Form von Leibeigenschaft gefangen. Die Zugehörigkeit wurde per Geburt bestimmt.
cambridge.org/core/journals/…
7/ Lhamo Tondup, der aktuelle 14. Dalai Lama, war das bisher letzte theokratische Staatsoberhaupt in Tibet. Im Exil verklärte er jahrzehntelang das alte System und beanspruchte weiterhin, tibetisches Staatsoberhaupt zu sein.
8/ Der Dalai Lama erhielt bis Anfang der 1970er Jahre Unterstützung von der CIA, u.a. bei der Ausbildung von Guerilla-Kämpfern. Das Ziel war, China und die kommunistische Partei aus Tibet zu drängen.
direct.mit.edu/jcws/article-a…
9/ Diese Bestrebungen erwiesen sich als unrealistisch. Die Unterstützung der US-Regierung hörte in den 1970er Jahren auf, u.a. wegen Nixons Annäherung an das Mao-Regime. Seither fordern der Dalai Lama und die Exil-Regierung nicht mehr Unabhängigkeit, sondern nur mehr Autonomie.
10/ Unser heutiges Bild vom friedlichen Dalai Lama und vom paradiesischen alten Tibet wurde massgeblich in den 1980er und 1990er Jahren geprägt, als Hollywood Tibet und den Dalai Lama als “exotische” Motive entdeckte und erfolgreich kommerzialisierte.
link.springer.com/book/10.1057/9…
11/ Im Kontrast zu seinem Status als popkulturelle Ikone erhob der Dalai Lama bis 2011 als den Anspruch, das theokratische Oberhaupt Tibets zu sein. 2011 kündigte er seinen politischen Rücktritt an; möglicherweise, um China einen Strich durch die Nachfolgeplanung zu machen.
12/ Wichtig: Diese Kritik ist keine Rechtfertigung für Chinas imperialistische Annexion Tibets. China nutzt Kritik am Dalai Lama und an der alten tibetischen Gesellschaftsordnung gezielt für Propaganda, um sich als barmherzige Retterin des tibetischen Volkes zu inszenieren. Image
13: Fazit: Die brutale chinesische Unterdrückung des tibetischen Volkes ist inakzeptabel. Aber der Sache ist nicht gedient, wenn wir uns kitschigen, ahistorischen Shangri-La-Fantasien über ein paradiesisches Tibet und einen liebevollen Dalai Lama hingeben, die es so nie gab.

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Apr 9
1/ Ulrike Guérot erklärt in der Weltwoche, sie sei Opfer einer "Treibjagd" und müsse geschützt werden, aber sie werde stattdessen "öffentlich hingerichtet".

Was im über 40-minütigen Interview nicht vorkommt: Eine Entkräftung der inhaltlichen Kritik an Guérots Aussagen.
2/ Das ist eine simple, aber wirksame Immunisierungsstrategie: Jede Form der Kritik wird pauschal als Diffamierung, Hexenjagd etc. abgetan. Das lenkt vom Inhalt der Kritik ab und suggeriert Glaubwürdigkeit (à la "Sie wollen mich zum Schweigen bringen, weil ich recht habe").
3/ Diese Immunisierungsstrategie setzt z.B. auch Daniele Ganser sehr wirksam ein. In seiner Welt gibt es keine legitime inhaltliche Kritik an seinen Aussagen. Es ist alles immer nur Diffamierung - und er ist ein Opfer wie damals Sophie Scholl.
t-online.de/region/hamburg…
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Apr 2
1/ Esoterische Lehren klingen vordergründig oft harmlos, aber unter der Friede-Freude-Eierkuchen-Patina steckt nicht selten autoritäres Gedankengut.

Ein aktuelles Beispiel: Das “Manifest der neuen Erde”, bei dem auch Daniele Ganser mitwirkte. 🧵

thenewearthmanifesto.com/ueber-das-mani…
2/ Was ist das “Manifest der neuen Erde”? Auf den ersten Blick typische “Wir wollen eine bessere Welt”-Öko-Esoterik in gewohnt nichtssagender Schwurbel-Sprache. Auf den zweiten Blick zeigt sich aber, dass dahinter abstruse politische Vorstellungen stecken.
3/ Im Manifest wird in blumiger Sprache eine neue explizit antidemokratische Gesellschaftsordnung gefordert: Die politische Entscheidungsmacht soll bei "Weisenräten" liegen.

Was zum Kuckuck ist ein "Weisenrat" / "Rat der Weisen"?
Read 10 tweets
Mar 21
1/ Fassen wir zusammen: Eine "too big to fail"-Grossbank, die nach der globalen Finanzkrise 2008 zu wenig reguliert wurde, implodiert nach Jahren des Missmanagements. Der Staat greift ein. Wie? Er macht eine *andere* systemrelevante Bank *noch grösser*.
2/ Die implodierte Bank wird, unter Einsatz von Notrecht, zu einem Spottpreis an eine andere Grossbank verscherbelt. Ohne Auflagen für diese andere Grossbank. Diese kriegt zusätzlich noch über 200 *Milliarden* Garantie an öffentlichem Geld.
3/ Das Ergebnis: Eine neue Mega-Bank mit potenziell noch grösserem Risiko. Das systemische Risiko einer Grossbank wird "gelöst", indem man eine noch grössere Bank baut und ihr, ohne Auflagen, Hunderte Milliarden zusichert. Vollkommen bekloppt.
Read 9 tweets
Mar 20
1/ Stell dir vor, die Mitarbeitenden einer Regulierungsbehörde nehmen regelmässig lukrative Jobs in den Unternehmen an, die sie regulieren sollten.

Klingt absurd? Bei der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht #FINMA Alltag, nicht nur im Fall #CreditSuisse.

Ein paar Beispiele. 🧵
2/ Patrick Raaflaub, ehemaliger FINMA-Direktor, kam vom Rückversicherer Swiss Re zur FINMA und wechselte 2014 zu Swiss Re zurück. Heute ist er bei der CSS-Versicherung.
3/ Yann Wermeille, Leiter des Geschäftsbereichs Märkte, verliess 2014 die FINMA, um im Bankenbereich zu arbeiten. Heute ist er u.a. Verwaltungsrat bei der Privatbank NBK Suisse.
Read 12 tweets
Mar 12
1/ Gestern fand in Bern die von Mass-Voll organisierte "Friedensdemo" statt. Wie wurde für Frieden plädiert? Schauen wir kurz rein. 🧵
2/ Daniel Stricker meinte, das Bundeshaus sei nicht "gleich Nazi-mässig unterwegs wie gewisse Nachbarstaaten - Oh, hab ich jetzt jemanden beleidigt? ( ͡° ͜ʖ ͡°)".

Er war als "wirklich freier Journalist" angekündigt. Danke, Dani, für deinen mutigen, intelligenten Journalismus. 🫡
3/ Christoph Pfluger forderte "gleiches Völkerrecht für alle".

Die Welt komme ihm vor wie ein Pausenplatz, auf dem Jungs Stöcke und Schlagringe sammeln und drohen, bis einem anderen die "Faust ausrutscht" - und nur dieser (Russland) werde dann bestraft.
Read 12 tweets
Mar 2
1/ In der Schweizer Gemeinde Windisch verlieren 49 Mieter*innen ihre Wohnungen - und die SVP gibt “Asylschmarotzern” die Schuld.

Das ist sogar für SVP-Verhältnisse eine erstaunlich perfide Desinformations-Kampagne. 🧵
2/ Die Geschichte wurde zum Skandal, nachdem die SVP-Gemeindepräsidentin von Windisch medial anprangerte, dass der Kanton 49 Menschen aus Mietwohnungen schmeisse, um Platz für Asylsuchende zu schaffen. Bereits das war Fehlinformation.
blick.ch/schweiz/mittel…
3/ Die private Immobilienfirma, der die Wohnungen gehören, behauptet, die Kündigungen seien wegen eines geplanten Neubaus ausgesprochen worden. Der Kanton Aargau habe erst danach für eine Zwischennutzung angefragt.
tagesanzeiger.ch/im-fall-windis…
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