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Ich glaube nicht, dass die Digitalisierung zu einer merklichen Entlastung im Sinne von mehr Zeit für die Patient*innen/Fortbildung/Work-Life etc. führen wird.
Es wird vor allem eine Verdichtung, keine Erleichterung.
In meiner Wahrnehmung, wird das Wort Digitalisierung immer dann in den Mund genommen, wenn man keine Lösung für aktuelle Probleme hat.
Digitalisierung ist wie eine Möhre, die man dem Esel (uns) vorhält. 🥕
Es ist die Verheißung auf eine bessere Zukunft. Nur wird sie keine der dröhnendsten Probleme lösen, weshalb jetzt schon die #MedizinBrennt.
Woher ich das wissen will?
Weil ich bereits mehrfach miterlebt habe, wie Intensivstationen digitalisiert wurden.
Vorher wurde alles auf Papier geschrieben. Jeder Blutdruck, jede Beatmungseinstellung, jede Medikamentengabe, alles wurde aufgeschrieben.
Die Pflegekräfte haben eigentlich den ganzen Tag lang irgendetwas aufgeschrieben. Das war maximal ineffizient und teils absurd.
Mit der Digitalisierung wurde an jedem Patientenbett ein Computer installiert, ab, dann wurden die meisten Vitalparameter (Herzfrequenz, Blutdruck und so weiter) automatisch übernommen. Das wirkte erstmal wie eine große Erleichterung.
Die Dokumentation für die durchgeführten pflegerischen Arbeiten ist aber immer noch die gleiche. Man schreibt nur nicht mehr mit einem Kugelschreiber, sondern mit einer Tastatur.
Die Dokumentation der Vitalparameter läuft automatisch.
Aber vieles muss immer noch von Hand eingetragen werden, weil es keine Schnittstelle gibt.
Schnittstellen sind sowieso das größte Problem. Man könnte noch viel mehr automatisch übernehmen, aber es gibt meist keine Schnittstelle.
BGA, Beatmung, ein einziges Mosaik.
Für manches gibt es eine Schnittstelle, aber man muss sie kaufen und sie ist zu teuer.
Nur zur Klarstellung:
Die digitale Akte bietet viele Vorteile, so zum Beispiel bei der Erstellung eines Verlegungsberichts von der Intensivstation.
Das möchte ich keinesfalls mehr missen.
Die erhoffte Zeitersparnis im Alltag, ist aber ausgeblieben. Ich rede aus der Erfahrung von drei Intensivstationen, die ich in diesem Prozess begleitet habe.
Die Arbeit hat sich verändert, gewisse Prozesse wurden optimiert.
So erkennt man zum Beispiel Inkompatibilitäten zwischen Medikamenten besser, kann mit einem Klick eine komplette Historie der gegebenen Antiinfektiva zusammenstellen und so weiter. Das ist eine große Erleichterung.
Eine Kompensation für den Personalmangel ist das mit Nichten. Und der Personalmangel und vor allem die fachlichen Defizite bei dem eingesetzten Personal (sowohl im ärztlichen, als auch im pflegerischen Bereich) sind unsere größten Probleme.
Wenn also jetzt wie überall die Digitalisierung als Lösung für alle Probleme präsentiert wird, kann ich zumindest für unseren Bereich, in dem die Digitalisierung recht weit fortgeschritten ist, sagen – das ist ein Märchen.
Dadurch wird manches anders und vieles besser.
An dem größten Problem, dem massiven Personalmangel und den schlechten Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte, der Ärztinnen und Ärzte, ändert sich überhaupt gar nichts durch die Digitalisierung.
Das sollte allen klar sein, die sich an solchen Diskussionen beteiligen.
🥕

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May 7
Ich muss das erläutern: die persönliche Gedichte ist tragisch, es tut mir sehr leid, dass diese Patientin das ertragen muss und die Angehörigen es raus reißen muss.
Das sollte klar sein.
Die Empörung suggeriert aber eine besonders krasse Fehlleistung, aber das ist es nicht.
Also natürlich ist das annähernd ein Komplettversagen, aber nichts daran ist außergewöhnlich oder überraschend.
Zumindest nicht für Leute, die sich nicht mit beiden Händen die Augen zu halten.
Read 10 tweets
Apr 26
Ich trage in der Klinik keine Maske mehr.
Die meisten werden jetzt irritiert fragen - hä? Maske?
Ja, für viele sind Masken schon seit 2021 out, hier gab es bis vor zwei Monaten tatsächlich noch eine Maskenpflicht.
Über 3 Jahre trug ich täglich FFP2/FFP3.
Ich blieb auch nach dem Ende der Maskenpflicht dabei, aus Verantwortung für unsere Patientinnen und Patienten. Für die, die nicht krank werden dürfen, weil sie es vielleicht nicht überleben.
Der effektivste Schutz für einen Patienten ist es immer noch selber eine Maske zu tragen.
Der zweitbeste Schutz ist es, wenn die anderen Personen im Raum auch eine Maske tragen.
Aber - es trägt hier niemand mehr eine Maske.
Nicht das Personal, nicht die Patienten, nicht mal die, die ich als besonders vulnerabel bezeichnen würde.
Ich war der allerletzte mit Maske.
Read 21 tweets
Apr 25
Reden wir doch mal über den CO2-Fußabdruck von den Geissens.
Oder den von Managern, Privatiers und Multimillionären.
1% der reichsten Menschen verantworten knapp die Hälfte des CO2-Ausstoßes!
Warum immer die A100 und nicht mal der Hobokenweg auf Sylt?
Oder die Elbchaussee?
Ich sage nicht, dass man das machen soll, auf keinen Fall sollte man zB die Zufahrt zum Terminal für einen Campingurlaub nutzen. Das wäre wirklich doof - also für einige wenige 1%.
noe.orf.at/stories/320038…
Ich denke nur - warum sollen wir uns untereinander im Kleinklein zerfleischen, wenn die eigentlichen Verursacher ganz woanders sitzen - pardon - residieren?
Die obersten 1% sind nicht nur die, die am meisten CO2 verbrauchen, es sind auch die, die am meisten Einfluss haben.
Read 8 tweets
Apr 24
Ich habe schon auf einer Autobahn in der nicht gebildeten Rettungsgasse festgesteckt, während vorne ein Eingeklemmter Trucker verblutet ist, da wusstet ihr noch gar nicht was eine letzte Generation sein soll. Das war damals nicht mal eine Randnotiz auf Seite 3 wert.
Diese aufgeblasen vorgeheuchelte Empörung, weil irgendwo ein KTW mit einer Verlegung bei „Rückenschmerz seit 3 Wochen“ fest steckt, könnt ihr euch wohin schieben.
Sucht euch bessere Argumente um euer „Weiter so wie immer!“ zu rechtfertigen.
Die letzte Generation ist wie der Hausarzt, der Günter sagt, dass seine Leber das fettige Essen und den Alkohol nicht länger verträgt und er SOFORT was ändern muss. Die GammaGT ist hoch dreistellig, da muss JETZT was passieren.
Read 5 tweets
Apr 17
Mir schicken immer wieder Leute Studien zu (oft Pre-Press, selten mit Peer Review) die irgendwelche Horrorszenarien als Folgen einer Infektion malen.
Da ist immer sehr viel könnte/vielleicht/Reagenzglasmikroskopie und wenig real-world-Daten dabei.
Das ist mir alles zu dünn.
Der Hauptgrund, warum ich weiter vorsichtig bleibe ist einfach, dass man durch wiederholte Infektionen wahrscheinlich nicht gesünder wird.
Ich kann und werde mich und meine Kinder deswegen aber nicht bis in alle Ewigkeit isolieren.
Wir tragen weiter FFP2 in öffentlichen Bereichen von Menschenansammlungen und in Innenräumen, denn das sind absolut vermeidbare Infektionsrisiken.
Das werde ich übrigens beibehalten, gerade im Winter. Ich war in den letzten drei Jahren nur ein mal krank. Genial!
Read 10 tweets
Apr 5
Highlight heute der Kollege, der nach drei mal Corona so schlecht Luft bekommt, dass er seitdem keine Maske mehr trägt. Also gar nicht, nirgendwo. Er ist 36, war vor Corona gesund und fährt jetzt nur noch mit dem Aufzug, Treppe geht nicht mehr.
Das mit der Luft war nach der ersten Infektion nach 8 Wochen weg, bei der zweiten Infektion blieb es länger und seit der dritten Infektion hat er sich noch nicht erholt. Er klärt alle Patienten wieder ohne Maske auf, weil mit Lächeln ist es auch viel freundlicher und so.
Ratet.
Genau. Vierte Runde für ihn 🥳
Und dann sagte er letzte Woche noch „Ich hoffe doch sehr auf Antikörper nach der letzten Infektion, irgendwann muss es ja mal vorbei sein“. 🤔
Er ist ein wirklich guter Arzt, aber sowas erwartet man eher nicht von einem approbierten Akademker. 😩
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