#Tarifrunde 2023: Kann man die Inflationsausgleichsprämien kritisieren und trotzdem z.B. den Tarifabschluss Öffentlicher Dienst als tragfähigen Kompromiss bezeichnen? Ich denke ja! Dazu ein paar Argumente… 🧵
@_verdi @dgb_news @WSIInstitut @ThorstenSchult6 @BenePeters
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Zunächst: Ja, steuer- und abgabenfreie Inflationsausgleichszahlungen sind ein „süßes Gift“. Anstelle einer tabellenwirksamen Tariferhöhung bieten sie kurzfristig eine attraktive finanzielle Entlastung von bis zu 3.000 € brutto = netto, aber…
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…langfristig sind sie ein Verlustgeschäft. Denn der einmalige Verzicht auf eine Tariferhöhung zugunsten einer Inflationsprämie macht sich bei jeder folgenden Tariferhöhung negativ bemerkbar. Dazu meine Analyse: wsi.de/fpdf/HBS-00855…
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Nicht zuletzt deswegen waren manche Gewerkschaften wie @_verdi von vornherein sehr skeptisch gegenüber diesem Instrument. Ein ökonomisches Argument kam hinzu: Gestiegene Preise bleiben dauerhaft, der Inflationsausgleich ist eine Einmalzahlung.
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Andere Gewerkschaften, z. B. die @igbce , hatten dagegen ausdrücklich ein steuer- und abgabenfreies tarifliches Entlastungsgeld gefordert. Im 3. Entlastungspaket wurde dies von der Ampel-Koalition im September 2022 in Form einer „Inflationsausgleichsprämie“ geschaffen.
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Der Geist war damit aus der Flasche. In sehr vielen Tarifabschlüssen wurde eine Inflationsausgleichszahlung vereinbart. Das entwickelte große Sogkraft und schuf eine Erwartungshaltung, der sich auch die skeptischen Gewerkschaften nicht entziehen konnten.
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Auch die Arbeitgeber waren stark interessiert, sparen sie bei jeder Inflationsausgleichszahlung doch rund 20 Prozent Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung.
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Letztlich bleibt also die Frage: Ist das Tarifergebnis im öffentlichen Dienst – unter diesen Bedingungen – akzeptabel? Ja, denn es handelt sich um einen tragfähigen Kompromiss, der angesichts der bestehenden Rahmenbedingungen vorzeigbar ist…
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Zunächst: Es gibt zwar erst im März 2024 eine tabellenwirksame Erhöhung, trotzdem bleiben die Beschäftigten bis dahin nicht ohne finanzielle Unterstützung. Im Gegenteil: Im Juni gibt es eine Einmalzahlung von 1.240 € netto, von Juli 2023 bis Februar 2024 je 220 €/Mon.
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Das bedeutet 2023 im Schnitt ein Plus von 6,1 %. Ab März 2024 kommt die dauerhafte Tariferhöhung von 200 € Sockelbetrag plus 5,5 % (mind. 340 €) hinzu. Damit gibt es einen Ersatz für die wegfallende Inflationsausgleichszahlung, der zu einer Erhöhung gegenüber 2023 führt.
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Die entscheidende Frage ist: Was bleibt am Ende? Kurze Antwort: nicht wenig! Die dauerhafte Tarifanhebung bewegt sich je nach Entgelthöhe zwischen 8 und 16 %. Im Schnitt steigt das Tarifentgelt um über 11 %.
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Reicht das, um die Inflationsverluste auszugleichen? Für die Jahre 2023 und 2024 könnte das gelingen. Nimmt man auch das Jahr 2022 in den Blick, wird es nicht reichen. Die sprunghafte und historisch außergewöhnliche Inflationssteigerung 2022 wird nicht ausgeglichen.
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Trotzdem kann sich der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst blicken lassen. Im Vergleich zu den anderen vorliegenden Tarifabschlüssen liegt er, was die dauerhafte Tarifsteigerung betrifft, an der Spitze.
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Letzter Kritikpunkt - die Laufzeit: Tarifabschlüsse zwischen 20 und 24 Monaten Dauer sind seit langer Zeit Standard. Ausgerechnet in Krisenzeiten einen Tarifvertrag mit kurzer Laufzeit und vollständigem dauerhaften Inflationsausgleich durchzusetzen, ist kaum realistisch.
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Also Ende gut - alles gut? Nein! Die Gewerkschaften wären gut beraten, wenn sie künftig Pauschal- und Einmalzahlungen wieder auf ihre ursprüngliche Funktion zurückführen, die (wenigen) Verzögerungsmonate zu Beginn der Laufzeit zu überbrücken.
15/n

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